Letzter Transport der Rumänienhilfe nach Temeswar

Auch diese Familie lebt in fürchterlicher Armut.

Kronberg – Ende September fand die letzte Fahrt des Vereins „Rumänienhilfe Hochtaunus e. V.“ in das Fördergebiet Temeswar, im Norden von Rumänien, statt.

Dieses Mal mietete der Verein einen 7,5-Tonner, um alle Sachspenden aus dem Lager in der Stadthalle mitnehmen zu können. Wegen der Pandemie gab es in letzter Zeit wenige Transporte in das Fördergebiet, und somit wurden die Sachspenden dieses Mal besonders freudig erwartet.

Aber am Tag vor der Abreise hieß es erst einmal den Lkw abzuholen, Spenden, darunter ein Kühlschrank, abzuholen und die Sachspenden aus dem Lager in der Stadthalle aufzuladen. Für die Fahrt und die vorbereitenden Arbeiten konnte der Verein erneut Männer des „Männergesangvereins 1860 Kronberg“ (MGV) begeistern. Dr. Heinz Walden, Vorstandsmitglied des Rumänienvereins und selbst MGV-Sänger, unterstrich, „dass ohne die tatkräftige Mithilfe der Sänger eine Fahrt nach Rumänien nicht mehr hätte stattfinden können.“

Am ersten Reisetag starteten die Herren Günter Müller und Hans Joachim Böhm bereits um 6 Uhr, um noch am Abend das Quartier an der österreichisch-ungarischen Grenze zu erreichen. Eine Durchfahrt ohne Übernachtung war mit dem großen Lkw, aufgrund der Geschwindigkeitsbegrenzung, nicht möglich. Erfreulicherweise gestaltete sich der Grenzübergang nach Österreich unproblematisch.

Am zweiten Tag brachen die beiden erneut in aller Frühe auf, um möglichst am frühen Nachmittag in Temeswar einzutreffen und die Sachspenden abzuladen und zu verteilen. Die Fahrt nach und durch Ungarn verlief reibungslos, aber an der Grenze zu Rumänien gab es einen mehrere Kilometer langen Stau. Diesen umfuhren die Kronberger, konnten die verärgerten Lkw-Fahrer beruhigen und auch die Grenzkontrolleure überzeugen, dass sie Hilfsgüter, ohne Frachtpapiere, nach Rumänien transportierten. So trafen sie gegen 15.30 Uhr, freudig von Mechtild Gollnick, der Gewährsfrau vor Ort, begrüßt, in Temeswar ein.

Die angelieferten Spenden wurden danach zu Claudia Radu, einem Behindertenverein und zu Gusti Juga gebracht. Alle Organisationen sind im sozialen Bereich sehr aktiv und, mit Ausnahme des Behindertenvereins, der von einer Bekannten von Mechtild Gollnick geleitet wird, von früheren Besuchen sehr gut bekannt. Demnach ist sichergestellt, dass die Sachspenden in gute Hände gelangt sind und auch an bedürftige Personen weitergegeben werden. Der Lkw konnte schließlich am Hotel einen gesicherten Platz finden, weitere Fahrten erfolgten mit einem Transporter von Gusti Juga.

Zum Reiseprogramm gehört seit Jahren der Lebensmitteleinkauf bei der METRO in Temeswar. Auch dieses Mal wurden nach einem festen Plan von Gollnick Grundnahrungsmittel für circa 1.250 Euro eingekauft und an vier Organisationen verteilt, in denen nach Anschauung der Rumänienhilfe Hochtaunus die Nahrungsmittel an besonders notleidende Familien und Personen verteilt werden.

