Leben in Zeiten von Corona

Kronberg (cz) – Corona – ein Wort, welches rund um den Erdball inzwischen bekannt sein dürfte. Ein Virus, das unser aller Leben mittlerweile total auf den Kopf gestellt hat, ein Zustand, den sich die meisten von uns vor zehn Tagen noch nicht im Entferntesten hätten vorstellen können: Grenzschließungen, fünf Wochen schulfrei, Homeoffice allerorten, Kitas, Spielplätze, Fitnessstudios, Buchläden, Restaurants, Cafés, Kneipen geschlossen; die Grundversorgung zwar gesichert, aber das Leben komplett aus den Fugen geraten.

Wir sind verunsichert, das Internet befeuert mit gefakten Meldungen die Panik der Menschen, unzählige „Experten“ melden sich zu Wort, Verschwörungstheorien fallen auf fruchtbaren Boden.

„Wir sind im Krieg“, sagt Frankreichs Präsident Macron und verhängt eine Ausgangssperre, was nicht gerade zur allgemeinen Beruhigung beiträgt und zu tumultartigen Szenen in verschiedenen Supermärkten führt. So weit ist es bei uns noch nicht, aber das kann sich schon morgen ändern. Ausgangssperre, ein Begriff, den wir tatsächlich nur mit Nachrichten aus Kriegsgebieten in Verbindung bringen. Dann „darf“ nur noch vor die Tür, wer arbeiten muss, anderen hilft oder dringende Besorgungen zu erledigen hat. Spaziergänge im Grünen sind erlaubt und auch dringend ratsam, um den häuslichen Frieden dauerhaft zu erhalten, sollte dieser Zustand länger anhalten.

Trotz dieser widrigen Umstände geht das öffentliche Leben unter Einschränkungen weiter und man trifft in der Regel auf relativ entspannte Menschen. Egal ob im Supermarkt oder auf der Straße, die Kommunikation hat zugenommen, das Bedürfnis, sich auszutauschen. Der befürchtete Effekt „Jeder ist sich selbst der Nächste“ ist mir jedenfalls bis jetzt nicht begegnet, ganz im Gegenteil, man spürt fast eine Art Solidarität unter den Menschen, eine Zugewandtheit, nach dem Motto, das betrifft uns alle, da müssen wir gemeinsam durch! Mütter tun sich zusammen, um die Kinderbetreuung zu organisieren, Menschen erledigen für ältere Nachbarn die Einkäufe. Es bilden sich Facebook-Gruppen, die ihre Hilfe anbieten, Studenten in Erfurt, die einen Fahrrad-Kurier-Dienst gegründet haben, weil sie nicht zuhause rumsitzen wollen. Im Kleinen greifen die Mechanismen der Mitmenschlichkeit. Das wird sich unter Umständen dann ändern, wenn die Weisung ausgeht, nicht nur den gebührenden Abstand zu anderen Menschen einzuhalten, sondern jegliche Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren. Die Leittragenden sind in erster Linie ältere Menschen, die in Pflegeeinrichtungen leben und bereits jetzt keinen Besuch von außen mehr empfangen dürfen. Verständlich ja, aber für viele eine menschliche Katastrophe. Ebenso das empfohlene Kontaktverbot zwischen Großeltern und Enkeln, was häufig praktisch gar nicht durchführbar ist. Viele halten diese Maßnahmen für übertrieben, anderen gehen sie nicht weit genug.

Letztlich muss dies jeder für sich entscheiden, sofern er sich innerhalb der Auflagen der Bundesregierung bewegt. Der Rückzug ins Private ist jedenfalls unvermeidlich und stellt viele Menschen vor große Probleme, von den finanziellen Herausforderungen einmal ganz zu schweigen. Ob Arbeit, Schule, Ausbildung oder Studium, sie bilden die Struktur ,innerhalb derer unser Leben stattfindet. Doch diese Mechanismen sind nun aufgehoben, im besten Fall tritt Homeoffice an ihre Stelle. Außerhäusliche Vergnügungen wie Kino, Theater, Restaurantbesuch oder Sportverein fallen ebenfalls weg, man muss sich plötzlich mit sich selbst beschäftigen und/oder seine Kinder bei Laune halten.

Da muss ein Projekt her, berichtet zum Beispiel meine Nichte, Mutter zweier Kinder von vier und sieben Jahren, der Tag braucht eine Struktur. Also wird kurzerhand die Idee geboren in Opas Garten ein Baumhaus zu bauen. Fabelhafte Idee, die während der kommenden zwei Wochen alle Beteiligten definitiv auf Trab halten wird. Nur hat leider nicht jeder solch famose Möglichkeiten. Wie werden die Menschen auf Dauer mit dieser Isolation umgehen? Wird es eine Art Rückbesinnung auf die Kernzelle Familie geben? Die Süddeutsche Zeitung hat fast eine ganze Seite dem Thema gewidmet, wie man Homeoffice und Kinder unter einen Hut bringt. Einen Plan machen, Kinder mögen nämlich keine unvorhergesehenen Ansagen, und den dann auch einhalten. Bewegung einbauen, Disco mit von den Kindern erstellter Playlist. Singen macht bekanntlich glücklich – in Italien werden deshalb Innenhof-Konzerte organisiert, alle raus auf den Balkon. Zusammen kochen, Osterdekoration in großem Stil – Eier gibt’s im Gegensatz zu Klopapier überall!

So beklemmend und einschneidend diese Zeiten des Coronavirus auch sein mögen, vielleicht haben sie dennoch was Gutes, etwas, was nach Corona leider vermutlich wieder in Vergessenheit geraten wird oder auch nicht...



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