„Mit dem Frauenpreis setzen wir Zeichen“ in die Politik – Heike Stein überträgt ihre Aufgaben

Kronberg
(hmz) – Wenn Heike Stein zum letzten Mal ihre Bürotür hinter sich zuzieht, verlieren regionale und Kronberger Frauennetzwerkerinnen eine erfahrene und kompetente Stimme. Ende des Jahres verabschiedet sich Heike Stein, die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, in den Ruhestand. Ab 1. Januar 2023 übergibt sie ihrer Nachfolgerin ein Aufgabengebiet, das in allen Facetten anspruchsvoll ist. Sie hat hohe Maßstäbe gesetzt, seit sie im Jahr 2002 als stellvertretende Frauenbeauftragte und fünf Jahre später als Gleichstellungsbeauftragte ins Amt berufen wurde. Ursprünglich wurde sie als Leiterin der Kindertagesstätte „Pusteblume“ im Jahr 1979 eingestellt, zu dem Zeitpunkt, als sich Kindergärten und Kitas mit dem neuen „Hessischen Erziehungs- und Bildungsplan für Kinder von 0 bis zehn Jahren“ auseinandersetzen mussten. Das Ziel: Stärkung der Basiskompetenzen von Kindern wie Verantwortungsübernahme, Kooperationsfähigkeit, Kreativität und der Umgang mit individuellen Unterschieden und kultureller Vielfalt.

Diese wenigen Kernpunkte für Kinder gingen nahtlos auch in das Verständnis von gesellschaftspolitischen Notwendigkeiten über, die Heike Stein auf ihrem weiteren beruflichen Weg begleitet haben. Der wichtigste Schwerpunkt: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sie selbst musste diesen Spagat im persönlichen Bereich ebenfalls leisten. Ein Balanceakt mit unkalkulierbaren Erschwernissen: Die Anforderungen an Beschäftigte in Unternehmen steigen, werden mitunter immer komplexer, zu Hause sind Kinder und/oder pflegebedürftige Angehörige zu betreuen, es fehlt an qualifizierten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und gesellschaftlich gewünscht ist eine höhere Erwerbstätigenquote der Frauen.

Voraussetzungen fehlen

Nicht ausreichend vorhandene Kindergartenplätze und fehlendes pädagogisch ausgebildetes Personal zeigen eklatant die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Und wie sich zeigt, ist das Home - Office zwar eine Möglichkeit, setzt aber eine hohe Bereitschaft an Flexibilität voraus. Diese Dauerthemen haben nach wie vor Konjunktur. „Unsere Netzwerke sind da hilfreich, allerdings nur dann, wenn die Voraussetzungen für diese erforderlichen Vereinbarkeiten geschaffen sind“, so Heike Stein. Und wenn diese nicht vorhanden seien, wäre genau das der Ansatz, Politik und Verwaltung auf Missstände und Kernproblematiken hinzuweisen. Im günstigsten Fall kämen so Lösungen zustande. „Ich muss auf viele unterschiedliche Situationen reagieren, denn als Frauenbeauftragte sehe ich mich als eine Verbindungsstelle zu den städtischen Gremien und der Kommunalpolitik. Das Gefühl zwischen den Stühlen zu sitzen musste ich lernen auszuhalten.“ Sie wolle nicht verwalten, sondern für Veränderungen sorgen, die sich positiv auf die Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb des Gesamtkonstrukts auswirken.

„Ich muss eingestehen, dass die Anforderungen gelegentlich auch über meine Belastungsgrenzen hinaus gingen, unter anderem wenn es das Thema Gewalt und deren Folgen geht “, so Stein. Trotz der Istanbul-Konvention die 2018 in Deutschland umgesetzt wurde, bleiben etwa Fragen der Versorgung und Finanzierung von Frauenberatungsstellen und Frauenhäuser lückenhaft. Private Unterstützung, wie der Spende der AG-Kronberger Frauenverbände aus dem Verkauf der Handtaschenbörse unterstütz diese Arbeit um Frauen mit ihren Kindern wieder in die Gesellschaft einzugliedern.

