Meilenstein: Kronberg im Taunus hat erstmals einen Jugendrat

Dieses erstmals gewählte neunköpfige Gremium will in den kommenden zwei Jahren den Interessen der Jugendlichen mehr Gewicht verleihen. Von links: Jun Seong-Il, Jonathan Fratz (Vorsitzender), Christoffer Henning (Stellvertreter), Daniel Ebert, Jacob Sinn, Victoria Hofmann, Charlotte Wamsteker (Stellvertreterin), Dominik Lenz und Marvin Menges. Daneben Jugendreferentin Miriam Kuhlemann Foto: S. Puck

Kronberg (pu) – Am 23. Mai 1949 setzte der damalige Präsident des Parlamentarischen Rates, Konrad Adenauer, in einer Turnhalle der Pädagogischen Akademie in Bonn als finales Ergebnis vorheriger monatelanger Verhandlungen, als erster von 65 stimmberechtigten Ratsmitgliedern seine Unterschrift unter das Grundgesetz. Dieses Bild der Geburtsstunde der Bundesrepublik und der damit verknüpften zukunftsweisenden rechtlichen Grundordnung ging um die Welt.

Neues Kapitel

Am 70. Jahrestag dieses denkwürdigen historischen Ereignisses, am 23. Mai 2019, ging es in der Stadt Kronberg im Taunus und deren „Gudd Stubb“, der Stadthalle, zwar deutlich entspannter zu und die Ereignisse hatten auch bei weitem nicht die Tragweite von 1949, dennoch begann die Burgstadt an diesem Tag ein neu aufgeschlagenes Kapitel in ihrer Geschichte mit Leben zu erfüllen.

Vorgeschichte

Vorausgegangen war eine Initiative von Schülerinnen und Schülern der Altkönigschule zur Gründung eines Kronberger Jugendrats, die bei Magistrat und Stadtverwaltung auf offene Ohren stieß. Vor knapp einem Jahr, am 14. Juni 2018, trat die „Geschäftsordnung über die Mitwirkungsrechte der Kinder und Jugendlichen in der Stadt Kronberg im Taunus“ nach einem entsprechenden Beschluss der Stadtverordnetenversammlung in Kraft.

Die Ziele sind klar umrissen: Kinder und Jugendliche sollen stärker in den politischen Willensbildungs- beziehungsweise Entscheidungsprozess integriert werden, um ihre Interessen künftig noch besser berücksichtigen zu können. Sie erhalten die Möglichkeit, ihre Anliegen und Wünsche in den Gremien vorzubringen und bei jugendspezifischen Vorhaben mitzuwirken sowie eigene Projekte durchzuführen. Grundlage zur Erfüllung dieser Ziele: die Einrichtung von Jugendversammlung und Jugendrat.

Spannende Sache

Nach Erledigung notwendiger Vorarbeiten wie beispielsweise der Suche nach Kandidaten, die sich der Wahl stellen, waren es über 70 Jugendliche im Alter zwischen zwölf bis 21 Jahren, die ein Zeichen setzten und an der ersten Jugendversammlung teilnahmen. Als wichtigster Punkt stand an diesem „ganz besonderen Tag“, wie es Bürgermeister Klaus Temmen (parteilos) während der Begrüßung beschrieb, die Wahl des Jugendrats auf der Agenda. Doch zunächst ergriff der Rathauschef das Wort, spannte den Bogen zu 70 Jahre Grundgesetz, „dem Kompass, in dem wir uns alle bewegen und ganz wichtige Dinge im Rahmen dieser Regelung machen.“ Nun stünde in Kronberg „eine ganz spannende Sache an“, nachdem zuvor verschiedene Anläufe aus irgendwelchen Gründen immer gescheitert seien. Sowohl Temmen als auch Jugendreferentin Miriam Kuhlemann, die als Schnittstelle zwischen dem Jugendrat und der Stadt fungiert, gaben ihrer Freude Ausdruck, dass so viele der Einladung gefolgt waren.

