Dialog über Grenzen hinweg für Frieden auf Erden – Das engagierte „Peace Project“ des Simon Jacob

Kronberg (aks) – Alles sei besser als Krieg, der über viele Jahre alles zerstöre. Wir hier im Westen sollten uns bewusst sein, in welchem Paradies wir leben und welche uneingeschränkte individuelle Freiheit wir genießen. Das betont der türkischstämmige freie Journalist, Simon Jacob, gleich zu Anfang sehr vehement. Zu einem friedlichen Miteinander in einer zivilisierten Gesellschaft gehörten gute Dialoge ebenso wie Toleranz und Respekt. Seit 2015 bereist er den Nahen Osten. Daraus sind viele Reportagen für ARD und ZDF entstanden sowie Berichte für die WELT und DIE ZEIT. Die Basis für sein „Peace Project” und das seiner Mitstreiter, die alle ehrenamtlich aktiv sind, leitet sich aus den Grundwerten der Demokratie ab und der Universellen Menschenrechtserklärung von 1948. Simon Jacob ist zutiefst davon überzeugt, dass alle Menschen trotz existierender Unterschiede sehr wohl miteinander in Frieden leben können. Dies sei auch der größte Wunsch der Mehrheit aller Menschen auf der Welt. Das hat er auf seinen Reisen in die Türkei, Armenien, Georgien, Nordsyrien, in den Irak und Iran erleben können: Menschen, die trotz schwerer Krisen und Kriege die Hoffnung auf ein Leben in Frieden und Sicherheit für sich und ihre Kinder nicht aufgegeben haben. Der hoch konzentrierte und ernste Gastredner der vhs, der sein profundes Wissen über die geopolitischen Zusammenhänge im Nahen Osten sehr lebendig vermittelt, ist von Anfang an in seinem Element. Man glaubt ihm, dass es ihm um den Frieden geht, den er über den Dialog und das Verständnis erreichen möchte. Die selbstherrliche Pose des pazifistischen Kämpfers und ideologische Schlagworte sind seine Sache nicht.

Biografie

Simon Jacob flüchtete mit seinen Eltern nach Deutschland: „Almanya”, das gelobte Land. „Hier war man frei: frei, seine Religion auszuüben, frei, Sprachen zu sprechen und seine Meinung zu äußern. Rechte, die es nicht überall gibt“, mahnt er. Als orthodoxer Christ erfuhr er Gott als liebend, nicht als strafend. Sein Vater lehrte ihn früh: „Der Mensch macht die Gesetze, nicht Gott.“ Die Religion sei rein spirituell, werde aber als Instrument der Gesellschaft missbraucht, das sei das Problem der Säkularisierung. Auf seinen Reisen war er oft in Gefahr, und er war nicht vorbereitet auf den Hass und den Mangel an Empathie, speziell der IS-Kämpfer. Er hat sich seiner Menschlichkeit besonnen, weil „wir nie wieder diesen Weg gehen dürfen, denn wir sind zivilisiert. Es geht um unsere Menschlichkeit.“ Ohne Vergebung höre die Gewaltspirale niemals auf, dann gebe es nur Rache und Untergang. Simon Jacob kommt aus der IT-Branche, dazu merkt er an, dass viele sich heute wie Gott fühlten, weil die Technologie ihnen eine vermeintliche Allmacht verleihe. Das sei Fluch und Segen zugleich: „Jede Technologie braucht Kontrolle durch Ethik – wir sind nicht Gott!”.

Familienclans und Integration

Er selbst sei in einem Clan, in einer großen Familiensippe, aufgewachsen. Simon Jacob lässt keinen Zweifel daran, dass die Clans der größte Feind der individuellen Freiheit des einzelnen seien. Jeder Clan müsste sich der staatlichen Rechtssprechung unterordnen. Nur so könne Integration hier gelingen. Die Familie ehren und die Großeltern pflegen, das sei okay, aber Ehrenmorde und Gewalt seien nicht Sache der Familien, sondern Straftaten, die von deutschen Gerichten sanktioniert würden. Die Tradition der Stammeskulturen reicht weit zurück. Bis vor hundert Jahren lebten verschiedene Ethnien im Nahen Osten friedlich über Jahrhunderte nebeneinander und miteinander. Die Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich unterteilten 1919 das Osmanische Reich in zwei geografische Abschnitte: Von nun an galt das Sykes-Picot-Abkommen, ein französisch-britisches Protektorat. Dies sorgte für erbitterte Gegenwehr der Stämme, da diese die neuen künstlichen Grenzen nicht akzeptierten. Nationalstaaten gab es nicht, die Gebiete wurden zu einem Kunstprodukt autokratischer Regime. Der heutige Islamische Staat, eine seit 2003 aktive, terroristisch agierende, salafistische Miliz, sei in diesem Stammeskodex tief verwurzelt. 2014 eroberte der Islamische Staat dieses Gebiet zurück mit dem Schlachtruf: „Sykes-Picot ist tot!”. Dieser Triumph sei im Westen nur wenig beachtet worden. Er führte zu einem Terror unvorstellbaren Ausmaßes mit unendlichem Leid und Zerstörung. Assad in Syrien ließ zwei Jahre vorher alle inhaftierten Terroristen frei, und setzte mit seinem Mehrfrontenkrieg die westlichen Mächte unter Druck. Simon Jacob sieht eine friedliche Zukunft im Nahen Osten nur mit einem „konföderalen Stammes-System”: „Ein Clan-Kodex wäre eine Lösung für den Frieden, solange er nicht mit dem Gesetz kollidiert.” Kantone in Syrien nach Schweizerischem Vorbild? Jacob kann sich das gut vorstellen „mit Frauenquote und einer staatlichen Judikative”: Jeder Stamm bliebe autonom beim Familienrecht und könnte seine Traditionen leben.