Das hat Gründe, denn gesellschaftlicher Wandel und Veränderungen wirken sich auch direkt auf die Arbeit der Frauenbeauftragten aus. Gesetze und Maßnahmen auf kommunaler Ebene haben eben auch Einfluss auf das Leben der Frauen und erfordern neue Perspektiven etwa für Chancengleichheit im Beruf, Hilfsangebote bei häusliche Gewalt, Armut im Alter sowie für bestimmte Personengruppen wie Alleinerziehende und Migrantinnen. „Daraus ergeben sich immer wieder neue Aufgaben und Aktivitäten für uns.“ Zusammen mit der Bäckerei Christ sei etwa eine Aktion sehr erfolgreich umgesetzt worden. „Gewalt kommt mir nicht in die Tüte“ – mit dieser Aufschrift auf der Brötchentüte werde beispielsweise ein Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt unterstützt. Eine demokratische Gesellschaft braucht eine funktionierenden Diskriminierungsschutz auch und gerade in Krisenzeiten wie dieser, die in der Anlaufstelle bei der Gleichstellungsstelle eingerichtet wurde. In der Adlerstraße gibt es eine Beratungsstelle für „Frauen und Beruf“, betreut von den „Social Business Women“ und in der Walter-Schwagenscheidt-Straße wurde ein „Treffpunkt für Alleinerziehende“ eingerichtet, der in regelmäßigen Abständen zum Austausch und Beratung einlädt. „Ich hatte das große Glück, dass meine Vorgängerin, Rita Kellotat, frauenrelavante Themen aufgegriffen hatte, die es fortzuführen und mit aktuellen Inhalten und Ausführungen zu gestalten gab. Und die Unterstützung durch die Stadt ist sehr groß.“ Seitdem seien die Bedürfnisse allerdings auch um ein Vielfaches gestiegen, „und wir gehen immer noch in sehr kleinen Trippelschritten in Richtung bedarfsgerechter Anpassung, auch wenn Kronberg offen für die Anliegen der Frauenverbände und deren Selbstverständnis ist. Unsere Arbeit ist zum großen Teil nur mit unserem funktionierenden Netzwerk zu leisten.“ Es lohnt sich ein Blick in den Aufgabenbereich von Heike Stein, wenigstens in Stichpunkten: Zusammenarbeit mit den Frauenverbänden, den Netzwerken, MINT-Projektarbeit mit Unternehmen und Schulen, Zusammenarbeit mit Kreis-, Landes- und Bundesbehörden, Mitgliedschaft in der Landesarbeitsgemeinschaft für Gleichstellungsbeauftragte, Verbindungen zu zahlreichen Institutionen und Einrichtungen, Vernetzung der internen und externen Aufgaben der Gleichstellungsstelle. 2018 übernahm sie zusätzlich die Aufgaben wie die Betreuung der Städtepartnerschaften, Ehrungen, Repräsentationen und das Veranstaltungsmanagement der Stadt Kronberg. Eine dieser Veranstaltungen ist die jährliche Verleihung des Frauenpreises jeweils am 8. März, in Kronberg seit 1993 kontinuierlich fortgeführt. Der Preis wird an Frauen verliehen, die sich auf außergewöhnliche Weise, oft im Stillen für eine gleichgestellte Gesellschaft engagieren. Mit den Preisträgerinnen geraten Projekte ( Sprachförderung von Mama lernt Deutsch und die Vergabe des Nachwuchspreises an Jugendliche) an die Öffentlichkeit, die sonst kaum wahrgenommen würden „Mit dem Frauenpreis setzen wir Zeichen an die Politik und in die Stadtgesellschaft“. Die Gleichstellung ist ein Thema, das Heike Stein am Herzen liegt und dabei gleich mit einem Vorurteil aufräumt: „Wir Frauen wollen den Männern nichts wegnehmen. Uns geht es alleine um Chancengleichheit von Frauen und Männern.“

In diesem Zusammenhang ein Zitat von Dr. Elisabeth Selbert, Juristin und eine der „Mütter“ des Grundgesetzes, das seit dem Jahr 1949 Verfassung für Deutschland bildet. Sie sagte zur Gleichberechtigung Folgendes: „Es ist ein grundlegender Irrtum, bei der Gleichberechtigung von Gleichheit auszugehen. Die Gleichberechtigung baut auf der Gleichwertigkeit auf, die die Andersartigkeit anerkennt. Mann und Frau sind nicht gleich. Ihre Besorgnis, dass Gleichstellung der Frau Gleichmacherei sei, ist daher unbegründet…“

Auch wenn Heike Stein die Tür hinter sich zuzieht, jemand mit ihrem Engagement, ihrer Erfahrung und Kompetenz wird sicher nicht die Hände in den Schoß legen und dafür gibt es bereits ein sicheres Indiz: Die Ausbildungsbörse 2023. Zusammen mit dem Bund der Selbstständigen, Unternehmen und der Altkönigschule wird ihre sogenannte „Steuerungsunterstützung“ bei dieser Veranstaltung gefragt sein und um die neue Kollegin gut und sicher einzuarbeiten.

Heike Steins war Ansprechpartnerin für viele, auch außerhalb des Rathauses.
Foto:Privat



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