Die Botschaft hinter der Legende – Gottes Schöpfung zu achten

Der Höhepunkt der Hubertusmesse, der Gerfalke, breitete elegant seine Schwingen aus und schwebte durch den Mittelgang bis vor den Altarraum zu Pfarrer Hackel auf dessen behandschuhten Arm. Fotos: Westenberger

Kronberg (mw) – Die Hauptpersonen der feierlichen Hubertusmesse in der bis auf den letzten Platz gefüllten Johanniskirche waren ein eleganter Gerfalke und ein beeindruckend großer Uhu. Die beiden waren mit ihren Falknern, Walter Reinhart und Dagmar Dohnalek, von der Ronneburg angereist, um dem Gottesdienst beizuwohnen, saßen eineinhalb Stunden auf deren Armen und schienen den Worten und der Musik zur Hubertusmesse ebenfalls zu lauschen. Über 20 Jahre feiern die Kronberger diese ökumenische Messe, dieses Mal unter Mitwirkung des Bläsercorps des Jagdclubs Main-Taunus unter Leitung von Detlef Holzhauser und wie gewohnt des Männergesangvereins 1860 Kronberg. Dirigiert wurde der MGV von Raphael Greim, der auch die Orgel spielte. Allerdings war es die erste ökumenische Hubertusmesse ohne Walter Wegefahrt. Gemeinsam mit dem bereits 2010 verstorbenen Klaus Riederer hatte Wegefahrt die Messe im Jahr 2000 wieder aufleben lassen. „Er wollte gerne noch eine Messe organisieren und dann das Staffelholz weitergeben“, erinnert sich Klaus Temmen, Bürgermeister a. D., an die letzte Messe vor Corona zurück. Das war ihm leider nicht mehr vergönnt. Walter Wegefahrt war im März dieses Jahres verstorben. Sein größter Wunsch sei gewesen, dass die Tradition der Hubertusmesse in Kronberg fortgeführt würde, berichtete Temmen. Auf dem Krankenbett liegend habe er mit großer Freude vernommen, dass Revierförster a.D. Martin Westenberger und Temmen die Messe gemeinsam fortführen würden.

Jedes Jahr am 3. November feiern Jägerinnen und Jäger den Hubertustag in Gedenken an den Schutzheiligen für Jäger, Hunde, Natur und Umwelt. Hubertus von Lüttich lebte im 7. Jahrhundert und war, der Legende nach zu urteilen, zunächst kein Vorbild. Nach dem Tod seiner Frau soll er Gott und der Welt entsagt und die Jagd in den Wäldern der Ardennen wild und rücksichtslos ausgeübt haben. Als er an einem Feiertag einen Hirsch in die Enge getrieben hatte, entflammte plötzlich ein Kreuz zwischen dessen Geweihstangen. Hubertus fiel ehrfürchtig auf die Knie und gelobte Besserung. „Die Legende mahnt Jägerinnen und Jäger, achtsam und respektvoll mit Wildtieren und Natur umzugehen. Diese Grundhaltung ist eng verknüpft mit dem heutigen Verständnis von Waidgerechtigkeit. Sie umschließt Tier- und Umweltschutz sowie Respekt gegenüber Mitmenschen“, erklärt der Deutsche Jagdverband zur Tradition des Gedenktages. Jägerinnen und Jäger seien verpflichtet, Tieren vermeidbare Schmerzen zu ersparen. Ein nachhaltiger Umgang mit der Natur gehöre ebenso zur Waidgerechtigkeit wie ein umsichtiges Verhalten gegenüber anderen Jägern und der Bevölkerung. Für Jäger sei Waidgerechtigkeit oberstes Gebot, das auch in Jagdgesetzen Niederschlag findet. Wer dagegen verstoße, habe den Sinn der Jagd nicht verstanden und müsse mit strengen Strafen rechnen. Wie der Jagdverband weiter darlegt, würden Jägerinnen und Jäger Waidgerechtigkeit tagtäglich leben. „Sie verbringen zum Beispiel 40 Stunden pro Woche im Revier und investieren aus eigener Tasche jährlich 130 Millionen Euro für Biotoppflege und Artenschutz. Hinzu kommen knapp 330 Millionen Euro für die Prävention von Wildschäden in Wald und Feld. Bei Wildunfällen sind sie erste Ansprechpartner und suchen mit ihren Hunden verletzte Tiere“, so die Worte des Verbands. Für die drei Vertreter des Vereins Wildtierschutz Deutschland, die vor der Tür mit Plakaten gegen die Tradition der Hubertusmesse demonstrierten, ist das zwar schön formuliert, aber noch lange keine Berechtigung, sich als Mensch über Gottes Geschöpfe zu stellen und zu töten. „,Du sollst nicht töten‘ sagt das fünfte Gebot, aber dieses gilt anscheinend der Kirche nach nicht für Tiere, denn mit dem Segen der Kirche wird immer noch an total veralteten, nicht mehr zeitgemäßen Traditionen festgehalten“, so ihre einhellige Meinung.

