Im Bann Beethovens mit Mario Brunello und der Kremerata Baltica

Kronberg (aks) – Wer das Glück hatte, am Sonntag vor einer Woche in der Stadthalle dabei zu sein, erlebte im Rahmen des Kronberger Cello Festivals ein furioses Konzert-Programm mit der Kremerata Baltica, das das Publikum mit Juwelen der Klassik ebenso verlockte wie mit der Uraufführung von Giovanni Sollima, Jahrgang 1962. Unter der Leitung von Mario Brunello, der wie Sollima Cello bei Antonio Janigro studierte, gaben die 23 jungen Streicher aus dem Baltikum alles. Brunello selbst zählt zur Weltklasse der Cellisten. Er spielte mit den berühmtesten Orchestern der Welt und als Kammermusiker mit Künstlern von Weltrang wie Gidon Kremer, Gründer der Kremerata Baltica, Martha Argerich, Yuri Bashmet und Maurizio Pollini und anderen. Beethoven hätte seine wahre Freude gehabt an so viel Leidenschaft!

Zu seinen Ehren fand dieser Konzert-Zyklus „Searching for Ludwig“ der Kronberg Academy eine Woche lang an verschiedenen Orten mit 21 Konzerten statt. Ob laut oder leise, forsch oder verhalten, gesprochen oder gesprochen, gezupft und gestrichen, es wurden viele Facetten Beethovens zu Gehör gebracht, die sich um seine universale Musik drehten und diese spiegelten. Dazu gehört an diesem Abend der zeitgenössische Musiker Giovanni Sollima. Sein Lehrer Milko Kelemen sagte über ihn: „So ein Talent gibt es nur einmal in hundert Jahren!“. Auch der Italiener Valter Sivilotti, 1963 geboren, erwies Beethoven seine Reverenz und feuerte das Publikum an mit einer Cello-Komposition zu einem Chanson-Text von Léo Ferré (1975) in Original-Tonbandaufnahmen, in dem dieser immer wieder die Frage stellte: „Muss es sein? Es muss sein!“: Die rhetorische Frage, auf die eine knurrige Antwort folgt, geht auf die Anekdote zurück, dass ein wenig spendabler Musikliebhaber Beethoven fragte, ob er denn bezahlen müsse, woraufhin Beethoven unwirsch mit dem Kanon „Es muss sein, ja, ja, ja, heraus mit dem Beutel! Heraus, heraus, es muss sein“ antwortete. Beethoven hatte wohl am Ende seines Lebens keine Geduld mehr mit Zechprellern jeglicher Couleur, so grimmig war seine Antwort. Léo Ferré, der große französische Chansonnier, selbst eher ein rebellischer Geist, griff eben diesen Titel des letzten Satzes von Beethovens Streichquartett op. 135 auf und forderte damit die Befreiung der Musik aus verkrusteten Strukturen, um sie jung und frisch zu erhalten. „Wir wollen Musik in den Straßen, und dorthin wird sie kommen. Und wir werden die Musik erleben!“

Die Kremerata Baltica, 1997 von Gidon Kremer zu einem der besten Kammerorchester der Welt vereint, bewies wieder einmal, dass sie für jeden Spaß und für geniale Musik aller Epochen zu haben ist. Alle Streicher zeigten an diesem Sonntag unter der Leitung von Cellist Mario Brunello ihr großes Können beim Cellokonzert von Jean-Louis Duport (1749 bis 1819), bei Beethovens Streichquartett Nr. 16 F-Dur und beim Violinkonzert von Joseph Haydn in C-Dur.

Als Höhepunkt des Abends trat als Solistin die herausragende amerikanische Geigerin Christel Lee auf, die mit 29 Jahren bereits viele erste Preise gewonnen hat und bei Ana Chumachenco bei der Kronberg Academy in Kronberg studierte. Sie wurde auf wunderbare Weise vom Orchester begleitet, die der empfindsamen und sehr eleganten Künstlerin Raum für ihre Entfaltung ließ. Dass diese herausragenden jungen Musiker am Ende mit einer Zugabe voller explosiver Kraft die Zuhörer von den Stühlen rissen, machte dieses Konzert unvergesslich. Das Cello-Stück von Sollima „Violoncelles Vibrez!“ war für viele eine Entdeckung und peitschte jegliche spätabendliche Müdigkeit aus den Anwesenden. Sie entzündeten ein Feuer, das elektrisierte und alle Energien zum Sprühen brachte. Mario Brunellos Maggini Cello aus dem 17. Jahrhundert klang so intensiv leidenschaftlich, dass man sich gern an diese Musik verlor. An seiner Seite kongenial Ivan Karizna, Cellist und Studierender der Kronberg Academy, der mehrmals bei diesem Festival die Besetzung der Kremerata Baltica ergänzte. Die Cellisten spielten in atemberaubendem Tempo und entlockten ihren Instrumenten eine verführerische Melodie, die einen auch nach dem letzten Klang fast um den wohl verdienten Schlaf brachte. Das Publikum dankte es mit Standing Ovations und einem frenetischen Applaus. Die Autorin gibt zu, noch bis spät in die Nacht dieser völlig neuen betörenden Musik auf den Grund gegangen zu sein und sie in mehreren Varianten gehört zu haben – im Netz.

Musik, die unter die Haut geht: So muss es sein oder frei nach Beethoven: „Es muss sein!“

Der Cellist und Leiter der Kremerata Baltica, Mario Brunello, begleitet von Ivan Karizna, riss das Publikum zu Standing Ovations hin.

Fotos: Anna Meuer

Brillantes Spiel der Geigerin Christel Lee

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