1989: Über 1000 Ballenstedter „stürmen“ Weihnachtsmarkt

Kronberg (war) – Vor 30 Jahren hatten die Kronberger an Weihnachten bereits turbulente Adventswochen hinter sich. Durch die unerwartet schnelle Grenzöffnung der DDR im November 1989 war es den Anwohnern aus Ballenstedt kurzfristig möglich geworden, den Weihnachtsmarkt ihrer Partnerstadt im Vordertaunus zu besuchen. Die Städtebeziehung war erst ein Jahr zuvor eingegangen worden. Zudem lockte damals 220 DM Begrüßungsgeld: 100 Mark von der Bundesrepublik und 100 DM extra von der Stadt Kronberg sowie 20 Mark für jeden Besucher aus einem Ostblockstaat.

Die Kronberger luden ihre neuen Partner aus dem Osten ein und rechneten allenfalls mit ein paar hundert Neugierigen. Es meldeten sich jedoch weit über 1000 Bürger aus dem Vorderharz, die zum Weihnachtsmarkt kommen wollten. Schnell war klar, dass der Großteil der Angemeldeten ein Schlafquartier benötigte. Es war zwar geplant, mehrere Sammelunterkünfte mit Feldbetten im Haus Altkönig und der Taunushalle, im Religionspädagogischen Studienzentrum, Schulungszentrum der Gewerkschaft Bau, Steine, Erden sowie Ausbildungszentrum der Deutschen Bank einzurichten. Doch war es fraglich, ob diese Unterkünfte langen würden. Daher appellierte der damalige Bürgermeister Rudolf Möller in der Kronberger Zeitung (KrZ) vom 1.12.1989 an die Gastfreundschaft seiner Mitbürger und rief dazu auf, kurzfristig möglichst viele private Schlafmöglichkeiten anzubieten. Für die Organisation wurde eigens ein „Quartierbüro“ im Rathaus eingerichtet. „Wer helfen möchte, aber kein Quartier für Besucher aus der Partnerstadt Ballenstedt bereitstellen kann, kann eine Geldspende auf das Sonderkonto Ballenstedt einzahlen“, war in der KrZ zu lesen. Am 8.12., dem Vortag des Weihnachtmarktes, berichtete die KrZ über einige kuriose Anfragen und Bitten, die in dem Quartierbüro eingegangen waren. So wollten einige Gastgeber nur Akademiker ins Haus lassen. „Und ein Kirchenmann von Rang machte deutlich, daß auch christliche Nächstenliebe ihre Grenzen kennt. ‚Ich nehme gerne einige Besucher bei mir auf. Allerdings nur Katholiken‘“, so das Nachrichtenblatt. Eine Familie mit 18–jährigem Sohn wünschte sich möglichst eine Familie mit gleichaltriger Tochter zu Gast, hielt das Blatt fest.

Zum Glück meisterten laut KrZ vom 12. Dezember die Kronberger den Gästeansturm zum Weihnachtsmarkt hervorragend. Es erschienen 1150 Besucher, denen in 450 Privathaushalten eine Bleibe zur Verfügung stand. Die eingerichteten Sammelquartiere wurden folglich unbenutzt vorzeitig am Samstagabend geschlossen. Lediglich 60 Gäste zogen es vor, in den relativ komfortablen Einzelzimmern des Ausbildungszentrums der Deutschen Bank ein Bett zu nehmen. Am 9. Dezember wurde in der großen Sporthalle der Altkönigschule für die Besucher aus Ballenstedt mit ihren Gastgebern ein städtischer Empfang ausgerichtet. „Bevor die Gäste aus Ballenstedt von den Vertretern der Stadt in der Halle offiziell begrüßt wurden, wurden sie erst einmal vor dem Eingang von einer Fahrschule auf eine ganz besondere Art in Empfang genommen: Mit Bergen von Bananen und Orangen, die kostenlos verteilt wurden“, hielt die KrZ fest.

Während dieses denkwürdigen Weihnachtsmarkts vor dreißig Jahren wurden viele, enge Freundschaften zwischen Kronberger und Ballenstedter Bürgern geschlossen, die bis heute bestehen.

Bedauerten Letztere im Jahr 1989 noch, dass sie wegen der Kürze der Zeit keine speziellen Produkte aus ihrer Heimat zu dem Weihnachtsmarkt mitbringen konnten, so ist dieses Manko inzwischen behoben. Längst ist Kronbergs Partnerstadt auf dem Markt eine feste Größe, um alljährlich am eigenen Stand typische Produkte aus der Region anzubieten.



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