v.l.n.r. Kronbergs ehemaliger Bürgermeister Klaus Temmen und Pfarrer in Rente Hans-Joachim Hackel schmieden Pläne für den Förderverein der Kronberger Diakonie.
Kronberg (mg) – „Wir suchen nach Menschen, die Freude daran haben, sich zu unterhalten, vorzulesen, zu basteln, kleine Spaziergänge oder auch Ausflüge mit Seniorinnen und Senioren zu machen“, heißt es sofort zu Beginn der Informationsbroschüre der Ökumenischen Diakoniestation Kronberg und Steinbach, die für ehrenamtlichen Einsatz für Menschen mit Demenz wirbt. Anja Schreher, gerontopsychiatrische Pflegefachkraft, und Geschäftsführer Stephan Bentz sitzen im ersten Stock der Wilhelm-Bonn-Straße 5, unweit des Kronberger Rathauses, und schildern in den Räumen der Diakoniestation Kronberg eindrucksvoll und beherzt den Alltag von Menschen, die seit vielen Jahrzehnten in der Pflege tätig sind und sich trotz Belastungen und Erschwernissen immer noch mit Herzblut, sozialem gesunden Menschenverstand und ungebrochenem Engagement für schwache und kranke Menschen einsetzen. Menschen, die ansonsten häufig genug nicht nur an mangelnder Pflege, sondern auch fehlendem sozialen Austausch schlichtweg verkümmern würden. Menschen, die aufgeben, weil das Leben nicht eine kleine Freude mehr zu bieten hat. Personen, die oftmals am Tag ihre eigene Stimme nur dann hören, wenn der Pflegedienst durch die Haustür tritt oder sie Selbstgespräche führen. Mitmenschen, die ansonsten das Schicksal vieler teilen, die in einer zunehmend noch älter werdenden Gesellschaft von Einsamkeit förmlich erdrückt werden. Und nicht zuletzt Menschen, die von der Krankheit Demenz und ihren zahlreichen Varianten betroffen sind. Betroffen sind gleichzeitig nicht nur die Kranken selbst, sondern auch deren Angehörige, vor allem die pflegenden und sich kümmernden. Das beteuern Schreher und Bentz während des gesamten Gesprächs mit dem Redakteur stetig und konsequent.
Diagnose Demenz
„Das Grundproblem der demenziellen Versorgung ist, dass die stationären Einrichtungen sich zwar sehr viel Mühe geben und auch hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, aber es reicht schlicht und ergreifend nicht aus“, formuliert es Stephan Bentz klar, der selbst viele Jahre praktisch in der Pflege tätig war. Die Betreuung von Demenzkranken sei eine 24-Stunden-Angelegenheit und die Erkrankung schreite stetig voran. Die Diakonie Kronberg entschied sich nach einigen Erfahrungen mit verschiedenen Modellen, die von Demenz betroffenen Menschen zu Hause zu besuchen, sofern sie noch nicht vollstationär aufgenommen sind. „Über viele Jahre hinweg hat die Pflegewissenschaft festgestellt, dass sich die Demenzkranken zu Hause immer noch am besten zurechtfinden“, betont Bentz in diesem Zusammenhang. Während einer Demenzerkrankung tritt das Unbewusste mehr und mehr in den Vordergrund und das Bewusste eines Menschen zieht sich zurück. An dieser Stelle dienen langjährige Erfahrungen, Erinnerungen und Bekanntes oftmals als einzige Orientierung, wenn es denn überhaupt noch eine gibt. Zumindest ab und an. „Biographische Momente sind immer noch vorhanden und konkret abrufbar. Das ist auch ein Grund, warum die Arbeit mit Demenzkranken im häuslichen Umfeld am besten funktioniert“, ergänzt Anja Schreher, die nach wie vor ihrem beruflichen Alltag sehr viel Positives abgewinnen kann. Bei ihr spürt man neben der Berufung anstelle des Berufs auch unumstößlich die unaufdringliche und überzeugte Hingabe, Menschen im Alltag zu unterstützen, die hilfsbedürftig sind. Da die zwischenmenschliche Zuwendung im Pflegebereich nicht finanziert werde, habe die Diakoniestation in Kronberg begonnen, sogenannte ehrenamtliche Demenzpaten auszubilden. Es gebe zwar seit einiger Zeit einen Entlastungbeitrag in Höhe von 125 Euro, der an einen Pflegegrad gekoppelt ist, das reiche aber gleichzeitig nicht aus.
