Cornelia Jung hat Betesda aus der Taufe gehoben und das Staffelholz vertrauensvoll weitergereicht

Kronberg (mw) – Elf Jahre ist es her, dass Cornelia Jung innerhalb der Ökumenischen Diakoniestation Kronberg+Steinbach begann, eine ambulante Hospizgruppe aufzubauen. Mit dem Tod in Berührung zu kommen, ist in der Pflege keine Seltenheit. Doch die examinierte Krankenschwester merkte bei ihrer Arbeit in der Diakoniestation schnell, dass sie mit solchen Situationen gut umgehen konnte. „Vielleicht liegt das daran, dass in meinem Leben schon viele Todesfälle vorkamen“, überlegt sie. Jedenfalls machte sie 2007 eine Palliativ Care-Weiterbildung, die neben der dreijährigen Ausbildung, um Gesundheits- und Krankenpfleger und einem zusätzlichen Koordinations- und Führungsseminar Voraussetzung ist, um eine ambulante Hospizgruppe aufzubauen. Die Idee nahm Gestalt an, es den umliegenden Taunusstädten gleichzutun und eine solche Gruppe, die mit ehrenamtlichen Kräften hilft, Menschen auf ihrem letzten Lebensabschnitt zu begleiten, in Kronberg aufzubauen. Ihre Idee stieß beim Geschäftsführer der Diakoniestation, Prof. Wagschal und Pfarrer Hans-Joachim Hackel auf „fruchtbaren Boden“, erinnert sie sich gerne an die Anfänge zurück. Pfarrer Hackel konnte den Kronberger Lions Club mit ins Boot holen. Sie übernahmen über 5 Jahre die Anschubfinanzierung des Ambulanten Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienstes Betesda. Das Geld wurde benötigt, um das Ehrenamtsteam Stück für Stück aufzubauen. Zirka ein halbes Jahr dauert die Qualifizierung der ehrenamtlichen Mitarbeiter. Es werden Themen wie zum Beispiel Kommunikation mit den schwerstkranken Menschen, Krankheitsbilder, Schmerztherapie, Trauer und Ängste vermittelt, die helfen, die schwierige Aufgabe, Menschen und deren Angehörige auf ihrem letzten Lebensweg zu begleiten, zu meistern. Cornelia Jung übernahm die Koordination und den Aufbau der Hospizgruppe. „Über die Krankenkassen abrechnen lässt sich die Ausbildung der Hospizhelferinnen und -helfer wie auch meine Arbeit erst rückwirkend, wenn die Gruppe über 15 ausgebildete Helfer verfügt. Deshalb war die Unterstützung der Lions zum Start ein großartiges Geschenk“, erklärt sie. Mit 30 Ehrenamtlichen und fünf Neuen, die in Ausbildung gehen, ist die Hospizgruppe mit ihrem Angebot, schwerstkranke und sterbende Menschen in ihrem Zuhause und auch in einer Senioreneinrichtung in Kronberg zu betreuen, heute aus Kronberg kaum noch wegzudenken. Schon viele Jahrzehnte hat das Modell der Großfamilie ausgedient, in denen die Großeltern ganz selbstverständlich von den Jüngeren zu Hause mitversorgt wurden, wenn sie alt, gebrechlich und krank wurden. Oft bis zum Tod. „Heute sind sehr viele Menschen am Lebensende alleine“, weiß Cornelia Jung, die nach elfjähriger erfolgreicher Hospizarbeit als Koordinatorin kommenden Sonntag im Gottesdienst in der Johanniskirche in den Ruhestand verabschiedet wird. Jahrelang hat sie mit sehr hohem persönlichen Engagement und Umsicht darauf hingearbeitet, möglichst vielen Menschen den letzten Lebensabschnitt nach ihren Wünschen würdevoll zu gestalten. Zu ihren Aufgaben gehörte, neben der Aufgabe, die Ehrenamtlichen bei den entsprechenden Personen einzuführen, die enge Zusammenarbeit mit den Angehörigen, mit den Hausärzten und mit den vier Seniorenwohnstiften. Ihr gelang der Aufbau eines großen Netzwerks. Unterstützung bei dem Aufbau ihrer Hospizgruppe fand sie bei Kollegen im Umkreis von Kronberg, wo es überall schon Hospizdienste gab. „Bei Fragen konnte ich mich immer an Kollegen, die ich kannte, wenden“, erzählt Jung. Diese enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit schätzt auch Jungs Nachfolgerin, Friederike Olbrisch-Korn. Die beiden Frauen kannten sich über die Krankenpflege schon seit vielen Jahren. Die 51-Jährige war zuletzt als Pflegedienst- und Hospizleitung in der „Arche Noah“, einem stationären Hospiz in Schmitten, und zuvor als Koordinatorin im ambulanten Hospizdienst in Oberursel tätig. Hospizarbeit ist nicht mit den Besuchsdiensten bei einsamen, alten Menschen zu verwechseln, die natürlich ebenso wichtig ist. Hopizarbeit setzt dort an, wo Menschen „austherapiert“ nach Hause entlassen werden mit dem Wissen, dass sie nicht mehr lange zu leben haben. Es geht darum, erklärt Olbrisch-Korn, an dieser Stelle unterstützend einzusteigen, Hilfe anzubieten, zu ermitteln, was gebraucht wird. Wenn nötig, beispielsweise die ambulante Pflege oder auch das Palliativteam einzubinden, vor allem jedoch, bei Fragen und Ängsten einfach da zu sein und zuzuhören. Neben dem Zuhören ist für Cornelia Jung ganz wichtig für die Hospizarbeit, die eigenen Grenzen gut zu kennen und auch zu setzen. Inzwischen könne man heute gut helfen, die Leiden durch Schmerzen zu lindern. Im Fokus des ehrenamtlichen Dienstes steht, für die Menschen, die Abschied nehmen, da zu sein und ihnen die Zeit, die ihnen noch bleibt, möglichst angenehm zu gestalten. „Manchmal können sie mit fremden Personen besser über ihre Ängste, aber auch über ihre Wünsche, reden, denn sie wollen ihren Angehörigen nicht zur Last fallen, haben aber viele Fragen“, sagt sie. Jung weiß: „Es geht in der letzten Lebensphase oftmals um spirituelle Nahrung.“ Für sie ist ein Leben nach der christlichen Grundhaltung: „Liebe Deinen Nachbarn wie Dich selbst“ ein wertvolles, bereicherndes Leben. Oftmals wollen sich die Menschen jedoch nicht mit dem Tod auseinandersetzen. „Dabei haben sie, wenn sie ein Kind in die Welt setzen, auch seinen Tod beschlossen, das ist der natürliche Lauf des Lebens“, sagt Jung. Deshalb war es ihr bei ihrer Arbeit immer auch ein Anliegen, in den Sterbeprozess, hat er einmal begonnen, möglichst wenig einzugreifen.