Von den insgesamt zehn Bewerbern um einen Sitz im neuen Rat, zwei Mädchen und acht Jungs, im Alter von 14 bis 21 Jahren waren neun anwesend und stellten sich der Versammlung mit Name, Alter, besuchter Schule und Motivation für ihren Schritt zur Kandidatur vor.

Verantwortung übernehmen

Unübersehbar sind auch in Kronberg die Zeiten vorbei, dass die nachwachsende Generation über ihren Kopf hinweg getroffene Entscheidungen zu sie betreffenden Themen widerstandslos hinnimmt. Landauf, landab verschaffen sich Kinder und Jugendliche zunehmend Gehör, wollen Verantwortung übernehmen, sich politisch engagieren, Gegenwart und Zukunft mitgestalten. Am häufigsten nannten die Kandidaten die aus ihrer Sicht verbesserungswürdigen Themen Umwelt, Nachhaltigkeit, Mobilität (mehr Fahrradwege, verbesserte Busverbindungen) oder Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung.„Ich möchte eine gute Politik für Kinder und Jugendliche, und das geht nur, wenn diese von Jugendlichen gemacht wird“, brachte es einer der Bewerber auf den Punkt. Für viele Menschen, vor allem für Jugendliche sei Politik zu etwas Fremden geworden. „Doch Politik betrifft uns alle! Und das möchte ich klarmachen!“, erklärte er mit Nachdruck. Der Wunsch vieler Jugendlicher: die Stadt Kronberg soll für sie interessanter werden, ist ein deutlicher Beleg dafür, dass sich diese Generation allen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz mit ihrer Heimatstadt identifiziert und sich durchaus engagieren will. Dabei wollen sie jedoch ein Mitspracherecht haben.

Wahl

Im Anschluss stimmten alle Jugendlichen zunächst darüber ab, ob das künftige, für zwei Jahre gewählte, Gremium sieben, acht oder neunköpfig sein soll. 32 von 62 Stimmberechtigten votierten für neun Mitglieder. „Auf zur Wahlurne“, hieß es im Anschluss. Bemerkenswerterweise waren alle 62 abgegebenen Stimmzettel gültig! Welche andere Wahl kann das schon von sich behaupten. Das Vertrauen erhielten in der Reihenfolge der für sie abgegebenen Stimmen: Jun Seong-Il, Jonathan Fratz, Kristoffer Henning, Daniel Ebert, Jacob Sinn, Victoria Hofmann, Marvin Menges, Charlotte Wamsteker und Dominik Lenz. Als erster Nachrücker, falls einer der neuen Ratsmitglieder sein Amt niederlegen würde, steht Daniel Sonntag parat.

Das neue Gremium zog sich kurzzeitig zurück, um gemäß der Geschäftsordnung aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und zwei Stellvertreter zu wählen. Daraus resultierend steht Jonathan Fratz an der Spitze des Führungstrios, flankiert von den Stellvertretern Charlotte Wamsteker und Kristoffer Henning.

Bürgermeister Klaus Temmen gratulierte allen zur Wahl und lud das Gremium ins Rathaus auf ein Eis ein, um vorschwebende Ideen und Vorschläge im direkten Gespräch zu erörtern.

Erste Themen zeichnen sich bereits ab, nachdem während der Auszählung der Stimmen Zettel mit Ideen, Wünsche und Anregungen, egal, ob schon konkret oder noch unkonkret, an Pinnwänden gesammelt wurden. Ganz oben auf der Agenda stehen ein Jugendcafé oder -kneipe, mehr Veranstaltungen für die Jugend wie Jugendforen. Alle Kinder und Jugendliche, denen der Schritt zur eigenen Kandidatur noch zu groß war, können sich dennoch in den nächsten Monaten einbringen, denn für Projekte können in den öffentlichen Sitzungen des Jugendrats bei Bedarf Sonderausschüsse gebildet werden, die den Jugendrat unterstützen. In diesen Gruppen können alle interessierten Jugendliche mitarbeiten.

Die erste öffentliche Sitzung des unabhängigen überparteilichen Jugendrats wird nach den Sommerferien sein.

Kontakt zum Jugendrat kann per E-Mail an jugendrat[at]kronberg[dot]de aufgenommen werden.

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