Schüler schreiben

„Ich frage mich sowieso, warum es immer noch Parlamente gibt, vor denen niemand sitzt“ – unter diesem Titel haben die Schülerinnen Paula Wirth und Finn Strehlke zum Vortrag des Münchener Biologieprofessor Prof. Dr. Michael Schrödl an der Altkönigschule zum Thema „Artenschwund ist ungesund“ einen Bericht verfasst. Schüler lasen aus seinem Buch ,,Die Natur stirbt‘‘ vor und stellten ihm dazu Fragen. Schrödl erzählte über die unerreichbaren Klimaziele, das Sterben der Flora und Fauna und wie wir Menschen selbst einen Unterschied zum Besseren machen können:

Die Q3/4-Schüler (Klasse 12) Frida Ruf , ,Sophie von Goetz, Laura Wohlwend und Constantin Eckhardt lasen jeweils einen Ausschnitt des Buches vor und leiteten daraufhin durch kritische Fragen eine Diskussion mit Schrödl und dem Publikum ein. Nach einer kurzen Einleitung durch Christian Schmeiser, Lehrer und Mitorganisator der Veranstaltung, über unsere heutige Zeit und die Probleme des Konsums ging es auch schon los.

Schrödl lehrt an der Ludwig-Maximilians-Universität in München unter anderem Biodiversität. Diese sehe er durch den großen Flächenverbrauch des Menschen bedroht. Das Klima wandle sich viel schneller als von Wissenschaftlern befürchtet. Dazu komme das Artensterben und mit ihm der Untergang der vielen Ökosysteme. Das beste Beispiel dafür seien die aktuellen Waldbrände in Australien, bei denen laut WWF mittlerweile mehr als eine Milliarde Tiere ums Leben gekommen sind. Mittlerweile würden sogar Moore brennen.

Schrödl befürwortet die Forschungsergebnisse Prof. Hans Joachim Schellnhubers, einem Klimaforscher an der Universität Potsdam, der zu den Ersten gehörte, die eine nachhaltige Lösung für das Klimaproblem forderten. Die Lösungen beinhalten zeitnahe politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Maßnahmen, denn: „Was heute geschieht, gleicht einem kollektiven Suizidversuch.“ Schrödl lobt jene Menschen, die sich zum Beispiel in Form der Fridays-for-Future-Bewegung für das Klima einsetzen. Die Klimakatastrophe werde zwar langsam ernstgenommen, aber trotzdem nicht verstanden.

Die Organisation „Scientists for Future“ habe Forschungen betrieben und bestätigt: Das Klima befindet sich im Wandel. Von diesem Wandel seien alle Arten bedroht. Wenn in einem Ökosystem eine Art ausstirbt, kann diese zwar ersetzt werden, sterben aber zu viele Arten in einem solchen System, so gerate dieses System ins Wanken.

Als Schrödl seine Befürchtungen verschriftlichte, rechnete er mit großem Widerspruch und Empörung der Menschen. In dem Kapitel „Chroniken des 21. Jahrhunderts“ wird sogar ein schockierendes Worst-Case-Szenario unserer Zukunft beschrieben. Doch anstatt des erwarteten Entsetzens stieß sein Buch auf kaum eine Form des Protests. Im Gegenteil: Die Menschen um ihn herum akzeptierten alles, was er geschrieben hatte. Damit hatte er sein Ziel verfehlt. Schrödl ist nämlich der Meinung, dass die Gesellschaft nur durchdrungen werden kann, wenn Daten und Fakten diskutiert werden. Man solle sich mit dem Stoff beschäftigen und ihn nicht einfach hinnehmen.

Schrödl wird nach Lesung des Textes gefragt, ob es sich bei der akuellen Klimasituation schon um ein Worst-Case-Szenario handle. Er antwortet, dass seit der Veröffentlichung des Buches im Jahr 2018 tatsächlich schon einiges eingetreten sei. Man nehme die kanadische Arktis, aus der heute schon so viel Methan austritt, wie es für das Jahr 2090 vorhergesagt war. Alles, was sehr schlecht für die Zivilisation sei, habe sich viel schneller verschlechtert, als es von Wissenschaftlern erwartet wurde.

Den Beginn der Einleitung aus besagtem Buch liest eine Schülerin vor und stellt direkt im Anschluss die Frage nach dem Stellenwert der globalen Bevölkerungsexplosion. Das Problem sei laut Schrödl kaum zu lösen. Die Menschen wollen Kinder bekommen und er persönlich würde auch nicht auf eines seiner drei verzichten wollen. Wie in so vielen anderen Bereichen auch sei das gesellschaftliche Denken in diesem Punkt privat und nicht global. In Entwicklungsländern bräuchten Eltern viele Kinder, da diese sie im Alter versorgen müssten, und es sei egoistisch von den Industrienationen, eine Verringerung der Geburtenziffer von ihnen zu verlangen.

