Ehemaliger französischer Außenminister war vor 200 Jahren zur Kur im Kronthal

Kronberg (war) – Kronberg ist seit jeher ein beliebter Ausflugsort für Frankfurter. Die pittoreske Altstadt samt Burg sowie Schloss Friedrichshof mit seinem herrlichen Park locken genauso wie das Casals-Forum, der Opelzoo und das Malermuseum. Vor 200 Jahren war das genauso, denn da steuerten bereits Reisende gerne die Burgstadt von Frankfurt aus an, wie einige Briefe von Karl Friedrich Reinhard zeigen.

Dieser, 1761 im württembergischen Schondorf geboren und später nach Frankreich übergesiedelt, war kurzzeitig unter Napoleon I. französischer Außenminister und von diesem 1808 als Gesandter nach Kassel zu seinem Bruder Jérôme Bonaparte beordert worden, der dort als König von Westphalen von 1807 bis 1813 residierte. In den Jahren 1815 bis 1829 war er als französischer Gesandter bei dem in Frankfurt ansässigen Bundestag des Deutschen Bundes sowie bei der Freien Stadt Frankfurt akkreditiert. Wegen seines Gichtleidens suchte Reinhard ab 1825 regelmäßig das Kronthal bei Kronberg auf. Dort hatte der Nassauer Amtsarzt Ferdinand Küster im Jahr 1822 begonnen, einen Kurbetrieb aufzubauen, nachdem er zuvor die Heilkraft der dortigen Mineralquellen quasi „wiederentdeckt“ hatte. Sehr wahrscheinlich fand Reinhard den Weg ins Kronthal über seinen Bekannten Isaac von Gerning aus Frankfurt. Dieser, ebenfalls temporär im diplomatischen Dienst aktiv, hatte 1802 in Kronberg einen ehemaligen Turm der Stadtbefestigung erworben, in dem er sein „Tauninum“ als Rückzugsrefugium im Grünen einrichtete.

Reinhard war vom ersten Tag an von Kronberg und seiner Umgebung – im Gegensatz zu Frankfurt – begeistert gewesen, wie die folgenden Briefzitate zeigen, die dem von Wilhelm Lang 1896 publizierten Buch „Graf Reinhard – Ein deutsch-französisches Lebensbild“ entnommen sind. So schwärmt Reinhard am 5. Juni 1825 in einem Brief, den er von Kronberg aus an seinen Neffen Karl Sieveking in Hamburg schickte: „Seit gestern sind wir hier am Fuße des Taunus. Ich hoffe von der reinen Luft, von der herrlichen Gegend, von den dicht nebenan in einem leiblichen Thal liegenden, zum Trinken und Baden geeigneten Mineralquellen, von einer Abgeschiedenheit, in der ein poetischer Freund Gerning und ein politischer, Gagern, meine Nachbarn sind, physische und geistige Stärkung.“ Der erwähnte Staatsmann und Diplomat Hans Christoph Freiherr von Gagern hatte 1815 die Niederlande auf dem Wiener Kongress vertreten und war danach bis 1818 als Gesandter für Luxemburg beim Bundestag in Frankfurt aktiv, um sich danach als Privatier auf sein Hofgut in Kelkheim-Hornau zurückzuziehen. 1848 stand Gagerns Sohn Heinrich der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche als Präsident vor. Am 17. Juni äußert sich Reinhard ähnlich in einem Schreiben an Sivekings Frau: „Die Gegend ist herrlich; das ganze Mainthal bis zum Rhein bei Worms liegt zu unseren Füßen: Wir wandern durch reife Kirschen- und blühende Kastanienwälder, in der Entfernung von einer halben Stunde finden wir unser Bad, und von allem diesem spreche ich Ihnen lieber, als von Frankfurt.“

