Exkurs zu der Rolle der Frauen in der Ukraine

Kronberg (mw) – Zur Frauen- und Nachwuchspreisverleihung im Festsaal der Stadthalle begrüßten die Vorsitzende der AG Kronberger Frauenverbände, Christina Nicolai, und die städtische Gleichstellungsbeauftragte Heike Stein die zahlreich in die Stadthalle gekommenen Gäste und mit ihnen die Frauenpreisträgerin Brigitte Möller und die AKS-Projektgruppe „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, die den Nachwuchspreis erhielt (siehe auch Titelbericht dieser Ausgabe). Die beiden nutzten den Anlass, um einen Exkurs zur Situation der Frauen in Deutschland, vor allem jedoch aktuell in der Ukraine, zu nehmen. Der Kronberger Frauenpreis sei eine Würdigung genau für die Frauen, die oft im Hintergrund, still, aber zielstrebig, visionär und mutig, kreativ sowie klug, diplomatisch-geschickt Dinge verfolgten, um Menschen etwas zurückzugeben, sagten sie. „Wir nennen es neudeutsch ,gesellschaftlich-soziales Engagement‘.“ Darüber hinaus sei der Preis auch zu einem Signal dafür geworden, wie wichtig Frauen heute sind, um eine gleichberechtigte Teilhabe an Gesellschaft, Demokratie, in Unternehmen und Organisationen voranzubringen. Leider zeigten die Gleichstellungsberichte und die Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung, dass die im Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung immer noch nicht zur tatsächlichen Gleichberechtigung geführt habe.

Nach dieser allgemeinen Einführung richteten die Rednerinnen ihren Fokus auf die Ukraine, in der über 23 Millionen Frauen und Mädchen, die unter den Folgen des Krieges leiden. Untersuchungen hätten gezeigt, dass bewaffnete „Konflikte die Zunahme von Gewalt gegen Frauen begünstigten. Kriegstraumata bei Soldaten können zu verstärkter Gewalt gegen Frauen und Kinder führen“, führt Heike Stein aus und Christina Nicolai ergänzte: „Aus der Ukraine wurden bereits Vorfälle von Gruppenvergewaltigungen, Vergewaltigungen vor Kindern und von sexueller Gewalt nach der Tötung von Familienmitgliedern bekannt.“

In einer „zynischen Kriegslogik“ verkörperten Frauen auch das verfeindete Land. Würden sie vergewaltigt, ziele die Gewalt auch darauf ab, die gegnerische Kriegspartei zu schwächen. Und die Aufklärungsquote bei sexualisierter Gewalt sei schon in Friedenszeiten mit 10 Prozent extrem niedrig, erinnerten sie. Neben diesem Bild, bei dem die Frauen leiden und fliehen müssen und oftmals aus Scham nach Sexualverbrechen schweigen, gebe es jedoch ein zweites Bild, von Frauen: Die Ukraine, die über eine der größten Armeen Europas verfügt, hat 57.000 Frauen als Militärkräfte. Doch auch diese Frauen haben eine lange Geschichte der fehlenden Anerkennung und Ungleichbehandlung gegenüber Männern hinter sich. Selbst schon als Teil der Armee, hätten sie beispielsweise nur teilweise die staatliche Pension, die Veteranen zusteht, erhalten, berichtete Nicolai weiter. Erst mit steigender russischer Bedrohung hätten es sich die Streitkräfte schlicht nicht mehr leisten können, Frauen zu diskriminieren. Inzwischen haben sie sich einen festen Platz in der Armee erkämpft.

Einerseits seien Frauen also Opfer und gehörten zu den verletzlichen Gruppen, andererseits seien sie heute auch Teil der Streitkräfte, in der Landwehr, als Scharfschützinnen, Panzersoldatinnen, Pilotinnen. „Sie kämpfen und sie sterben. Junge Frauen sowie auch ältere Frauen“, so Nicolai. Wie Heike Stein abschließend ausführte, sind es außerdem die Frauen, die Zivilisten evakuieren, Soldaten verarzten, Molotow-Cocktails befüllen, Uniformen nähen, Ausrüstung und Verpflegung sowie Proteste im Ausland organisieren, Geld sammeln oder sich am Informationskrieg beteiligen. Krieg sei nie nur Männersache und die Rolle, die die Frauen im Krieg führten, unterschiedlich, stellten sie fest, bevor die beiden Rednerinnen den Bogen wieder von der Ukraine nach Kronberg zurück schlugen: „Den Menschen, die auf der Flucht nach Kronberg gekommen sind, wollen wir in der Hinsicht, dass Gleichstellung gelebte Wirklichkeit wird, Unterstützung und Hilfe gewähren. Sie begleiten, wo sie selbst wollen.“

In diesem Zusammenhang dankten die Frauen allen Lehrerinnen und Lehrern von „Mama lernt Deutsch“ und von den Volkshochschulkursen für ihren Einsatz und allen weiteren Beteiligten in der aktuellen Flüchtlingshilfe in Kronberg.



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