Buchtipp

Die Bären aus der Rue de l‘ Ours, Roman von Serge Bloch und Marie Desplechin
, Kunstanstifter 2020, 16 Euro

„Die Bären aus der Rue de l‘Ours“ beschreibt eine Kindheit und Jugend im elsässischen Colmar in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Es ist kein Roman. Es ist die Wiedergabe des Lebens von Serge Bloch bis zu dem Moment, als der Autor sein eigenes Leben in die Hand nimmt und bildender Künstler wird. Serge wurde in ebendiesen Ort hineingeboren. In der Rue de l’Ours betreibt sein Vater eine kleine, koschere Metzgerei, die einzige, die nach dem Krieg noch übrig ist. Sie wird gleichermaßen von Juden, Christen und Mohammedanern besucht. Tante Thérèse steht an der Theke und im Hinterzimmer macht Onkel Georges die Buchhaltung. Sylvain, der Vater, zerlegt in seinem „Laboratorium“ hinten im Hof das Fleisch nach allen Regeln der Kunst. Serge zeichnet in der Schule seine Hefte voll, zeichnet oft und überall, ohne damit einen Berufswunsch zu verknüpfen. Für ihn spielt sich das Leben zwischen Synagoge, Schule und dem Laden ab, mit jeder Menge Riten und vielen Kinderfreuden. Auch wenn ihn „das Leben viel Zeit gekostet“ haben wird. Mit Unterstützung der feinsinnigen Worte von Marie Desplechin zeichnet Serge Bloch unprätentiös das Porträt einer Zeit und seiner Familie. Es erinnert an die Bücher von Marcel Pagnol, „Der Ruhm meines Vaters“ oder auch „Das Haus meiner Mutter“. Auch in diesen Romanen wird humorvoll eine Zeit lebendig, die nicht schön und leicht war, die aber sehnsüchtig stimmt und diesen Sehnsüchten sollten wir nachgehen. Die Zeichnungen ergänzen den von Marie Desplechin geschriebenen Text auf großartige Weise. Es sind sehr reduzierte Zeichnungen, die mit wenigen Strichen einen Charakter oder eine Situation lebendig werden lassen. Vielleicht ein bisschen wie Sempe und doch ganz eigen. Insgesamt ist „Die Bären aus der Rue de l‘ours“ ein wunderschön gestaltetes Buch über eine verloren gegangene Zeit und Welt, das Sehnsüchte weckt – ein kostbares Kleinod.

Erhältlich in allen Buchhandlungen.



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