Ihre Nachfolgerin Friederike Olbrisch-Korn sieht es ähnlich: „Eigentlich ist Sterbebegleitung ein Stück Lebensbegleitung“, sagt sie. Ihr eigenes Leben sei dadurch lebendiger und wertvoller geworden. Die Erlebnisse, die man mit den Menschen auf ihrem Weg hat, seien ein Geschenk, das einen den Schatz des Lebens ganz neu begreifen lasse. Der Blick auf die Dinge ändere sich unweigerlich. Aufgabe der Koordinatorin ist auch, darauf zu achten, dass es den Ehrenamtlichen in ihrer Betreuungssituation (sie besuchen die betreffende Person in der Regel ein- bis zweimal wöchentlich) gut geht. Auch sie weiß, eine Grenzsetzung – Friederike Olbrisch-Korn nennt es den „Hospizmantel“, den man sich bei den Besuchen an- und wieder ausziehen sollte – ist wichtig. Mit regelmäßigen Treffen zum Austausch mit den anderen Ehrenämtlern und regelmäßigen Supervisionen werden die ehrenamtliche Hospizhelfer, der Grundstock jedes Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienstes, professionell unterstützt. Ein wichtiges Anliegen der Koordinatorin ist auch, das Thema Tod und Sterben aus der tabuisierten Ecke zurück in die Mitte der Gesellschaft zu holen: Kommenden Samstag, 12. Oktober von 9 bis 13 Uhr, wird Betesda mit einem Stand auf dem Wochenmarkt auf dem Berliner Platz vertreten sein. „Hier können die Bürger einen Eindruck von den vielfältigen Aufgaben eines Hospizdienstes gewinnen“, lädt sie ein, vorbeizukommen und mit den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen. Im Rahmen des Welthospiztages wird bereits Freitagabend, 11. Oktober um 18.30 Uhr im Hartmutsaal in der Wilhelm-Bonn-Straße 1 zu einem Film zu diesem Thema eingeladen (siehe weitere Ankündigung in dieser Ausgabe).

Cornelia Jung genießt indes die neue Freiheit, ihre Zeit selbstbestimmt einteilen zu können. Zeit, für andere da zu sein, nimmt sie sich dabei natürlich weiterhin, denn genau das macht für sie das Leben aus: Nicht nur auf sich zu schauen, sondern die Hand zu reichen und anderen Hilfe anzubieten. Dazu gehören so einfache Dinge, wie die Nachbarschaftshilfe wieder anzukurbeln, sich gegenseitig zu unterstützen und nicht damit zu warten, sondern aktiv zu werden und einfach mal beim Nachbarn zu klingeln und zu fragen: „Gehts Dir gut?“.



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