In einem weiteren Grußwort aus Kronberg, datiert auf den 21. August 1825, weiß er seinem Bekannten Ignaz von Wessenberg, der damals als Verweser das 1821 aufgelöste Bistum Konstanz verwaltete, ebenfalls sehr positiv über Kronberg zu berichten: „Seit drei Monaten, mein trefflicher und verehrter Freund, habe ich meinen Wohnsitz zwischen hier und zwischen Frankfurt am Fuß des Taunus geteilt, so zwar daß der größte Teil auf die Villleggiatur [= Sommerfrische] fiel und ich nach Frankfurt nur Geschäfte halber kam. In Kronberg, fern von Unannehmlichkeiten des Berufes, eine reine Luft atmend, inmitten von Kastanienwäldern in Blüte und Kirschbäumen mit reifen Früchten, zu Nachbarn habend auf zehn Schritte den Dichter, Antiquar und Hagestolz Gerning, und auf zwei Meilen die lebenswürdige Familie des Eremiten Gagern in Hornau, verfügen Virginie und ich allein über eine Holzhütte, mit zwei Badewannen neben einer eisenhaltigen Quelle, gleich gut zum trinken und zum baden. Ein halbstündiger Spaziergang durch einen schönen Garten, zu dem wir den Schlüssel besaßen und ein köstliches kleines Thal führte uns jeden Morgen um 6 Uhr dahin und erfrischt von den stärkenden Eigenschaften des Bades trotzten wir einer Sommerhitze von 30 Grad.“

Laut Wilhelm Lang hielt sich Reinhard mit seiner Frau in den folgenden Jahren bis zu seiner Abberufung aus Frankfurt 1829 immer wieder gerne im Sommer in Kronberg auf.

Sowohl Reinhard als auch von Gerning standen mit Johann Wolfgang von Goethe in persönlichem Kontakt. Gerning, der in Frankfurt engen Kontakt mit Goethes Mutter pflegte, besorgte über viele Jahre hinweg regelmäßig für den Feinschmecker und Dichterfürsten im Herbst Esskastanien, um diese von der Burgstadt nach Weimar zu senden. In dem Buch „Briefwechsel zwischen Goethe und Reinhard“ ist folgender Auszug eines Briefes von Reinhard vom 4. Juli 1825 aus Kronberg an Goethe aufgeführt: „In einer Höhe, die gegen Frankfurt einen Barometerunterschied von mehr als sechs Linien macht, ein Klima das gegen Nord- und Westwinde geschützt, gegen Süden offen, Kastanienwälder hervorbringt, die eben jetzt in Blüthe stehen, abwechselnd mit Kirschwäldern, deren Früchte eben gesammelt werden; rundum sanfte Hügel und Thäler, von lieblichen Fußwegen durchschnitten und weiterhin der Altkönig, die beiden Feldberge, im Contrast mit der reichen Ebene des Mains. Eine halbe Stunde davon eine Mineralquelle, die mit dem Schwalbacher und Pyrmonter Wasser um den Vorzug streitet; nebenan eine Hütte mit zwei Badewannen, zu unserem Gebrauche; gerade das rechte Maß eines Spazierganges zum Trinken und zum Bad. Dazu die reine Luft und die Abgeschiedenheit von allen frankfurtischen Dünsten. (…). In diesen Umgebungen leben wir seit einem Monat, einen oder zwei Tage ausgenommen, wo ich wie die Fee in der Fabel zum Frosch oder zur Schlange verdammt bin, mich zum Städter zu verwandeln.“

In einem weiteren Brief vom 7. August 1826 teilt Reinhard Goethe mit: „Sulpiz B. hat acht Tage bei uns in Kronberg zugebracht“. Sulpiz Boisserée, vermögender Kunsthändler in Köln, setzte sich ab 1814 intensiv für die Vollendung des Kölner Doms ein, an dem seit Beginn des 16. Jahrhunderts nicht mehr weitergebaut worden war. Goethe unterstütze Reinhards Vorhaben und konnte den preußischen Kronprinzen Wilhelm IV. als großzügigen Geldgeber für die Fertigstellung des Doms gewinnen.



X