Begrifflichkeiten werden angepasst
Durch die Novellierung des Begriffs der Pflegebedürftigkeit vor rund zwei Jahren durch die Pflegewissenschaft seien nun zwar auch die kognitive Einschränkung und Demenz ausschlaggebende Merkmale bei der Einstufung eines Pflegegrads auf Kostenträgerseite – kurzum Pflegekassen –, dennoch seien die 125 Euro lediglich marginal zu betrachten. Es sei dennoch ein erwähnenswerter Fortschritt, dass sich die Pflegewissenschaft der verschiedenen Institute zusammenschloss, um den Begriff an die wissenschaftlichen Erkenntnisse anzupassen. Bedauerlicherweise wird seitens der gesundheitspolitischen Sprecher im politischen Bereich oftmals vieles angekündigt, gleichzeitig wenig zur Verfügung gestellt. Vor ungefähr einer Dekade hieß es aus den Reihen der Bundespolitik, dass man 13.000 examinierte Pflegekräfte brauche. Schlussendlich ist davon augenscheinlich nur wenig zustande gekommen. Menschen, die in der Pflege arbeiten, sprechen den Begriff „Pflegenotstand“ nicht einmal mehr aus. Zu „normal“ sei dieser Zustand mittlerweile, zu üblich und in der Folge nicht mehr erwähnenswert, da dies ohnehin jeder und jedem in der „Branche“ bekannt ist. Notstand in der Pflege gebe es zwar schon sehr lange, aber mittlerweile sei die Arbeit „so verdichtet, so vollumfänglich in vielen Bereichen“, beispielsweise auch in der Dokumentation und Kommunikation nach außen, dass es wesentlich aufwendiger sei, so Bentz und Schreher einheitlich in ihren jeweiligen Aussagen.
Ehrenamtliche Unterstützung
Auch wenn Anja Schreher womöglich ab Oktober aufgrund einer Neueinstufung mehr Zeit für Demenzkranke bleiben wird, braucht es unbedingt das ehrenamtliche Engagement, und zwar besser gestern als heute. „Die demenzkranken Menschen freuen sich, wenn wir sie auf- und besuchen. Sie lassen Beziehungsinteraktionen definitiv zu. Selbst den Schwerkranken kann man noch eine Beziehungsqualität anbieten“, formuliert es Anja Schreher voller Überzeugung und ergänzt: „Es entsteht sehr oft eine sehr intensive Beziehung zu den Demenzkranken. Es gilt, Dinge positiv zu verstärken, die noch möglich sind. Man schaut sich Fotoalben gemeinsam an und leistet Biographiearbeit. Man macht gemeinsam ein Puzzle oder hört Musik und legt damit soziale Teilhabe an den Tag und gewährt Beziehungsarbeit. Es ist oft gar nicht schwer, wenn man den Zugang gefunden hat. Vertrauen stellt sich auch hier ein. Man verbringt tatsächlich schöne Stunden miteinander.“ Die bereits tätigen Demenzpaten machten zudem auch Spaziergänge, Friedhofsgänge, besuchten Museen, bastelten oder gingen mit den Betroffenen „einfach einmal“ Eis essen. Die positiven Beschreibungen sollen gleichzeitig nicht dazu führen, die Herausforderungen zu unterschätzen, die ein solches Ehrenamt ebenfalls mit sich bringen kann. Besonders bei negativen Erfahrungen in der eigenen Vergangenheit muss man während der Biographiearbeit mit dem Erkrankten aufmerksam und vorsichtig sein, um nicht negative Ereignisse in vorherigen Leben des oder der Betroffen zu verstärken, denn das kann in einer Demenz deutlich gravierendere Auswirkungen haben als bei Menschen, die nicht erkrankt sind.
Demenzpaten
Schwerkranke im Bereich Demenz gehören jedoch nicht zum Aufgabenfeld der Demenzpatinnen und Demenzpaten. Hier handelt es sich um Menschen in beginnenden Stadien der Erkrankung und zu einem ebenso großen Anteil um die Entlastung der Angehörigen. Beispielsweise sei der Leidensdruck eines Ehepartners, dessen jahrzehntelanges Gegenüber in großen Teilen zu einem anderen, einem unselbstständigen, Menschen werde, enorm hoch. Hinzu käme die Erkenntnis, dass es nicht mehr besser werde – im Gegenteil. Die Akzeptanz, die betroffene Angehörige diesbezüglich im eigenen Prozess entwickeln müssten, sei eine Mammutaufgabe für jede Persönlichkeit. Dazu bräuchten die Menschen auch Entlastung und auch Zeiträume für sich selbst, während derer sie Verantwortung in gewissen Zeitfenstern abgeben könnten, wenn die Pflegekraft oder eben der ehrenamtliche Demenzpate einspringe und sich verantwortungsvoll und zugewandt ein bis zwei Stunden kümmere. Die Umstände schlagen in diesem Fall für die Angehörigen äußerst hart zu und zu Buche. Dies alleine zu bewältigen sei schier unmöglich. Aber auch die Begleitung der Angehörigen mit Hilfestellungen, Erfahrungen und Anregungen sei im ehrenamtlichen Arbeitsfeld eines Demenzpaten enthalten. Unterstützung bedeute keinesfalls „nur“ die Beschäftigung mit dem von der Krankheit Betroffenen, sondern auch mit dessen persönlichem Umfeld. Kurzum: Die Angehörigen werden begleitet, die Betroffenen betreut. Gemeinsam mit dem Demenzpaten kann ein produktives Trio entstehen, das in verschiedenen Konstellationen miteinander gute und wertvolle Zeit verbringt.
