Klimawandel diktiert Stadtparlament-Themen

Blick in das blätterverhangene Bachbett des Westerbachs in Kronberg Süd. Welch eine Freude, ihn wieder plätschern zu hören! Die Stadtverordneten diskutierten unter anderem darüber, wie der zunehmenden Wasserknappheit zu begegnen ist. Foto: Westenberger

Kronberg (mw) – Den an vielen Stellen kahlköpfigen Altkönig haben die Kronbergerinnen und Kronberger täglich vor Augen, ein sichtbares Mahnmal für die Folgen des Klimawandels. Der Ernst der Lage wurde jedem Einzelnen nach wiederholter, anhaltender Trockenheit diesen Sommer wieder ins Bewusstsein gerufen. Kronberg hat einen Klimaschutzmanager eingestellt und die Stadtverordneten haben mit ihrem einstimmigen Votum im Rahmen des integrierten Klimaschutzkonzeptes auf FDP-Antrag einstimmig entschieden, die Stadt Kronberg bis 2035 klimaneutral zu machen. Ein klares Signal also, handeln zu wollen.

CO2-Fußabdruck verkleinern

„Aber wie wollen wir das erreichen?“, fragte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Holger Grupe nun im Rahmen der jüngsten Stadtverordnetenversammlung und eines FDP-Antrags zur Verkleinerung des CO2-Fußabdrucks. „Das braucht erst einmal Transparenz“. Es ginge um „people-planet-profit“, wobei meistens nur wirtschaftlich gedacht werde: Was komme unterm Strich an Kosten raus. „Aber wir machen auch für unsere Kinder und Kindeskinder Politik“, erinnerte er seine Parlamentskollegen. Die nächste Generation sei von den Entwicklungen des Planeten betroffen. Deshalb müssten sich die Stadtverordneten überlegen, welche Auswirkungen ihre Entscheidungen hätten, nicht nur monetär, sondern auch bezogen auf die Umwelt. Die Baubranche hat einen hohen Ressourcenverbrauch, so Grupe. Jedes Jahr würden allein in Deutschland ca. 517 Millionen Tonnen mineralische Rohstoffe verbaut, darunter Kalk, Gipsstein, Kies und Sand. Gleichzeitig entstehen mehr als 200 Millionen Tonnen Abfälle, sowohl beim Bau als auch beim Abriss. Bauabfälle machen die Hälfte des deutschen Müllaufkommens aus, erläutert die FDP in ihrem Antrag. „Zement und Beton sind dabei besonders problematisch. Allein die Zementherstellung in Deutschland verursacht 2 Prozent der CO2-Emissionen“, weiß Grupe. Deshalb solle beim Bau und beim Umbau, auch bei der Sanierung von Straßen verstärkt darauf geachtet werden, welche Materialien verwendet werden, wo diese herkommen und welche Auswirkungen unterschiedliche Bauoptionen auf die Umwelt haben. Die angenommenen CO2-Emmissionen, die mit der Maßnahme verbunden sind, sollen mitangegeben werden, soweit das in einem ersten Schritt möglich sei. Dabei signalisierte Grupe für den Änderungsantrag der Grünen seine Sympathie, aber sah ihn zu diesem Zeitpunkt als „zu schwierig an“. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Mechthild Schwetje erläuterte indes, warum ihnen der FDP-Antrag „nicht zielführend“ erscheint: „Zum einen nimmt er nicht den gesamten Lebenszyklus eines Baustoffes in den Blick“, sagte sie. „Nehmen wir an, Sie bauen ein Haus. Sie bauen, um den Ressourcenverbrauch in der Erstellung zu minimieren, das Haus mit papierdünnen Wänden. Diese papierdünnen Wände führen aber dazu, dass das Haus im Laufe seines Lebens extrem viel Heizenergie benötigt – das heißt, die CO2- Bilanz des gesamten Lebenszyklus wird extrem negativ ausfallen“. Dieses banale Beispiel zeige, warum nicht nur die Erstellung, sondern der gesamte Lebenszyklus in den Blick zu nehmen sei. Natürlich sei dieses Thema nicht ohne einen gewissen Aufwand zu bearbeiten, aber „es ist zu wichtig, um es einfach mit einem ,zu viel Aufwand‘ vom Tisch zu wischen“, mahnte sie.

„So können wir der Vorlage nicht zustimmen“, befand die UBG-Stadtverordnete Alexandra Sauber. Sie bat die FDP, den Antrag in einen Prüfantrag zu wandeln, um zunächst erst einmal eine Kosten-Nutzenrechnung vorzunehmen. Mit der Einschränkung ihres Antrags auf alle städtischen Baumaßnahmen fanden die Liberalen schließlich auch Unterstützung seitens der SPD. „Die Idee, die hinter dem FDP-Antrag steckt, ist der heutigen Klimaentwicklung entsprechend und zeitgemäß“, untermauerte der stellvertretende SPD-Stadtverordnete Hans-Robert Philippi. Allerdings habe man als Stadtverordnete bis dato kein Bestimmungsrecht auf die Auswahl der Baumaterialien. Natürlich hinterlasse jedoch jeder Baustoff einen anderen C02-Abdruck, und die Stadt sei bei ihren Baumaßnahmen auch in der Lage, rechtzeitig darüber zu informieren, welche wesentliche Baumaterialien sie vorhabe, zu verwenden. „Allerdings muss jedem im Raum klar sein, dass dies einen erheblichen Mehraufwand für die Verwaltung bedeuten wird“, betonte er.