Anschließend erfolgte gemeinsam mit Radu der Besuch bei einer sehbehinderten Familie. Die Mutter ist blind, die zwei Söhne stark sehbehindert und die Großmutter apathisch. Der Vater ist vor einem Jahr gestorben und die Mutter offensichtlich ratlos, wie sie alles bewältigen soll. Sie bewohnen eine Mietwohnung, die sich in einem katastrophalen Zustand befindet. Dieser Besuch zeigt erneut, wie groß die Notlage bei vielen Familien in Rumänien nach wie vor ist. Der Staat verbessert seine wirtschaftliche Lage fortlaufend, wahrscheinlich auch durch die Mitgliedschaft des Landes in der Europäischen Gemeinschaft, aber die gesetzliche Sozialgebung und das Verständnis für Hilfsbedürftige hinken gegenüber weiter entwickelten Ländern deutlich hinterher.

Dabei sind besonders Initiativen wie die von Claudia Radu und auch von Gusti Juga wichtig und treten geradezu beispielhaft für sozial Schwache vorbildlich ein. So hat Juga, der auch als ehrenamtlicher Baptistenpfarrer tätig ist, zwei Häuser für die Betreuung von Jugendlichen erbaut. „Es ist beeindruckend, mit welchem Aufwand und Enthusiasmus er seine Projekte ehrenamtlich betreibt“, konstatierten die beiden Kronberger.

Ähnlich, allerdings für die Versorgung von durch die Maschen gefallene Erwachsene, muss das Projekt von Petru Iliesu hervorgehoben werden. Selbst durch Kinderlähmung seit seinem 6. Lebensjahr sehr stark behindert, als Schriftsteller und Freiheitskämpfer gegen das Ceaucescu-Regime in Temeswar gut bekannt, betreut er in mehreren Häusern circa 45 Personen. Er will sein Projekt durch den Bau weiterer Häuser vergrößern, der Bedarf an Unterbringungsmöglichkeiten ist nach seiner Aussage gewaltig.

Die große Armut und soziale Lage von bitterer Armut Betroffener wurde Günter Müller und Hans Joachim Böhm beim Besuch der Familie Fülöp im Dorf Giarmata deutlich näher gebracht. Die Familie besteht aus einer behinderten Mutter mit drei behinderten erwachsenen Kindern, wovon die 24-jährige Tochter mit einem etwa 50- bis 60-jährigen Mann in einem Verschlag auf dem Hof haust. Das Wohnhaus war einsturzgefährdet,

Es ist ein Lehmhaus, in das es hereinregnete. In einer freiwilligen Aktion von Jugendlichen aus einem Förderprojekt hat Gusti Juga das Dach instandgesetzt. Trotzdem befindet sich das Haus in einem schlimmen Zustand und machte die Kronberger sprachlos: „Wie kann man unter solchen Umständen leben?“ Die Familie wird weiterhin von Gusti Juga unterstützt, wobei er offensichtlich auch von einer gewissen Unterstützung von Mechthild Gollnick profitiert.

Nach diesem Besuch bestand noch die Gelegenheit zu einem Stadtbummel. Temeswar sollte bereits in diesem Jahr Europas Kulturhauptstadt werden. Dieses wurde inzwischen auf das Jahr 2023 verschoben. In der sehr schönen Altstadt sind leider nur punktuell Sanierungen durchgeführt worden, was angesichts der tollen Bausubstanz sehr schade ist. Im Gegensatz dazu lernten die Kronberger einen kleinen Stadtteil kennen mit modernen Gebäuden, Vergnügungspark, Einkaufsmall, modernen Geschäften und Restaurants, die allerdings von wenigen, zumeist jungen Personen besucht waren.

Dazu Müller und Böhm: „Krasser kann der Gegensatz zur erlebten Armut an anderen Stellen nicht sein.“

Schließlich verließen die beiden Herren Temeswar, übernachteten nach problemloser Fahrt durch Ungarn und Österreich in Deutschland und kehrten wohlbehalten nach Hause zurück, voller Eindrücke und auch tief besorgt darüber, dass der Verein zukünftig nicht mehr helfen kann, die große Not, wenn auch nur punktuell, zu lindern. Ende des Jahres muss der Verein mangels personeller Unterstützung leider aufgelöst werden. (pu)

Weitere Artikelbilder



X