Qualifikation
Die Demenzpaten werden durch die Kronberger Diakonie in Fortbildungseinheiten für die verantwortungsvolle, gleichzeitig aber auch sehr sinnstiftende Tätigkeit gut und vielseitig qualifiziert, damit vorbereitet und kontinuierlich während der Ausübung des Ehrenamts in monatlichen Supervisionen und Besprechungen betreut. Zu den Kursinhalten gehören psychologische Schulungen ebenso wie ein Erste-Hilfe-Kurs und vieles Notwendige und Nützliche mehr. Es spielt keinerlei Rolle, welches Alter Interessierte haben oder ob sie den Umgang mit älteren, demenziell veränderten Menschen kennen oder nicht. Eine soziale Neigung, eine Fähigkeit zur Anteilnahme und eine gewisse Belastbarkeit sollten gleichzeitig mit an Bord der Persönlichkeitsstruktur sein, wenn man sich für die Teilhabe an einem solchen Projekt entscheidet. Mensch und Menschlichkeit stehen im Vordergrund, wenn man so möchte. Wer Interesse besitzt, Demenzpatin oder Demenzpate zu werden, kann sich jederzeit sehr gerne telefonisch bei Anja Schreher unter 06173 92630 melden oder per E-Mail an Demenz[at]diakonie-kronberg[dot]de informieren. Unterstützt wird die Diakonie tatkräftig und finanziell vom Rotary Club Kronberg, den Fördervereinen der Diakonie Kronberg-Steinbach und durch Spenden des Hochtaunuskreises. Dieses Engagement scheint unerlässlich bei der Aufrechterhaltung und dem Initiieren solcher Programme.
Hilfe zur Selbsthilfe
Die Diakonie Kronberg bietet zudem in entspannter und vertraulicher Atmosphäre einen Angehörigengesprächskreis zum Themenfeld Demenz an. In einer kleinen Gruppe können Probleme, Befürchtungen, aber auch Anregungen zur Sprache gebracht werden, die das Miteinander zu Hause erleichtern. Zur Unterstützung der Angehörigen findet dieses Angebot jeden ersten Mittwoch im Monat zwischen 15.30 und 17.30 Uhr statt. Weitere Informationen zu vielen anderen Themen sind auch auf der Internetseite der ökumenischen Diakoniestation www.diakonie-kronberg.de zu entdecken.
Förderverein in diakonischer Tradition
Es stehen tagein, tagaus zahlreiche soziale Aufgaben in einer Kommune an, die auf der Handlungsebene umgesetzt werden müssen. Die Betreuung und Umsorgung Demenzkranker ist nur eine davon. Hinzu kommt im Rahmen der Kronberger Diakonie auch Sterbebegleitung unter dem Dach des Hospiz- und Palliativ-Beratungsdiensts Betesda, Haus- und Familienpflege und ambulante Alten- und Krankenpflege. Damit dies heute und zukünftig gewährleistet werden kann, braucht es ohne Umschweife schlicht und ergreifend auch finanzielle Unterstützung, damit unter anderem ehrenamtliche Helferinnen und Helfer ausgebildet werden können, um beispielsweise auch die zuvor genannte zwischenmenschliche Ebene in der Pflege zu gewährleisten oder Ausstattungen wie Dienstfahrzeuge für den Alltag bei der Pflegearbeit zur Verfügung zu stellen. Der Förderverein der Ökumenischen Diakoniestation Kronberg tritt an dieser Stelle bereits seit über 30 Jahren in Aktion. Zu Beginn der 1990er Jahre erlebte er seine Blütezeit, es wurde eine „gesellschaftliche Ader“ getroffen. Man schätzte und schätzt die diakonische Tradition in der Stadt am Taunushang seit jeher. Persönlichkeiten wie Schwester Erna waren als Gemeindeschwester überall „im Ort“ bekannt und mehr als anerkannt. Sie war eine bodenständige und tatkräftige Persönlichkeit, die ein gesellschaftliches Mosaiksteinchen im Gefüge der Kommune war und stets mit dem Herzen sah. Waren es einmal mehr als 1.000 Mitglieder im Förderverein, sind es aktuell nach wie vor noch attraktive 400. Und das