Kronberg (pu) – Wegen des Vorhabens des Magistrats, das hälftige Miteigentum an mehreren Grundstücken im „Grünen Weg“ per preislimitiertem Vorkaufsrechts erwerben zu wollen, kam das Parlament am letzten Donnerstag unter dem Aspekt der am 24. April endenden Frist für die Ausübung zu einer Sondersitzung zusammen. Die eigentliche Parlamentssitzung ist erst für 2. Mai terminiert.
Beweggründe
Der Magistrat begründete sein Ansinnen zum einen damit, dass die Grundstücke in einem Gebiet liegen, für das der Flächennutzungsplan eine Nutzung als Wohnbaufläche oder Wohngebiet darstellt. Die Voraussetzung für die Ausübung des Vorkaufsrechts gemäß § 24 Absatz 1 Ziffer 5 Baugesetzbuch (BauGB) lägen damit vor. Darüber hinaus befinden sich die Grundstücke konkret im Bereich, für den es bereits einen vom 17. März 2003 datierten Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan gibt. Des Weiteren wurde 2014 eine Überarbeitung des städtebaulichen Entwurfes als Mehrfachbeauftragung durchgeführt. Nach den Worten von Erstem Stadtrat Robert Siedler (parteilos) erarbeitet derzeit die Baulandoffensive, eine durch das Land Hessen geförderte Initiative zur Unterstützung der Kommunen kostengünstigen Wohnraum zu entwickeln, eine Machbarkeits- und Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für den Bereich „Grüner Weg“. „Somit besteht eine hinreichende konkrete Umsetzungsabsicht. Die Ausübung des Vorkaufsrechtes würde folglich auch das Wohl der Allgemeinheit gemäß § 24 Absatz 3 Satz 1 BauGB berücksichtigen. Demzufolge sind die Voraussetzungen zur Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechtes gegeben“, erläuterte der Baudezernent. Siedler schob der Debatte außerdem voraus, die Stadt, die in diesem Gebiet bereits über eigenes Grundstückseigentum verfügt, habe in der Vergangenheit freihändig zusätzlich regelmäßig Boden erworben und zwar zu moderaten Preisen. Dies konnte jeweils ohne Zustimmung der Stadtverordneten vonstatten gehen, da die Kaufsumme 250.000 Euro nicht überstieg und der Magistrat bis zu dieser Summe gemäß der Richtlinien selbst handeln darf.
Weil die Preise für mögliches Bauland jedoch bekanntlich zunehmend in die Höhe schnellen, gelte es die Chance zu ergreifen, nochmals „aus gutem Grund Boden zu erwerben.“ Auf der Grundlage von Daten aus der Kaufpreissammlung des Gutachterausschusses beim Amt für Bodenmanagement für Verkäufe im Bereich des Grünen Weges aus den letzten fünf Jahren habe im nunmehr vorliegenden Fall ein durchschnittlicher Kaufpreis von etwa 187,60 Euro pro Quadratmeter ermittelt werden können. Demgegenüber habe jedoch der Magistrat bisher einen Quadratmeterpreis von 200 Euro pro Quadratmeter für dieses Gebiet als angemessen angesehen und wollte so auch erneut verfahren. Da die Kaufsumme jedoch 250.000 Euro überschritt, waren demzufolge die Stadtverordneten gefordert über das Vorhaben abzustimmen.
Gegenstimmen
Soweit die Sichtweise des Magistrats, dem jedoch heftiger Gegenwind entgegenblies. Als erstes positionierte sich die Wählergemeinschaft „Kronberg für die Bürger“ (KfB) mit einem Dringlichkeitsantrag und der damit verbundenen Bitte, der Magistrat soll von der Ausübung des Vorkaufsrechts keinen Gebrauch machen, bis die Stadtverordnetenversammlung entschieden hat, ob ein Neubaugebiet am Grünen Weg zeitnah umgesetzt werden soll. Nach Meinung der KfB-Co-Fraktionsvorsitzenden Alexa Börner sei nach wie vor nicht klar, was am Grünen Weg überhaupt geschehen soll. Sie hob vor allem sowohl den heftigen Protest in der Kronberger Bevölkerung gegen die Zerstörung dieses Naherholungsgebiets mit geschützten Biotopen und Obstbaumgeständen durch geplante Wohnbebauung heraus als auch die offenen Fragen in Bezug auf Erschließung und Verkehrssituation. „Wissen also die Befürworter der heutigen Vorlage zum Vorkaufsrecht überhaupt, was am Grünen Weg entstehen soll? Wir glauben: sie wissen es nicht“, stellte Börner provokant in den Raum.
