Kronberg (pu) – Die Bedürfnisse mehrerer Interessengruppen unter einen Hut zu bekommen – vor dieser schweren Aufgabe stehen einmal mehr Magistrat und Stadtverwaltung.
Im aktuellen Fall beschäftigen sich die Gremien mit den Rahmenbedingungen für das künftige Stellplatzangebot sowohl am Bahnhof als auch Kronberg-Süd. Konkreter Anlass ist die Absicht des Magistrats, ein Parkhaus mit circa 300 Stellplätzen auf der Fläche des derzeitigen P+R-Platzes Kronberg-Süd zu errichten. Die hierfür erforderlichen Gesamtmittel von 4,2 Millionen Euro brutto sollen über den Doppelhaushalt 2020/2021 bereitgestellt werden. Für das Vorhaben soll das Parlament möglichst in der Sitzung am Donnerstag, 26. September durch Beschluss die Weichen stellen.
Verkehrsplanerempfehlung
Doch, obwohl ein Parkhaus an dieser Stelle schon seit mehr als zwei Jahren im Gespräch ist, meldeten ein Teil der Fraktionen in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt (ASU) noch erheblichen Klärungsbedarf an. Die Planung basiert auf den Ergebnissen einer vom Büro R+T Ingenieure für Verkehrsplanung (Darmstadt) im März 2017 durchgeführten Befragung zum Thema „Bedarfsermittlung P+R“ an den Standorten Kronberg Bahnhof und Kronberg-Süd. Diese Befragung war Bestandteil einer Verkehrsuntersuchung, die grundlegend den Bedarf an Park and Ride (P & R)- sowie Bike und Ride (B & R)-Plätzen ermittelt sowie sonstige verkehrliche Nutzungsansprüche aufzeigt. Zusammenfassend wurde seinerzeit die Empfehlung durch das Büro ausgesprochen, das überwiegende P+R-Angebot von 200 bis 220 Plätzen an den Haltepunkt Kronberg-Süd zu verlegen.
Als Gründe für diese Empfehlung wurde unter anderem die gute Anbindung an das übergeordnete Straßennetz, die geringere verkehrliche Belastung der Innenstadt, Potenzialflächen für Wohnbebauung und damit Nutzer im Kronberger Nordosten sowie die im „Maßnahmenplan P+R“ der Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH (RMV) vorgesehene Empfehlung der Modernisierung von P+R Kronberg-Süd, genannt. Im Gegensatz dazu wird für den Bahnhof Kronberg ein Ausbau oder eine Erweiterung aufgrund örtlicher Rahmenbedingungen als nicht möglich oder sinnvoll betrachtet.
Dies und den dringenden Handlungsbedarf in Sachen kostengünstigem Wohnraumbedarf vor Augen beauftragte das Parlament in der Sitzung am 7. Dezember 2017 (Vorlage 5099/2017) den Magistrat, die circa 1 Hektar große Fläche „Baufeld V“ gemäß des Rahmenplans „Quartier Bahnhof Kronberg“ als Standort für kostengünstiges Wohnen zu entwickeln.
Mangels ausreichend verfügbarer Fläche sind, wie Erster Stadtrat Robert Siedler (parteilos) im ASU zum wiederholten Mal unterstrich, auf dem „Baufeld V“ sowohl eine bedarfsgerechte P+R-Nutzung als auch die angedachten Wohneinheiten nicht realisierbar. Derzeit umfasst der Interimsparkplatz, der die gesamte verfügbare Fläche des Baufelds in Anspruch nimmt, circa 110 Stellplätzen. Für eine dauerhafte Einrichtung würde sich die Zahl unter Berücksichtigung der Gestaltung sowie der Anpflanzung von Bäumen und raumgliedernden Bepflanzungen gemäß der Stellplatzsatzung sogar noch verringern. In der Konsequenz ist die Verlegung der P+R-Nutzung unausweichlich, am Standort Bahnhof sollen im Rahmen der Umgestaltung des Bahnhofareals nach aktuellem Stand der Dinge jedoch weiterhin circa 40 öffentliche Stellplätze im Bereich des Baufeldes V angeboten werden.
Alternative Planungsüberlegungen
Die in Kronberg-Süd zur Verfügung stehenden Flächen mit einer Größe von insgesamt etwa 3.165 Quadratmetern sind von der Stadt seit 1999 von dem St. Katharinen- und Weißfrauenstift im Erbbaurecht gepachtet (Laufzeit bis 30. Juni 2099). Der Erbbauzins beträgt laut Siedler aktuell 65.066 Euro pro Jahr. Eine nächste Erhöhung sei zum 1. Januar 2020 möglich.
Insbesondere vor dem Hintergrund der hohen Kosten des Erbbaurechts gab es nach den Worten des Baudezernenten verschiedene Überlegungen, die Flächen an einen Investor zu vergeben mit der Verpflichtung, dort ein Parkhaus mit einem Angebot an P+R-Stellplätzen zu errichten. Ebenfalls sei in diesem Zusammenhang über die mögliche Ansiedelung eines Nahversorgers mit Bäckerei diskutiert worden. Diese Planungen hätten sich jedoch nach eingehender Prüfung für die Stadt als wirtschaftlich nicht darstellbar und planungsrechtlich nur schwer umsetzbar herausgestellt, sodass man davon Abstand genommen habe.