in Zeiten, in denen die meisten Vereine und Institutionen über Nachwuchsprobleme und mangelndes Engagement klagen müssen. Damit das so bleibt und unter anderem mehr Zeit für pflegerisches Handeln sichergestellt werden kann, ist der geschäftsführende Vorstand bereits tatkräftig am Werk, den Verein und damit auch die Mitgliederzahl stabil zu halten. „Die Hausbesuche sind sehr eng getaktet. Damit die Pflegekräfte auch mal etwas mehr Zeit beim Klienten oder Patienten verbringen können, ist die Tätigkeit des Fördervereins mehr als wichtig“, formuliert es Pfarrer Hackel gegenüber der Redaktion. Es ginge eben nicht nur um „satt und sauber“ – das Zwischenmenschliche sei ebenso essenziell bei der Betreuung und gut investiertes Geld, das zur Gesundung beitrage. Hackel ergänzt weitere Tätigkeiten der Mitarbeitenden der Diakonie: „Ein verstorbener Mensch muss nach seinem Tod auch gewaschen und angezogen werden. Das ist in keinem Kostenkatalog der Pflege- und Krankenkassen enthalten.“
Akteure
Kronbergs ehemaliger Bürgermeister Klaus Temmen ist Vorsitzender, Pfarrer im Ruhestand Hans-Joachim Hackel seine Stellvertretung. Unterstützt werden sie häufig von Schatzmeister Uwe Wendt und Wolfram Schmitt. Alle vier sind Teil eines zwölfköpfigen Vorstandsteams. In den vergangenen Wochen und Monaten begannen alle gemeinsam eine Kampagne zu starten, die auf vielen verschiedenen Wegen nun rechtzeitig versucht, den Förderverein zukünftig auf dem Niveau zu halten, das er aktuell besitzt. Von nichts kam eben noch nie etwas. Und die Initiative trägt bereits Früchte. Zuletzt wurden die aktuellen Mandatsträger der Kronberger Kommunalpolitik ob der Bereitschaft zu einer Mitgliedschaft im Förderverein angeschrieben. Immerhin zwölf neue Menschen sind nun Teil des Vereinsgefüges und unterstützen durch ihren Mitgliedsbeitrag die Arbeit der Diakonie. Fester Bestandteil sind auch der Lions Club und der Rotary Club in Kronberg, die Hand in Hand arbeiten. Das macht mehr als Sinn, da sich beide Institutionen darum bemühen, ehrenamtliche Tätigkeit zu fördern und neu ins Leben zu rufen. „Jeder Euro zählt. Auch kleine Spenden helfen immer weiter, so dass wir für jegliche Unterstützung dankbar sind“, formuliert es Klaus Temmen nachhaltig und fügt an: „Es ist durchaus auch möglich, dass sich Firmen am Förderverein beteiligen, das ist gewiss auch in deren zukünftigem Interesse, denn schließlich sind ein gut funktionierendes gemeinschaftliches System und Gemeinwesen einer Kommune auch im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Betriebs.“
Kontakt
Einen direkten Kontakt zum gemeinnützigen Förderverein der Diakoniestation kann man in den kommenden Wochen recht einfach knüpfen.
Am 26. September beginnen Mitglieder des Vereins mit einem Informationsstand in Schönberg auf dem Ernst-Schneider-Platz, am 28. September findet man Informationen auf dem „Dalles“ in Oberhöchstadt, und schließlich bildet auch am 5. Oktober der Berliner Platz in Kronberg die Kulisse für einen Infostand – jeweils zwischen 9 und 12 Uhr vormittags. Jenseits dieser Angebote vor Ort – „live und in Farbe“ – kann man jederzeit Kontakt zu einem Ansprechpartner aufnehmen, telefonisch unter 06173 92630, per E-Mail an foerderverein[at]diakonie-kronberg[dot]de und postalisch mit klassischem Brief an die Adresse in der Wilhelm-Bonn-Straße 5 in Kronberg im Taunus mit dem Adressaten Förderverein der Ökumenischen Diakoniestation Kronberg e.V. Mehr Wissenswertes erfährt man auch auf der Internetseite des Fördervereins: www.foerderverein-kronberg.de.