Viktoriaschüler wachsen als Zirkusakteure über sich hinaus

Wenn die eigenen Kinder zum Zirkus gehen, sind Spannung, Spaß und Freude vorprogrammiert. Foto: Westenberger

Schönberg (mw) – In der Viktoria-Schule durften Eltern und Lehrer verfolgen, wie sich die 140 Kinder der Viktoria-Schule in nur fünf Tagen in Zirkusleute verwandelten, die sich der Jonglage, der Tierdressur, der Artistik und Akrobatik, der Clownerie und der Fakirkunst verschrieben hatten. Bei der Zirkusfamilie des Zirkus Rondel, der für eine Woche hinter dem Gelände der Altkönigschule seine Zelte aufschlug, ist nämlich Programm, dass die Kinder das Zirkusprogramm selbst gestalten. Was die Oberhöchstädter Grundschüler dank ihrem Förderverein schon vor einigen Jahren erleben durften, wurde jetzt auch in der Viktoria-Schule in Schönberg dank der Lehrerin Vivian Lauth, die das Projekt vor vier Jahren anschob und maßgeblich organisierte, dank eines engagierten Fördervereins und zahlreicher großzügiger Sponsoren realisiert. Mit 9.200 Euro ist es wahrlich kein leicht zu finanzierendes Projekt, doch wer in der Zirkusmanege eine der zwei Abschlussvorstellungen verfolgte, der war einfach nur begeistert. Von der ersten Minute an waren die Zuschauer gefesselt von den magischen, bezaubernden, aufregenden und lustigen Zirkusnummern. Die Zirkusvorführungen boten weitaus mehr als gewöhnlich: Sie waren genauso magisch, kurzweilig und vielfältig in den Programmpunkten, wie man es sich wünscht, aber noch viel aufregender als gewöhnlich, da es die eigenen Kinder waren, die plötzlich als Akteure in der Manege erschienen. Nicht nur eine Mutter, Vater, Oma oder Opa mussten sich in den Arm kneifen, um sich sicher zu sein, dass hier gerade wirklich ihr eigenes Kind auftrat, hoch oben in der Luft auf dem Trapez schwebte, mit der bloßen Hand das Feuer weiterreichte, mit Bällen jonglierte, Tauben durch einen Reifen laufen ließ oder als Clown das Publikum auf den Arm nahm. Alles wirkte leicht, magisch und verspielt. Die Kinder bildeten mit ihrer Gruppe, die sie sich ausgesucht hatten, eine Einheit und wuchsen unter den Fittichen der zehnköpfigen Zirkuspädagogen über sich hinaus. „Dass sie sich das alles trauen“, war immer wieder aus den Zuschauerreihen zu hören. „Das würde ich nicht.“ Faszinierend war auch, wie konzentriert sie bei der Sache waren, auf den Punkt genau wussten, was sie zu tun hatten. Ein Sack Flöhe hüten mag einfacher sein, als mit 140 Kindern in fünf Tagen Zirkusnummern einzustudieren, mögen sich die Eltern gedacht haben. Die Zirkuspädagogen müssen in kürzester Zeit ein unglaublich gutes Gespür für die Kinder entwickelt haben. „Sie wussten sie sehr schnell einzuschätzen, wussten, wo sie noch etwas herauskitzeln konnten, aber auch wann es genug war“, erzählt Vivian Lauth. In Kleingruppen wurde die Woche über in Turnhalle und Zirkus unermüdlich trainiert. Die Pausen dazwischen wurden genutzt, um das Thema Zirkus zu vertiefen. Natürlich gab es trotz aller Anstrengungsbereitschaft den Moment, in dem trotz aller Bemühung etwas nicht klappte und ein Kind der Mut verließ. Doch immer siegte die Begeisterung und der Spaß an der Sache, sodass alle Kinder gemeinsam am Ende ihre selbst gesteckten Ziele erreichten. „Das Zirkusteam hat die Kinder sehr gut angeleitet, beide, Kinder wie die Zirkusmannschaft haben hier wirklich professionell zusammengearbeitet“, freut sich Lehrerin Susanne Jäger. Wen oder was sie gerne verkörpern wollten im Zirkus, wussten sie schnell: Alina und Lilli beispielsweise wollten mit Tieren arbeiten. „Und da wir