Bürger schreiben uns in der Corona-Krise: „Malen gegen Corona“

Kronberg. – Inspiriert durch ihrer Mitstreiterin aus der Schreibwerkstatt Anita Lappas und durch unseren Aufruf, uns Gedanken, Erlebnisse, aber auch persönliche Tipps, wie Ängste oder Einsamkeit in der Corona -Krise zu meistern sind, einzusenden, hat uns Sabine Eulers nun Folgendes geschrieben:

Im Februar war Corona noch relativ weit weg. Ich habe meine Malreise nach Worpswede gebucht.

Da meine Eltern fast neunzig Jahre alt sind, kam für mich nur noch Urlaub in Deutschland in Frage. Das war dieses Jahr mein Glück

Der Acrylmalkurs in der alten Künstlerkolonie in Worpswede hatte mich sofort angesprochen. Malen im original Wohnhaus und Museum von Otto Moderson und Paula Moderson-Becker, die dort um die Jahrhundertwende (18./19. Jahrhundert) gelebt und gemalt hatten. Wohnen im Buchenhof, dem damaligen Anwesen von Hans am Ende, der dritte im Bunde der Gründer der Künstlerkolonie, direkt neben dem alten Barkenhof von Heinrich Vogeler, der leider geschlossen war wegen Corona. Auf den Fluren des Buchenhofs hingen noch original Ölgemälde von Hans am Ende, die Zimmer waren alle im nostalgischen Flair ausgestattet. Mein Zimmer mit Balkon und Blick in den hauseigenen Garten, phantastisch. Allerdings habe ich vom Elfenbeinton der teuren Tapeten, Gardinen, Bettwäsche und Servietten jetzt erst mal genug. Statt wie geplant zu sechst waren wir nur zu dritt, auch wegen Corona. Wir drei, ein Mann und noch eine Frau, haben uns gut verstanden, viel gelacht und viel gemalt trotz Corona. Das Virus lag wie ein dezenter Schatten auf unserer Reise, aber malen hilft. In den Stunden im Atelier hatten wir nicht an Corona gedacht. Bis zum Schluss hatten wir in öffentlichen Restaurants gegessen und es genossen. Viel los war nicht mehr. Vielleicht hätte uns Worpswede, wenn es so überfüllt wie üblich gewesen wäre, gar nicht so gut gefallen. Am Freitagmorgen kurz vor der Abreise waren wir die letzten Gäste, das Hotel wirkte wie ausgestorben, nach unserem Frühstück wurde es geschlossen. Eine Woche später, die Malreise hätte nicht stattfinden können. Diese Reise hat mir Kraft gegeben, vielleicht für lange Zeit die beste Zeit…

Jetzt wieder zu Hause habe ich das eine oder andere Mal gehustet und mich gleich erschrocken, ja, ich könnte infiziert sein. Wahrscheinlich bin ich es nicht, aber wer weiß das schon noch so genau? Meine Sorge gilt jedoch mehr meinen Kollegen/innen und meinen alten Eltern, die Sorge, sie anzustecken, dass vielleicht ich Schuld am Tod eines anderen Menschen tragen könnte. Meine Hausärztin ist glücklicherweise noch im Dienst. Es gibt zumindest eine telefonische Sprechstunde. Meinen Eltern habe ich den Einkauf vor die Tür gestellt, ohne das Haus zu betreten, ein trauriger Moment. Machen wir das jetzt erst mal weiter so oder gehe ich doch mal in das Haus hinein mit Abstand und Einmalhandschuhen? Das sind momentan die essentiellen Fragen. Ich bin glücklicherweise nicht selbständig, erst einmal für zwei Wochen krank geschrieben. Noch wandert mein Gehalt ungehindert auf mein Konto.

Es gibt Momente, da bin ich kurz davor, in ein dunkles Loch zu fallen, aber ich kämpfe dagegen an. Täglich mache ich eine Stunde Yoga, das tut gut. Bei schönem Wetter gehe ich raus, wie viele momentan. Manche Menschen sind nicht bereit, auch nur einen Schritt zur Seite zu treten, ich weiche aus, ein bisschen kommt es mir vor wie Spießrutenlaufen. Es grüßen nicht mehr so viele Menschen, das fällt auf.

Der persönliche Kontakt fehlt, ein bisschen telefonieren, mailen.

Zeit, sich auf sich selbst zu besinnen…Ich habe sehr schöne Hobbys wie malen, klassische Gitarre spielen und ein wenig schreiben, aber ich habe nicht immer Lust dazu. Es trotzdem zu tun, erfordert viel Selbstdisziplin, die ist gerade überall notwendig. Mir eine Tagesstruktur setzen – nicht immer einfach, aber hilfreich.

Die Hamsterkäufe habe ich verpasst. Das Toilettenpapier geht langsam zur Neige, aber das sollte doch nicht unser größtes Problem sein, oder?



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