Des Weiteren lenkte sie den Blick auf die zuletzt entstandene Bebauung Haide Süd und Henker (73 Wohneinheiten), die neu hinzukommenden Schillergärten (39 Wohneinheiten), Bonava (40 Wohneinheiten), Nassauer Hof (10 Wohneinheiten) und womöglich Kronberger Hof. Außerdem plane die OWG bis zu 60 bezahlbare Wohnungen in der Friedensstraße, die Metzgerei Klein 20 in Oberhöchstadt. Von den angedachten 40 bis 50 bezahlbaren Wohnungen am Bahnhof und mehr als 70 auf dem Sportplatzgelände in Oberhöchstadt ganz zu schweigen. „Als man vor 20 Jahren über den Grünen Weg nachdachte, waren all diese Bauvorhaben nicht in Sicht“, erklärte Börner. Kronberg stehe demzufolge weder still noch igele sich ein. „Wir von der KfB finden: Das reicht erst einmal – und zwar für die nächsten Jahre.“
Streit um Rechtsfragen
Ein Dorn im Auge waren sowohl der KfB als auch der FDP die von ihnen gesehenen Risiken rechtlicher Natur. Als der FDP-Fraktionsvorsitzende Walter Kiep unterstellte, dieses Risiko lasse die Verwaltung kalt, sie betreibe eigene Baupolitik, heize Spekulation an und noch drauf setzte, die systematische Wahrnehmung des Vorkaufsrechtes wirke wie eine Teilenteignung der betroffenen Grundstückseigentümer, platzte Bürgermeister Klaus Temmen (parteilos) der Kragen. Zum einen wies er die Behauptungen aufs Schärfste zurück, erinnerte daran, dass nicht die Verwaltung oder der Bürgermeister oder Erste Stadtrat, sondern der Magistrat in Sachen Grundstückskauf tätig sei, in dem im Übrigen Vertreter der jeweiligen Fraktionen, auch der FDP, sitzen und er rief zum anderen den Ältestenrat zusammen.
Im Ergebnis ruderte Kiep zurück und revidierte Aussagen, die „einen falschen Eindruck erweckt haben“. Der Fraktionsvorsitzende bezweifelte allerdings, dass die Verwaltung „überhaupt in der Lage wäre in einem angemessenen Zeitraum einen B-Plan vorzulegen“, da sie „mit den großen Bauvorhaben Baufeld V und Altkönigblick sowie der Revitalisierung der B-Pläne plus der Tagesarbeit für die nächsten 5 bis 10 Jahre voll ausgelastet ist.“ Werde das Vorhaben aber nicht in angemessener Zeit umgesetzt, dann müsse die Stadt allen Verkäufern, wo das Vorkaufsrecht ausgeübt wurde, die Differenz zum jeweiligen Kaufpreis ersetzen.
Des Weiteren hielt der Liberale ein flammendes Plädoyer für den „Grünen Weg“, einem einmaligen Biotop und wunderschönem Naherholungsgebiet, das die Stadt präge, es gelte, einen bedeutenden Lebensraum für viele gefährdete Tier- und Pflanzenarten zu bewahren. „Da sind wir auf einer Linie mit dem Vorsitzenden des BUND.“
Das hörte Bündnis90/Die Grünen-Vorstand Udo Keil mehr als gern. Aus seiner Sicht komme die Ausübung des Vorverkaufsrechts harmlos daher, sie habe jedoch mehr Sprengkraft, als es den Anschein habe, da durch Grundstückserwerb erst erforderlicher Grundstückstausch ermöglicht werde, um baureife Parzellen herzustellen. Er ging sogar so weit, von einem Angriff auf das Prädikat „Kronberg im Grünen“ und die Identität Kronbergs zu sprechen. Es sei die Aufgabe der Grünen über die Pläne zu informieren, bevor die Bagger rollen.
Genau das Gegenteil
Bürgermeister Klaus Temmen wollte Keils Aussagen nicht unwidersprochen stehen lassen. „Genau das Gegenteil ist der Fall, je mehr Grundstücke wir haben, desto mehr Einfluss haben wir selbst auch in Bezug auf die Wahrung von Grünflächen, das sollte man sich einmal deutlich vor Augen halten!“
Rückendeckung erhielt der Magistrat ausschließlich durch UBG und SPD. Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Christoph König, fand ebenfalls sehr deutliche Worte. „Man wäre klug beraten, das Eigentum zu erhöhen, um Spekulation entgegenzuwirken!“ Mit Blick zu einigen zur Parlamentssitzung erschienenen Mitgliedern des Reitclubs Kronberg, die offensichtlich mobilisiert worden waren, es ginge um ihren Fortbestand, bekräftigte König: „Auch in Ihrem Fall hat es die Stadt leichter, eines Tages Ersatz für Sie zu schaffen, wenn die Stadt eben genug Grundstücke hat!“ Da die CDU sich zwar prinzipiell für die Bebauung des Grünen Wegs aussprach, in diesem speziellen Fall jedoch vor dem Risiko zurückschreckte, stimmten letztendlich nur SPD und UBG mit acht Stimmen für die Magistratsvorlage bei 20 Gegenstimmen.
Die KfB zog daraufhin ihren Dringlichkeitsantrag zurück, um in der nächsten Sitzungsrunde in den Gremien über den Grünen Weg zu beraten.