Cyberkrieg

Welche Rolle das Internet heute in der Kommunikation spielt, das macht Jacob deutlich: „Wir dürfen die mediale Hoheit über das Internet nicht denen überlassen, die dieses nutzen, um den Eindruck zu vermitteln, die Welt bestehe nur aus Gewalt, Terror, Hass und Neid”. Die Kriege im Nahen Osten seien „ein digitaler asymmetrischer Konflikt”, der dem Internet geschuldet sei, wo Terroristen Gerüchte und Horrormeldungen und vor allem grausame Videos verbreiteten, um so vorab Angst und Schrecken bei der Bevölkerung zu säen. Ohne Internet gäbe es den Krieg nicht in dieser Ausprägung, davon ist Simon Jacob überzeugt. Bereits 2007 verkündete Al Kaidas Vizechef Sawahari, der Konflikt werde von der Straße in die Medien verlagert. Tausende von Splittergruppen, aus denen der IS besteht, könnten sich nur so koordinieren. Im Irak, wo Facebook offiziell verboten ist, gebe es dennoch 24 Millionen Nutzer. Auch die Anwerbung von Konvertiten aus Europa, die in den Heiligen Krieg ziehen wollten, sei im Internet ganz einfach. Da dränge sich die Frage auf: „Sind alle Menschen im Nahen Osten Verbrecher?” Jacob verneint vehement. Die Begegnungen mit den Menschen auf seinen Reisen zeigten ihm deutlich, dass die meisten Menschen Frieden, Sicherheit und einen Job suchten. Nur eine Minderheit ist aggressiv und kriegstreibend.

Sehnsucht nach Frieden

„Im Sog dieser Vertreibungen, die von einer Minderheit ausgeht, hat die gesamte Gesellschaft zu leiden. Dogmatiker möchten uns davon überzeugen, dass ein Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen Weltanschauungen wie Christen, Muslime, Juden, Jeziden oder Atheisten nicht möglich ist. Tatsächlich sehnt sich die Mehrheit der Bevölkerung nach Frieden und Harmonie.” Unabhängig von Religion und Glaubenssätzen führe der Weg zum Frieden über die Gleichstellung der Frau. Sie ist der Schlüssel für den Machtverlust der Patriarchen und eine Schwächung des politischen Islam. Viele junge Menschen seien nicht religiös, müssten sich aber dem Islam, der als politisches Dogma missbraucht werde, unterwerfen. Die Freiheit des einzelnen, wirtschaftliche Impulse, die Wohlstand brächten sowie Bildungsoffensiven könnten eine stabile Basis sein für eine friedliche Gesellschaft der Zukunft sein.

Auch Europa steht vor der permanenten Herausforderung, die Freiheit des Individuums zu verteidigen und sich nicht zu Hass und Krieg hinreißen zu lassen. Die Friedensphase hier dauert seit 70 Jahren an, sie sei es wert verteidigt zu werden. „Wir tragen Verantwortung!” Wir sollten auch alle nicht vergessen, dass unser Konsum die Konflikte im Nahen Osten befeuert: „Wir brauchen das Öl für unsere Wirtschaft – und nehmen das Leid in Kauf.”

Das Lachen der Kinder

An einem der Massengräber des IS, eine heilige Stätte im Irak, dessen Tempel vor der Zerstörungswut des IS gerettet werden konnte, erlebte Jacob, wie Kinder trotz ihrer Angst und ihren schlimmen Erfahrungen noch lachen konnten. „Das Lachen war wie Musik”. Das war für ihn das Schlüsselerlebnis nicht als Rächer durch die Welt zu ziehen, sondern an das Gute im Menschen zu glauben: „Wir können die Situation verändern, wenn wir an das Gute glauben. Wir müssen etwas tun, miteinander reden und keine Mauern bauen!”. Dabei sei der Dialog wichtiger denn je. Das Paradies ist für ihn die Diversität verschiedener Kulturen, die sich gegenseitig respektierten und ergänzten, mit einem Regelwerk in dem Mann und Frau gleichgestellt sind. „Das ist die Freiheit, die ihresgleichen sucht”. So lautet der begeisterte Aufruf eines jungen Türken, der sich für Frieden und Verständigung einsetzt – mit Haut und Haaren, mit Leib und Seele und vor allem mit Köpfchen und einem aufrichtigen Dialog. Nachlesen kann man seine Geschichte und seine Reiseerlebnisse in seinem Buch „Peace Maker – mein Krieg, mein Friede – unsere Zukunft”, Herder Verlag.

„Peace Maker” Simon Jacob, der auf seinen Reisen in den Nahen Osten immer wieder den Dialog mit verschiedenen Menschen, Religionen und Ethnien suchte, setzt sich für den Frieden in der Welt ein. Hoffnung gibt ihm das Lachen der Kinder, für deren heile Zukunft sich jeder Einsatz lohne.
Foto: Sura

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