Leserbrief

Unser Leser Dr. Walter A. Ried, Höhenstraße, Schönberg, schreibt uns unter der Überschrift „Nur Gewinner?“ Folgendes:

Die Titelstory des Kronberger Boten vom 25. Mai beschäftigt sich mit der Jubiläumsfeier im Rahmen der Gebietsreform 1972 „Aus drei werden eins – 50 Jahre Gemeindefusion“, die kürzlich auf dem Gelände der Altkönigschule stattfand. Im dem Bericht wird auch auf den von mir erstellten Artikel hingewiesen, der Ende letzten Jahres anlässlich der Fusion der drei bis dahin selbstständigen Gemeinden Kronberg, Schönberg und Oberhöchststadt zur „Großgemeinde“ Kronberg vor einem halben Jahrhundert im Jahrbuch Hochtaunuskreis 2022 erschienen ist. Auf Grund meiner intensiven Recherchen sehe ich die Fusion der drei einst eigenständigen Gemeinden als nicht durchweg gelungen an. Wie so oft im Leben gab es auch hier Gewinner und Verlierer. Erster Höhepunkt vorweg war, dass es am 1. April 1972 für mehrere Tage keinen verantwortlichen Bürgermeister für das fusionierte „Neu-Kronberg“ gab, aber dafür konnten die Verantwortlichen vor Ort nichts. Das Desaster ging damals auf das Konto des sichtlich überforderten Regierungspräsidiums in Darmstadt. Doch jetzt zurück zu Kronberg: In meinen Augen ging Kronberg als eindeutiger Gewinner aus der Fusion hervor. Als größte Gemeinde verhandelten die Stadtverordneten der Burgstadt von Beginn an recht forsch und machten den Vertretern der beiden anderen Gemeinden sofort klar, wer das Sagen bei den weiteren Verhandlungen hatte. Konsequenz dieses autoritären Verhaltens war, dass der Bürgermeister selbstverständlich aus Kronberg zu kommen und die zukünftige Fusionsgemeinde weiterhin Kronberg zu heißen hatte. Echter Teamgeist sieht für mich mir anders aus. Zweiter Sieger war Oberhöchstadt, dessen Orts-SPD anfangs sogar vorschlug, dass Kronberg im Verbund mit Schönberg und Oberhöchstadt sein Glück zusammen mit Oberursel versuchen sollte. Bis heute konnte der Stadtteil eine gehörige Portion Selbstständigkeit bewahren. Das Ergebnis: Sein Ortskern verfügt über eine gute Ladenstruktur, die selbst viele Kronberger ins eher dörfliche Oberhöchstadt lockt. Die Oberhöchstädter wissen ein lebendiges und pfiffiges Ortsleben auf die Beine zu stellen. Der noch nicht lange existierende Keramikmarkt zeigt dies deutlich. Wenn die Bürger hier etwas durchsetzen wollen, so schaffen sie das meistens auch. Wie sagt der Volksmund doch so treffend: Nur der Säugling, der schreit, erhält die Brust! Klarer Verlierer ist für mich Schönberg. Ich weiß, diesen Stadtteil als scheintot zu bezeichnen ist zwar sehr provokant, aber zumindest für mich traurige Realität. Welche positiven Lebenszeichen sind von hier zu vernehmen? Hier tut sich seit Jahren so gut wie nichts. Kulturelle oder andere Veranstaltungen werden kaum angeboten und der Ortskern um die Katholische Kirche herum sieht recht triste aus. Die Taunushalle als möglicher Bürgertreff, gerade aufwendig saniert, wird wenig genutzt. Kurzum, es gibt keinen Ort, der zum längeren Verweilen wirklich einlädt und der Geschäftsmix ist recht erbärmlich. Eine Bankfiliale und Poststelle, sonst „Basics“ in einem Ort mit immerhin über 4.000 Einwohnern, sind längst Vergangenheit. Selbst der Bäcker hat mittlerweile die Flucht ergriffen. Der kleine Wochenmarkt ist auch nicht unbedingt der Renner. Zum Glück halten die Apotheke und der Allgemeinarzt noch durch, aber wer weiß, wie lange noch? Wir Schönberger, zu denen ich selbst gehöre, sind letztendlich selbst an dieser Lage „schuld“, da wir zu phlegmatisch sind. Ein Blick nach Oberhöchstadt zeigt, wie es besser geht. Lernen wir Schönberger endlich daraus?

Erwähnt werden soll noch abschließend, dass kurzzeitig Überlegungen bestanden, Kronberg mit Königstein zu verschmelzen. Doch dieser Gedanke wurde zu Recht wieder ganz schnell fallengelassen. Zu unterschiedlich sind die Gemeinden bis heute. Mord und Totschlag zwischen den beiden sehr selbstbewussten „Partnern“ wären da vorprogrammiert gewesen. Ein gutes Beispiel dafür ist der aktuelle Streit um den Philosophenweg. So gut wie vergessen ist, dass Mammolshain damals recht offen war, mit Kronberg zusammenzugehen, doch Letzteres zeigte seine kalte Schulter. Ähnlich war es mit einer Anfrage aus Niederhöchstadt. Einst war es Teil des Reichslehen Kronberg. Da zum Main-Taunus-Kreis gehörig, musste es jedoch mit Eschborn, ebenfalls ehemals Kronberger Besitz, vorliebnehmen.

Heute profitiert es immerhin vom wohlhabenden Eschborn.



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