Gegen Coronafrust: Lesefutter für die Kronthal-Schüler

So schön kann Grundschule sein: Dirk Sackis brachte den Kronthal-Schülern, die sich nicht in Quarantäne befinden, Bücher vorbei, gemäß dem Motto: Lesen und sich vorlesen lassen tut der Seele gut und funktioniert auch in COVID-19-Zeiten. Hier zeigt er ihnen gerade, dass ein Buch auch als Regenschutz dienen kann. Foto: Westenberger

Kronberg (mw) – Nicht erst mit der zweiten COVID-19-Welle hat sich der Unterricht an Grund-, Gesamt- und Berufsfachschulen in Hessen und damit die Herausforderung für alle Beteiligten stark verändert. Mögen das Tragen von Mund-Nasen-Maske und Abstand-Halten für die meisten Erwachsenen inzwischen in Mark und Bein übergegangen sein, von Alltagsroutine in der Schule mit dem Virus und auf dem Weg zu einer flächendeckenden Digitalisierung sind alle Beteiligten noch weit entfernt. Stattdessen wachsen Druck und Belastung, denn der Pandemie-Stufenplan des Kultusministeriums sieht einen weiteren Lockdown der Schulen, den sich ein Teil der Bürger*innen zur Eindämmung des Virus wünschen, nicht vor. Stattdessen gibt es bei „dynamischen Entwicklungen des Infektionsgeschehens“ einen Vier-Stufenplan, nach dem sich die Schulen zu richten haben. Der bundesweite Plan sieht vor, die Schulen trotz zweiter Coronawelle möglichst lange für den Präsenzunterricht offen zu halten, um weitere Bildungslücken und alles andere, was Schulschließungen als negativer Rattenschwanz folgt, zu verhindern. Deshalb gehen Lehrer*innen und Kinder weiter jeden Morgen in die Schule, verbringen dort möglichst in ihren festen Klassenverbänden unter einigen weiteren Einschränkungen (Sport nur im Freien) und Hygieneauflagen ihren Morgen, während innerhalb der meisten Familien längst alle nicht nötigen Kontakte bis auf ein Minimum zurückgefahren wurden. „Passt gut auf Euch auf, haltet Abstand“, so lautet die nicht gerade Freude versprühende Devise der Eltern jeden Morgen.

Eingeschränkter Regelbetrieb

Die Schulleiterin der Kronthal-Schule, Jennifer Strobel, ist seit dem 2. November mit ihrer Grundschule in Stufe 2, dem sogenannten „eingeschränkten Regelbetrieb“, gelandet. „Die Entscheidung dafür treffen nicht wir, sondern das Gesundheitsamt“, erklärt sie und ist darüber auch ganz froh. Mitte vergangener Woche wurde dann in der Kronthal-Schule ein Erzieher der angegliederten Ganztagsbetreuung positiv auf COVID-19 getestet. Daraufhin wurden 63 Kinder und 6 Betreuer*innen in Quarantäne geschickt, informiert die Schulleiterin zum Sachstand.

Es sei nicht zu unterschätzen, wie sehr diese ungewisse Situation mit dem neuartigen Virus sich gerade auch auf die Kleinsten auswirke, die übrigens von der Maskenpflicht im Unterricht noch ausgenommen sind. „Das klingt vielleicht nach Jammern auf hohem Niveau, aber die Kinder sind wirklich sehr traurig, wenn so kurz, nachdem sich die Klassen gefunden haben, ständig Schülerinnen und Schüler fehlen.“ Und natürlich mache die anhaltende Krise unsicher, „es hängt wie ein Damoklesschwert über uns allen.“ Auch für die Lehrer, die die Kleinsten unterrichten, sei es nicht einfach. Gerade die Erstklässler wünschten noch den fühlbaren Kontakt mit ihren Lehrern, suchten körperliche Nähe. „Ich kann verstehen, wenn Lehrer*innen das rigoros versuchen zu unterbinden, weil sie verständlicherweise sich selbst schützen wollen und sich auf Distanz halten sollen.“ Es sei für alle eine wirklich schwierige Situation. Ebenso für die Eltern, die jetzt schon in extreme Belastungssituationen kommen würden, wenn sie beispielsweise selbst arbeiten gehen, aber ein Kind in Quarantäne und möglicherweise das Geschwisterkind laut Regelung auch zuhause lassen müssen.

Einfach traurig sei auch, dass die Kinder auf alles, was in der Schule ihre Augen besonders glänzen lasse, verzichten müssen: Gemeinsames Backen, Singen, die Weihnachtsfeier.