Erster Stadtrat Robert Siedler unterstrich auf Nachfrage den Mehraufwand für diese Maßnahme, der „nicht zu unterschätzen“, in jedem Fall aber „machbar“ sei. Zuvor hatte die FDP-Fraktionsvorsitzende Kristina Fröhlich die Dringlichkeit, etwas zu tun, um den Hinweis ergänzt, 94 Prozent der Deutschen wünschten sich gerne, etwas für die Umwelt zu tun, tatsächlich machen würden jedoch nur 14 Prozent etwas.

Klima-Gewissen

Die Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Gabriela Roßbach, nahm den Antrag zum Anlass, den Stadtverordneten ihre Eigenverantwortung aufzuzeigen. Die Kommune verursache gerade einmal zwei Prozent der Treibhausgasemissionen, habe ein Klimaschutzkonzept und einen Klimaschutzmanager und spare heute schon, wo sie könne, bemerkte sie. 45 Prozent der Emissionen verursachten in Kronberg hingegen die Wirtschaft, 35 Prozent die Haushalte und 80 Prozent der Verkehr. Über die zwei Prozent könne man nun beschließen, bei dem großen Rest sei jeder selbst gefragt, etwas zu tun, appellierte sie an das eigene Klima-Gewissen. Roßbachs Wortbeitrag kam bei den Liberalen nicht gut an, Holger Grupe verstand diesen sogar als „Eingriff in die Privatsphäre“.

Letzten Endes einigte sich die Mehrheit der Stadtverordneten jedoch mit 16:10 Stimmen bei zwei Enthaltungen auf den FDP-Antrag, bei städtischen Baumaßnahmen rechtzeitig den CO2-Fußabdruck zu ermitteln.

Trinkwasserkonzept-Erarbeitung

Insgesamt vier von sechs Tagesordnungspunkte, die im jüngsten Stadtparlament diskutiert wurden, beschäftigten sich mit Themen des Klimaschutzes. So wurde auch die Erarbeitung eines Trinkwasserkonzepts, ein weiterer FDP-Antrag, diskutiert. Es geht darum, möglichst vor dem nächsten Sommer ein Konzept zu erstellen, das den aktuellen und zukünftigen Trinkwasserverbrauch ermittelt, Vorschläge für die effektive Senkung des Trinkwasserverbrauchs gibt und gegebenenfalls zusätzliches Wasser zur Verfügung stellt, erklärte der FDP-Stadtverordnete Stefan Griesser. Im Kern gehe es um Maßnahmen, um Wasserengpässe zu vermeiden, aber auch, die Gründe zu kennen, warum Kronberg im Gegensatz zu den Nachbargemeinden einen überdurchschnittlich hohen Wasserverbrauch habe, auch wenn anzuerkennen sei, dass der Kronberger Wasserverbrauch in den letzten Jahren stabil geblieben sei. Entsprechend Griessers Rechnung seien es nicht die 30 bis 50 Pools, die die hohen Spitzenverbräuche erklärten. Es sei zu analysieren, was der Wasserverbrauch mit den zahlreichen Pendlern, dem vermehrten Home-Office, der reichen Vegetation in den Gärten und ähnlichen Faktoren zu tun habe. Im Blick müsse man auch die Erweiterung des Wohnraums haben, der eine Erhöhung des Wasserverbrauchs nach sich ziehen wird.

Griessers Exkurs – er übte persönlich Kritik an den Aussagen des Bürgermeisters, die dieser zum Thema Hausbesitzer, die auch im September ihren Wasserverbrauch nicht reduziert hatten, in der Öffentlichkeit getroffen hatte (Stichwort, „Aber die Pools sind voll“, ein Artikel der ZEIT) –, kam beim Gros der Stadtverordneten allerdings weniger gut an und wurde von den Grünen und ihrem Redner Udo Keil sogleich kritisiert. „Jetzt müssen wir uns ernsthaft überlegen, ob wir dem Antrag noch zustimmen können“, brachte Keil seinen Unmut unmissverständlich zum Ausdruck. „Aus Gründen der Transparenz“ wurde der FDP-Antrag letztendlich auch von der KfB und seinem Redner Rainer Schmidt unterstützt.

