Buchtipp

„Im Herzen eines Goldenen Sommers“, von Anne Serre
, übersetzt von Patricia Klobusiczky, Berenberg 2022, 24 Euro.

Anne Serre bietet den Leserinnen und Lesern kleine, teilweise heitere, teilweise auch ein wenig düstere Geschichten zur Lektüre an. Mal geht es um eine Irritation, weil die Mutter auf einmal so anders ist, sich um den Inhalt des Kühlschranks sorgt und ein nie gesehenes gelbes Kleid trägt. Kann das normal sein oder muss man sich Sorgen machen, ob es sich um eine beginnende Demenz handelt? In einer anderen Geschichte hat eine Frau einfach Lust, mal alles anders zu machen. Es sind Träume, Erinnerungen, Fantasien, mal scharf konturiert, mal vage verschwimmend. Anne Serre knüpft ihr raffiniertes, spielerisch leichtes Selbstportrait in dreiunddreißig Facetten. Eine unbekannte Mutter, die Liz Taylor ähnelt, ein verheirateter Liebhaber, der mit einem Revolver spielt, ein anderer, der an Becketts Todestag auftaucht… und wie Karten, die man aufdeckt, erscheint mal ein weibliches, mal ein männliches, verletzliches oder mörderisches Ich. Viele Geschichten sind wie kleine Traumsequenzen, und Anne Serre beruft sich auch oft auf ihre Träume und deren Nähe zur Realität. Sie handeln von den Eigenheiten der Erinnerung, die oft von anderen Erinnerungen oder von Büchern überlagert werden. Sie handeln von der unbedingten Lust auf Leben, von Verlust, der Bedeutung und dem Gewicht von Wahrheit. Wer sich auf dieses wunderschön gemachte Buch und seine kleinen Geschichten einlässt, kann in vielerlei Hinsicht profitieren. In Frankreich wurde Anne Serre mit dem Prix Goncourt de la Nouvelle ausgezeichnet.

Erhältlich in allen Buchhandlungen.



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