Ziegen und Ponys bereits aus dem Opel-Zoo kennen, haben wir uns für die Tauben entschieden“, erzählten sie bei verdientem Popcorn und Zuckerwatte in der Pause. Sie lernten dabei, mit den dressierten Tauben ganz entspannt umzugehen, keine schnellen Bewegungen zu machen und sie richtig auf der Hand zu halten, weil ihre Krallenfüße sonst kratzen. Die kleinen Fakire, die neben der Feuerkunst auch verstanden, sich mit nacktem Oberkörper auf ein Nagelbrett zu legen, entführten mit Unterstützung zahlreicher Bauchtänzerinnnen in Tausendundeine Nacht. Die Clowns veranstalteten einen Flohzirkus und die Akrobatinnen und Akrobaten standen unter anderem auf den Händen der Zirkusakrobaten Kopf. Die „alten Artisten der Jahrhundertwende“ gewannen die Herzen der Zuschauer mit tollem Handstandüberschlag durch einen Reifen genauso wie durch ihren Charme. Ob Pferde- oder Ziegendressur oder kleine Artisten, die in Windeseile hohe Menschenpyramiden bildeten, jede und jeder bekam seinen verdienten Applaus, der nach jedem Programmpunkt zu wahren Begeisterungsstürmen anschwoll. Hatten die Artisten zu Beginn schon dafür gesorgt, dass dem einen oder anderen Zuschauer, ganz bestimmt aber den Eltern der Atem stockte, so setzten die Trapezkünstlerinnen im zweiten Teil des Abends noch einmal eins oben drauf: Die jungen Mädchen schwangen sich in schwindelnde Höhen, zeigten anspruchsvolle turnerische Leistungen, die höchste Konzentration und Körperbeherrschung voraussetzten, vor allem aber ein hohes Vertrauen in die Zirkusartisten, an dessen Füßen und Armen sie sich durch die Luft schwingen ließen. Bürgermeister Klaus Temmen, der eine der Vorstellungen ebenfalls verfolgte, war einfach nur voller Bewunderung. Am Ende brachte die Schuldirektorin, Claudia Opsomer das Gefühl aller nach dieser ungewöhnlichen Schulwoche auf den Punkt, indem sie verkündete: „Ihr Lieben, Ihr wart einfach wunderbar! Ihr habt uns bezaubert, in die Welt der Magie entführt und zum Lachen gebracht.“ Und nicht nur einmal sei ihr vor Aufregung und Anspannung das Herz in die Hose gerutscht. „Ihr wart einfach spitze!“ Dem konnte sich das Zirkusteam mit Zirkusdirektor René Ortmann nur anschließen. Er bedankte sich auch für den Einsatz und das Vertrauen der Eltern. 40 Eltern hatten vier Stunden lang mitangepackt, um das große und das kleine Zirkuszelt mitaufzubauen. „Wir hatten ein paar Probleme, deshalb hat es länger gedauert als gewöhnlich“, erklärte Ortmann und lud sogleich zum gemeinsamen Abbau ein. „Hier liegt der Rekord bei zwei Stunden, vielleicht unterbieten Sie die!“ Nach dem Abbau, der knapp über zwei Stunden dauern sollte, hatte sich Mitmach-Zirkus direkt zur nächsten Schule Richtung Duisburg aufgemacht. Die Schüler dort dürfen sich jetzt schon freuen, in den Genuss dieses großartigen Projekts zu kommen. Denn es fördert nicht nur das Selbstbewusstsein jedes Kindes ganz erheblich, sondern vor allem auch die soziale Gemeinschaft. Gewachsen ist binnen kürzester Zeit eine Schulgemeinschaft, bei der sich Erst- und Viertklässler auf dem Schulhof nun ganz neu begegnen, haben sie doch eben noch gemeinsam als Clowns das Publikum begeistert oder als Fakire die Zuschauer in Atem gehalten. Eine Erfahrung, die ihnen keiner mehr nehmen kann. Leider kann man ein solches Projekt wohl nicht alle vier Jahre umsetzen, wünschen würde man es jedenfalls jedem Grundschüler in Kronberg, eine solche Zirkuswoche erleben zu dürfen. „Wir werden es in vier Jahren wieder versuchen zu stemmen“, verspricht Lauth.

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