Appell zum Wassersparen

Seitens der SPD und Gabriela Roßbach erfuhren die Stadtverordneten, dass der Pro- Kopf-Verbrauch bei 200 Litern pro Tag inklusive Löschwasser und Verbrauch des Gewerbes liege, 189 davon der private Verbrauch ausmache. „Hier sehen wir wieder, wo der Löwenanteil liegt: im privaten Bereich“, bemerkte sie. Mehr als die jetzigen 50 bis 55 Prozent Trinkwasser dazuzukaufen, sei auch keine Lösung, schließlich nehme man es anderen Regionen damit weg, gab sie zu bedenken. Eine beliebige Menge für den Verzehr speichern gehe auch nicht, denn Wasser, das zu lange stehe, eigne sich nicht mehr als Trinkwasser, und gesetzliche Grundlagen für Strafen bei zu hohem Wasserverbrauch gebe es ebenfalls keine. So lautete ihr Fazit über drei konkrete Maßnahmen: „Erstens Sparen, zweitens Sparen und drittens Sparen! Denn kein Konzept der Welt bringt uns mehr Regen!“ Vor der Abstimmung hatte Udo Keil noch kritisiert, das Thema, bei dem sich doch längst alle einig gewesen seien, werde nun zerredet. Statt „zerredet“ entfuhr ihm allerdings „zer-regnet“. Damit war der Bann gebrochen und dieser Antrag konnte nach allgemeiner Heiterkeit doch noch einstimmig verabschiedet werden.

Mehrwegsysteme in der Gastronomie

Mehrheitlich entsprochen wurde des Weiteren dem SPD-Antrag, die gesetzlich geforderte Umstellung der Gastronomie von Einweg- auf Mehrwegsysteme durch einen Fördertopf mit insgesamt 10.000 Euro finanziell zu unterstützen. „Der Zuschuss, den wir vorschlagen, nämlich 500 Euro, deckt ungefähr ein Drittel der Kosten“, so der SPD-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Haas. Es hilft einer Branche, die für Leben in der Stadt sorgt, aber erst von der Pandemie und jetzt noch von den Auswirkungen des Ukraine-Krieges gebeutelt ist, betonte er. Es sei wichtig, diese Entwicklung weg von den Einwegsystemen zu unterstützen. Es sei auch ein Antrag zur Sauberkeit und Müllvermeidung im Stadtbild, führte er aus, denn man müsse sich vor Augen halten, dass 40 Prozent des Straßenmülls aus Verpackungsmüll bestehen. „Fördern wir auf diese Weise aber nicht nur ein gesetzeskonformes Verhalten?“, fragte Bettina Trittmann von den Grünen in die Runde. Die Kronberger Grünen wollten eine finanzielle Unterstützung nur für die Betriebe, die auch vollständig bereit sind, auf ein Mehrweg-System umzustellen. Der SPD-Antrag sei eine breite Förderung der Gastronomie unter dem Deckmantel des Umweltschutzes, „das wollen wir so nicht“. CDU-Fraktionsvorsitzender Andreas Becker betrachtete die Gastronomie für das „soziale Miteinander“ einer Stadt als wichtig und unterstützte den Antrag. Die KfB und mit ihr der Stadtverordnete Ralf A. Pampel konnten sich für den SPD-Antrag nicht erwärmen. Pampel: „Wir haben doch eine gewisse Hemmung, gesetzestreues Verhalten zu belohnen“, sagte er. Das Beste, um die „tolle Gastronomie“ in Kronberg zu unterstützen, sei, regelmäßig dort essen zu gehen, appellierte er an alle Zuhörerinnen und Zuhörer und an die Stadtverordneten. Am Ende wurde die Förderung der Kronberger Gastronomen über die Mitfinanzierung der Mehrwegsysteme mit 16 „Ja“- und sechs „Nein“-Stimmen bei zwei Enthaltungen beschlossen.

Uneingeschränkte Straßenreinigung

Das vierte Thema an diesem Abend, der sich um die Umwelt drehte, war die Reduzierung der Straßenreinigung, ein KfB-Antrag. Rainer Schmidt rechnete vor, dass dazu 360 Kilometer pro Woche zurückgelegt würden, 270 Liter Diesel verbraucht und 10.000 Liter Wasser verbraucht würden. Zumindest einen Teil dieser Rohstoffe wollte die KfB einsparen, das frei werdende Personal an anderer Stelle einsetzen – beispielsweise zur Säuberung und Verschönerung von Grünanlagen und Plätzen. Walther Kiep von der FDP fand den Gedanken gut, eine Reduktion der Straßenreinigung zu bewirken und die frei werdenden Kräfte nach Bedarf woanders einzusetzen. Die CDU fragte sich indes, ob das Stadtbild darunter nicht noch weiter leiden würde, das ohnehin eher „ein Mehr an Sauberkeit“ vertragen würde, wie sich der CDU-Fraktionsvorsitzende Andreas Becker vorsichtig ausdrückte. Und die SPD äußerte ihre Bedenken darüber, dass, wenn die Stadt hier nicht mit gutem Vorbild vorangehe, womöglich gar keine Bürger mehr auf die Idee kämen, selbst den Besen in die Hand zu nehmen.

Am Ende wurde diesem Antrag für ein gutes Klima bei einem Stimmen-Patt (10:10) nicht entsprochen.



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