Auf Basis einer vorliegenden Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Netvalue GmbH, Kronberg soll nun am Standort Kronberg-Süd ausschließlich ein Parkhaus ohne zusätzliche gewerbliche Nutzungen errichtet werden. Eine Änderung des Bebauungsplanes wird damit nicht erforderlich. Aufgrund der verfügbaren Flächen und deren Ausnutzungsmöglichkeiten ist geplant, das Parkhaus für insgesamt etwa 300 Stellplätze auszulegen. Das Verhältnis zwischen P+R-Nutzung und vermieteten Stellplätzen sei auch zukünftig flexibel an die jeweiligen Rahmenbedingungen anpassbar.
Firmen haben Bedarf
Unter anderem auch der aus den Reihen der Lokalpolitik bereits mehrfach laut gewordenen Sorge bezüglich der Verkehrsverträglichkeit Rechnung tragend, wurde der Standort des Parkhauses mit seinen Auswirkungen in der Nutzung auf das Verkehrsnetz gutachterlich geprüft. Ausgangspunkt der Prognose ist die Errichtung eines Parkhauses mit 220 P+R-Stellplätzen und 150 Firmenstellplätzen.
Letztere spielen ebenfalls eine gewichtige Rolle. Sowohl der Erste Stadtrat als auch die städtische Wirtschaftsförderung haben bereits mehrfach dargelegt, dass durch die auch für die Stadtkasse mehr als erfreuliche Entwicklung des dortigen Gewerbestandorts der Bedarf umliegender Unternehmen an weiteren Stellplätzen in den letzten Jahren gestiegen ist. Nach der Rückkehr von Jaguar Land Rover Deutschland nach Kronberg finden die Firmen im Campus nicht mehr ausreichend Stellplätze. Von mindestens einem anderen Unternehmen aus dem Campus sei in Gesprächen deutlich angeklungen, dass es – ohne eine befriedigende Lösung in der Stellplatzfrage – mittelfristig den Standort Kronberg verlassen wird. Um dies abzuwenden, wurde die ursprüngliche Planung entsprechend angepasst.
Verkehrsgutachtenergebnis
Kurz auf den Punkt gebracht, sind im Ergebnis des Verkehrsgutachtens Anpassungen der Grünzeiten und eine Abstimmungsoptimierung der Signalprogramme von Sodener Stock und dem Knotenpunkt 2 Am Schanzenfeld / Westerbachstraße erforderlich. Mit diesen Anpassungen könne der Kfz-Verkehr auch zu den Spitzenstunden mit ausreichender Verkehrsqualität (Qualitätsstufe D) abgewickelt werden, ohne dass bauliche Veränderungen an den Knotenpunkten erforderlich werden. Erste Abstimmungsgespräche haben laut Siedler hierzu bereits mit Hessen Mobil und der zuständigen Straßenverkehrsbehörde des Hochtaunuskreises stattgefunden.
Reaktionen
Dieses Ergebnis wurde vor allem durch die Wählergemeinschaft „Kronberg für die Bürger“ und die CDU Kronberg in Frage gestellt. Auch die Kosten von 4,2 Millionen Euro stießen dem einen oder anderen Ausschussmitglied sauer auf, nachdem sich ihnen teils Amortisierungszeit und Mieteinnahmen noch nicht gänzlich erschlossen. Im Gegensatz zur Vergangenheit, als vor allem die Kritiker der Neubebauung am Bahnhof ihrer großen Befürchtung Ausdruck gaben, dieses Gebiet könnte nach Abschluss der Bauarbeiten im Verkehr ersticken und dringend um dessen Eindämmung baten, wurden jetzt Bedenken laut, der künftige Bäcker im Bahnhofsgebäude könne womöglich mangels vorhandener Parkflächen wirtschaftlich nicht überleben. Offenbar hat man dabei weder künftige Bewohner des Baufelds V auf dem Schirm, die zu Fuß zur Bäckerei kommen könnten noch Pendler. Ganz abgesehen davon, dass es seit längerem Bestrebungen gibt, die Stellplatzsatzung zu überarbeiten, in ÖPNV-Nähe Stellplätze zu verringern, um günstiger bauen zu können und dem Umweltaspekt Rechnung tragend einen Umdenkprozess anzustoßen. In diesem Zusammenhang ist auch das seit 2015 existierende Carsharing-Angebot zu nennen, das es künftig an beiden Standorten geben wird. Nicht zu vergessen das Car2go-Angebot am Campus.
Nachdem die Emotionen einmal mehr bei diesem Thema hochkochten, es Summasummarum eine ganze Reihe Gesichtspunkte zu berücksichtigen gilt und nachdem mehr als deutlich zutage trat, dass noch nicht alle Fraktionen ihre Entscheidungsfindung abgeschlossen haben, wurde am Ausschussabend keine Empfehlung abgegeben, sondern die Angelegenheit bis zur Parlamentssitzung geschoben.