Endlich wieder Musik trotz virusbedingter Programmänderung

Kronberg (aks) – Auch vor Ludwig van Beethoven, der im Dezember 250 Jahre alt geworden wäre, machte Covid-19 am Sonntagmittag leider nicht Halt. Die Kronberg Academy widmete dem großen Komponisten in Anwesenheit der Bauförderer und der Vertreter des Beethovenhauses nicht nur einen Platz im schönen Taunusstädtchen, sondern auch fünf Kammerkonzerte mit den jungen Studierenden der Kronberg Academy. Endlich Musik - von allen herbeigesehnt! Das anspruchsvolle Musik-Programm, voller Vorfreude auf das „Anspiel“ von den jungen Künstlern sorgfältig in Proben vorbereitet – endlich durften sie wieder vor Publikum spielen. Nach dem obligatorischen Corona-Test für alle Beteiligten um 5 Uhr morgens dann die Enttäuschung: Die Konzerte durften wegen der Erkrankung einer Studierenden so nicht stattfinden – jedenfalls nicht gemeinsam. Eine jähe und einschneidende Programmänderung – virusbedingt – tat not. Man entschied sich für einen Plan B: Statt miteinander durften auserwählte Künstler solo spielen – aus dem Stegreif und ohne Probe! Das bedeutete für die meisten jungen Talente, dass sie nicht auftreten durften, denn ihre Einsätze wurden innerhalb von wenigen Stunden gestrichen. Da half alle virtuose Vorbereitung nichts: Sicherheit und Gesundheit gingen vor und so betraten die Künstler nur einzeln die Bühne. Drei von 15!

Der herzliche Applaus in der Stadthalle bestätigte den Gründer und Präsidenten der Kronberg Academy, Raimund Trenkler, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte und dem Publikum eine Überraschung zumuten durfte, statt alles abzusagen. So wurde aus der Not eine Tugend, und aus dem dunklen Sonntag eine Sternstunde voll strahlend schöner Musik, dank der ausgewählten Solisten, die in der Lage waren, ohne Vorbereitung ihr eigenes Programm aus dem Hut zu zaubern. Die meisten im Publikum waren dankbar, endlich wieder in den Genuss von Musik zu kommen – auf höchstem Niveau –, auch wenn es für das Gros der Künstler eine bittere Erfahrung war, die Bühne nicht betreten zu dürfen. Raimund Trenkler, für den Kammermusik „die intimste, vielleicht aber auch die intensivste Form der Kommunikation“ ist, wirkte trotz des Willkommensapplauses enttäuscht. Aus dem Zusammenspiel junger Studierender und ihrem ersten öffentlichen Auftritt nach sechs Monaten wurde nichts. Er bedauerte diesen Einschnitt sehr und gab zu, dass man überlegt hatte, das Konzert unter der Last von Corona ganz abzusagen. Aber er wagte die radikale und spontane Umstellung des Programms, denn Kapitulation ist nicht Trenklers Sache und so entschied er, gemeinsam mit seinem künstlerischen Leiter, Dr. Friedemann Eichhorn, dass wenige auserwählte Studierende vor Publikum auftreten sollten. Allein auf der Bühne – das schien sicher genug in Corona-Zeiten. Die Solisten, die im Handumdrehen für das Konzert 2 ein anspruchsvolles Programm ohne Beethoven, Shostakovich und Bruckner, dafür aber mit Bach und Schubert um 15 Uhr präsentieren konnten, waren der 26-jährige japanische Violonist, Seiji Okamoto, Schüler von Antje Weithaas sowie der 29-jährige Pianist und Komponist Jean-Sélim Abelmoula, in der Schweiz geboren, der sein Studium bei der Kronberg Academy bei Sir András Schiff absolviert. Beide sind als Solisten bereits auf internationalen Bühnen erfolgreich unterwegs. Sie verzückten das Publikum mit Sonaten von Bach und Schubert, ohne Vorbereitung und doch mit bewundernswerter Gelassenheit. Der Cellist Ivan Karizna hatte das große Glück, in einem Duo an diesem Nachmittag spielen zu dürfen.

Auch die abwesenden Künstler seien hier erwähnt. Nicht dabei waren Lir Vaginsky (Violine), Marie-Astrid Hulot (Violine), Sindy Mohamed (Viola), Luca Giovannini (Violoncello), Stephen Waarts (Violine), Diyang Mei (Viola), Ziyu Shen (Viola), Erica Piccotti (Violoncello) – ebenso wie Bannon Cho (Violoncello), Maciej Kulakowski (Violoncello), Stella Chen (Violine), Hayoung Choi (Violoncello), Alexander Warenburg (Violoncello), Mairead Hickey (Violine) – alle hätten zweifellos mit allergrößter Freude beim „Anspiel“ ihr Bestes gegeben. „Das 20 Uhr Konzert Nummer 5 fällt aus“, Trenkler bedauerte diese Ansage zutiefst. Keine Änderung gab es für das Schluss-Konzert mit Gidon Kremer, begleitet am Klavier von Georgijs Osokis mit Werken von Johann Sebastian Bach, Mieczysław Weinberg, Fritz Kreisler und Robert Schumann.

An diesem Sonntag konnte man erleben, wie Musik Menschen verbindet, auch wenn ein gemeinsames Spiel der Musiker wegen Corona ausgeschlossen war. Es war wohltuend, wie gelassen und verständnisvoll die Musikliebhaber auf die abrupte Programmänderung reagierten und wie nervenstark sich die jungen Künstler dank ihrer großen Virtuosität an ihren Instrumenten behaupteten und voller Leidenschaft spielten. Auch wenn wir alle vor weiteren schicksalhaften Tiefschlägen nicht gefeit sind und Künstler im schlimmsten Fall wieder ins stille Kämmerlein zurückkehren müssen, haben die Menschen in Kronberg erfahren, dass Konzerte mit der nötigen Vorsicht auch zu Corona-Zeiten möglich sind und stärker als das Virus wirken. Die Musik verleiht eben doch Flügel!

Am 3. Oktober spielen die Solisten der Kronberg Academy in der Alten Oper Frankfurt unter dem Titel „Zusammenspiel“. Hoffentlich!

Covid-19 macht auch vor der Musik nicht Halt. Aus dem geplanten Zusammenspiel und trotz intensiver Proben der jungen Studierenden der Kronberg Academy wurden coronabedingt Soli. Jean-Sélim Abdelmoula glänzte mit Schuberts Sonate B-Dur am Klavier.

Fotos: Patricia Truchsess

Seji Okamoto entschied sich aufgrund der spontanen Programmänderung für Bachs Violinsonate Nr. 1, G-Moll – eine wahre Meisterleistung.

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