Lesetüten für die Erstklässler

Umso mehr hat sich Jenny Strobel über den Besuch von Dirk Sackis aus der Kronberger Bücherstube gefreut, der trotz oder, wie er es ausdrückte, gerade wegen der Coronakrise allen Erstklässlern eine schöne Abwechslung im Schulalltag bieten wollte. Gesponsert von ihm und verschiedenen Verlagen bekamen diese eine von ihren Paten oder einfach von Zweitklässlern bemalte Tüte mit „Lesefutter“ überreicht. Dirk Sackis hatte die ungeteilte Aufmerksamkeit der 1b aber nicht erst bei der Übergabe der bunten Tüten, die neben Lesestoff auch einen Luftballon, Aufkleber und Sticker enthielten, sondern von dem Moment an, als er eines seiner mitgebrachten Bücher aufschlug und daraus vorzulesen begann. Und das, obwohl die Kinder zuvor im Deutschunterricht gerade mit ebensolcher Konzentration an ihren Erlebnissen vom Wochenende geschrieben und gemalt hatten. Außerdem wussten die Schülerinnen und Schüler ganz genau, was Dirk Sackis in seiner Bücherstube macht. „Bücher verkaufen“, ist doch klar.

„Ihr seid klasse!“

„Ihr seid ja klasse!“, verkündete Sackis, dem es sichtlich Spaß machte, den Kindern endlich mal wieder etwas vorzulesen, wenn auch nur kurz. Die 1b verfolgte ein rätselhaftes Gedicht um „das Ding“ mit Spannung. Keiner kannte „das Ding“, auf dem gesessen, mit dem gesurft und alles Mögliche angestellt wurde (siehe Foto oben) und das sich schließlich als Buch entpuppte. Nach einer Mitmach-Geschichte, die von einem Jäger und einem Zauberschächtelchen handelte, das dem Jäger Glück bringen sollte, stimmte Sackis den Nachwuchs noch schnell auf Weihnachten ein. Dabei ging es laut und fröhlich zu. Die Grundschüler hatten die Aufgabe, die Weihnachtsgeschichte in Ordnung zu bringen, was sich als gar nicht so einfach herausstellen sollte. „Liebe Kinder, war es Weihnachten so?“, fragte Dirk Sackis. „Maria lag in der Krippe, Josef erglänzte, das Jesuskind kam gelaufen, der Ochse war glücklich und der Stern grübelte?“ „Nein“, riefen die Kinder nach der dritten verdrehten Version der Weihnachtsgeschichte zunehmend ausgelassen im Chor. „So kann es nicht gewesen sein!“ Doch beim letzen Versuch vor der Pause sollte es klappen: Endlich betete Maria und Josef stand daneben, das Jesuskindlein lag in der Krippe, der Ochse schnaufte, der Esel wackelte mit den Ohren und der Stern erglänzte am Himmelszelt.

Wenn sich doch alle Probleme so einfach lösen ließen!

Weitere mögliche Szenarien

Für die Kronthal-Schule gilt im Falle einer dynamischen Ausbreitung des Infektionsgeschehens wie für alle anderen Schulen in Hessen auch der Wechsel zur Stufe 3. „In diesem Fall werden die Kinder dann in A- und B-Gruppen aufgeteilt und kommen zu verschiedenen Zeitfenstern oder wochenweise in die Schule“, erläutert Jenny Strobel. Erst bei der Stufe 4 finde sich die gesamte Schule im Distanzunterricht wieder, erläutert sie die entsprechenden Szenarien. Die Belastung für die Lehrer*innen hält sie allerdings schon jetzt für hoch, da sie morgens ihren gewohnten Präsenzunterricht haben und nachmittags zusätzlich mit den fehlenden Schüler*innen online-Unterricht machen.

„Wir haben inzwischen in drei Räumen und dem PC-Raum über Hot Spots W-Lan, sodass wir mit den Klassen dorthin wechseln können, um Kinder, die zuhause sind, in den Unterricht zuschalten zu können“, berichtet sie. „Auch der Musikraum soll noch mit W-Lan ausgestattet werden.“ Die erste online-Videokonferenz der Lehrer habe man bereits erfolgreich durchgeführt. Dank eines Spendenaufrufs des Fördervereins der Kronthal-Schule ist der PC-Raum inzwischen mit sechs Computern mit Headsets ausgestattet. Vom Hochtaunuskreis als Schulträger stehen 50 E-Pads bereit, für den Fall, dass es beim möglichen Wechsel zum digitalen Unterricht Familien, in denen Computer fehlen oder in denen die Eltern im Homeoffice ihren Computer selbst benötigen, zu Engpässen kommt.

Allerdings ist die Kronthal-Schule, wie viele andere Schulen im Umkreis auch, noch weit entfernt davon, dass im Fall eines Lockdowns alle Lehrerinnen und Lehrer vollumfänglich mit eigenen Endgeräten ausgestattet und geschult sind, um bei Bedarf ohne Probleme reibungslos auf online-Unterricht umstellen zu können. Denn im Falle des Wechsels auf Stufe 3 fehlt es weiter an Lehrer-E-Pads, um die Kinder live dazu schalten zu können und an genügend Räumen mit W-Lan. Doch die Schulleiterin zeigt sich zuversichtlich. „Einige Kollegen sind schon fit im Umgang mit dem digitalen Unterricht und von ihnen profitieren wir jetzt. Was wir wissen müssen, bringen wir uns gerade gegenseitig bei“, verrät sie und vom Schulträger habe man die Information erhalten, im Falle des Wechsels auf A- und B-Wochen würden mehr Hot Spot s freigeschaltet und die E-Pads für die Lehrer nachgerüstet werden.



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