Seine persönliche Ansicht ist sowieso, dass die Welt nicht gerettet wäre, wenn wir weniger Kinder bekämen, dazu sei der Ausstoß von Treibhausgasen zu zentral. Stattdessen fordert Schrödl stabile Sozialsysteme und eine gerechte Weltordnung und beruft sich wieder auf Schellnhuber. Beide sprechen von Kippproblemen. Wir müssen das Klimasystem im freien Fall aufhalten.

Der zweite gelesene Text stammt aus dem Kapitel: „Erst stirbt die Natur, dann der Mensch“. Die Frage dazu war, wie sich die industrielle Landwirtschaft auf Insekten auswirken würde. Schrödl stellte klar, dass es bei der Monokultur keine Artenvielfalt geben kann, die immer intensivere Landwirtschaft mit ihren hunderten Mitteln trage zum Aussterben der Insekten bei. Der dritte Text stammt aus dem Kapitel: Auf zum globalen Ökozid. Hier kam die Frage auf, ob wir den globalen Ökozid in 10 Jahren noch aufhalten könnten. Schrödl meint, dass bestimmte Gebiete, wie die abgebrannten Gebiete im Amazonas, sich nicht mehr erholen könnten. Er vergleicht dies mit einem Weißbierglas, das am Tresen steht und langsam runterfällt. Wir sind momentan bei dem Zeitpunkt, wo es anfängt zu kippen. Wir können es zwar noch mit aller Kraft auffangen, jedoch würde trotzdem ein Teil des Inhalts verloren gehen. Deshalb müssten wir anfangen, die Verantwortung in die eigenen Hände zu nehmen, anstatt andere zu verspotten, dass sie zu wenig machen. Naturschutz oder Klimaschutz löse keine Probleme, wir müssten beides durchsetzen. Als Einzelne sei das unmöglich. Die Gesellschaft müsse global 7 bis 10 % weniger C02 pro Jahr ausstoßen. Schrödl verweist auf die Seite www.Fußabdruck.de , wo jeder in einen kurzen Test machen kann und dann seinen ökologischen Fußabdruck angezeigt bekommt. Dieser zeigt, wie viele Erden benötigt würden, wenn jeder Mensch auf der Welt das gleiche Konsumverhalten hätte wie man selbst. Als Schrödl zum ersten Mal seinen Wert gesehen hat, wurde er Vegetarier. Denn es zähle jeder einzelne, der sich verändert.

Klimaziele bedeuten Co2-Neutralität bis 2035. Das sei nicht möglich. Doch die nötige Technik und das Wissen sei vorhanden. Woran liegt es also?

Laut Schrödl werde keine klimarettende Maßnahme adäquat durchgesetzt. Auch bekannte Politiker seien dieser Meinung. Doch wenn es in der Politik um Entscheidungen gehe, die unangenehm für die Gesellschaft sind, würden die meisten Politiker kneifen. Deshalb sei es wichtig, dass die Gesellschaft der Politik zeigt, welche Schritte sie gehen muss. Demos seien an dieser Stelle zwar nützlich, aber lange nicht genug. Er frage sich sowieso, warum es immer noch Parlamente gebe, vor denen niemand sitze. Die Schüler wollen sich aber nicht so leicht beschuldigen lassen. Die Frage eines Schülers, ob es nicht primär an den großen Konzernen läge, sich für das Klima zu engagieren, stößt auf viel Zustimmung. Was bringe es schon, wenn Privatpersonen den ökologischen Fußabdruck ihrer Haushalte minimieren, wenn es da draußen immer noch Industriegiganten gebe, die massenweise C02 ausstoßen, ihren Plastikmüll ins Meer befördern und nicht einsehen, dass sie damit aufhören müssen? In den eineinhalb Stunden sind sicherlich viele wichtige Fragen geklärt worden und obwohl Schrödl viele Lösungsansätze nennt, möchte er die Probleme in den Fokus der Diskussion stellen. Es gebe keine allumfassende Lösung, nur viele schwierige Lösungen. Um diese zu verstehen, müsse man die Breite der Probleme verstehen. Er befinde sich im Kontakt mit vielen Politikern aus fast allen Parteien und ihm sei aufgefallen, dass sogar viele Grüne Politiker nur wenig Ahnung von dem hätten, was gerade passiert.



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