Gestreift wurde diese heute mehr denn je diskutierte und wachsende Grundhaltung, auf das Töten von Tieren und damit auf Fleisch ganz zu verzichten, im Rahmen des Gottesdienstes nur kurz.

Pfarrer Hackel sprach von „zurück zum Sonntagsbraten“ und „weniger Fleisch“, und Dagmar Dohnalek gab mit auf den Weg, sich über die artgerechte Haltung von Tieren nicht nur Gedanken zu machen, sondern auch die Konsequenzen beim Kauf von Fleisch zu ziehen. „Es gibt zu viel Leid für Tiere, das muss sich ändern“, sagte sie. „Wir müssen ehrfürchtiger werden“, so die Falknerin. Auf die Frage von Hackel, ob er an Gott glaube, antwortete Falkner Walter Reinhart, dass er in der Natur spüre, dass es etwas Höheres geben müsse, das diese Vielfältigkeit gemacht hat.

Die Verantwortung für die Natur sei groß und leider würden wir ihr nicht gerecht. Als Beispiel nannte er das Schreddern der Wiesenrandstreifen an Feldern und Straßenrändern und damit die Zerstörung der Artenvielfalt. „Noch nicht einmal das haben wir in den Griff bekommen“, verlieh er seiner Sorge Ausdruck, wie achtlos wir Menschen mit unserer Lebensgrundlage umgehen. Wie gewöhnlich, nahm sich der evangelische Pfarrer Hans-Joachim Hackel Zeit, seine Gäste aus der Ronneburg zu interviewen und erzählte selbst von seiner letzten Wanderung im Zillertal, als er das beeindruckende „Hinaufsschwingen in den Himmel“ eines Steinadlers verfolgen durfte. Er habe nach dieser wunderschönen Beobachtung gespürt, das „ist jetzt Ausfluss von Gottes Seele“. Der Falkner bestätigte ihm, dass die Vögel großes Vergnügen am Fliegen haben und der Steinadler bei Thermik einfach nur lenken müsse. Und weil der Flug dieser Raubvögel so wunderschön ist, ließ Falkner Reinhart seinen Gerfalken sogleich mehrmals durch die Johanniskirche fliegen. Eh sich die Gemeinde versah, breitete dieser elegant seine Schwingen aus und schwebte durch den Mittelgang bis vor den Altarraum zu Pfarrer Hackel auf dessen behandschuhten Arm.

Im gemeinsamen Gottesdienst mit Kaplan Benedikt Wach dankte Hackel Gott für die Schöpfung und versprach, sie zu pflegen und zu schützen. Von Demut war die Rede in diesem feierlichen ökumenischen Gottesdienst, von Verantwortung, die wir zu übernehmen haben und auch von der Suche nach Verzicht und Alternativen.

Mitorganisator Martin Westenberger nahm den Gottesdienst zum Anlass, um einen kleinen Exkurs in den Wald als Lebensraum von Mensch, Tier und Pflanzen zu unternehmen. Er berichtete von der Herausforderung, dem Ökosystem Wald zu helfen, das durch den Klimawandel stark angegriffen und dessen Verluste „tragisch“ seien.

Der Kronberger Förster a. D. sprach von der Achtung, die dem Ökosystem und allen darin agierenden Lebewesen entgegenzubringen sei. Er appellierte an die Kommunikation der Menschen untereinander, in diesem Falle zwischen Förstern, Jägern und Waldbesuchern. Der Wald dürfe nicht zur Naturkulisse verkommen, in der die Besucher keine Regeln mehr achteten und der Überzeugung seien, sich in ihrer Bewegungsfreiheit nicht einschränken lassen zu müssen. „Der Ton macht die Musik.“ Und dieser sei leider heute oftmals schon beschämend, befand Westenberger.

Und so lautete die Botschaft hinter der Legende, aus Predigt, Gemeindelied, den Liedern des Männerchores und denen der Jagdhornbläser, Gott für all seine Schöpfung zu danken und zu loben, vor allem aber die Natur zu achten und liebevoll mit ihr und ihren Lebewesen umzugehen, anstatt sie aus Profitgier und Egoismus zu zerstören.

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