Schüler schreiben

Nach der Olympiade ist vor der Olympiade: Hessens beste Jungbiologin Nina Rack im Gespräch mit der Altkönigschule. Das Interview führte ihre Schwester Kim Rack:

Die „Internationale Biologie-Olympiade“ (IBO), ein jährlich stattfindender Wettbewerb, der der Förderung biologisch interessierter und talentierter Jungforscher*innen dient, wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ausdrücklich unterstützt. Nina Rack, Schülerin des Biologie-Leistungskurses der Q2-Phase (11. Klasse), war es Anfang des Jahres gelungen, sich in der 3. Runde der IBO gegen 45 Mitbewerber*innen aus ganz Deutschland durchzusetzen und einen Platz unter den 13 besten Jungbiolog*innen zu erlangen!

Aufgrund des Corona-Shutdown war fraglich, ob die 4. Runde in Kiel am „Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik“ überhaupt würde stattfinden können. Aller Kritik zum Trotz: Deutschland ist offenbar doch digitalisiert genug, um in einer sog. „Remote-Runde“ die vier Olympioniken für den internationalen Wettbewerb in Nagasaki zu ermitteln.

Nach sechs Tagen und insgesamt über 25 Stunden Besprechungs- und Prüfungszeit vor dem Computer stand fest: Unsere Nina konnte sich zwar nicht für die letzte Runde in Japan qualifizieren, aber sie hat nicht nur viel für sich selbst und für ihre Zukunft erreicht, sondern befindet sich schon in der Startposition für die erste Runde der „Internationalen Chemie-Olympiade“ (IChO) Anfang 2021. Sie ist eben eine echte Naturwissenschafts-Olympionikin: Nach der Olympiade ist für sie vor der Olympiade!

Nina, bist Du mit deiner Platzierung zufrieden ?

Ich finde, mit dem 11. Platz bundesweit kann ich sehr zufrieden sein! Bis auf drei Teilnehmer, zu denen auch ich gehöre, haben alle anderen sich zwar zusätzlich auf ihr Abitur vorbereitet, aber das war auch nicht deren erste Biologie-Olympiade. Die meisten kannten sich schon von früheren „IBOs“ oder anderen Wettbewerben her, nehmen zum Teil schon seit der 8. Klasse an ihnen teil, sind also auch mit dem Stoff besser vertraut. Natürlich hätte ich mich über eine bessere Platzierung gefreut.

Erkläre uns doch bitte mal den Begriff „Remote-Runde“.

Man könnte das mit „Video-Konferenzen“ per „Zoom“ (Anm. der Red.: Computer-Programm des gleichnamigen US-amerikanischen Unternehmens aus Kalifornien) übersetzen. Wir haben über diese Plattform alles erledigt: Vorträge, Klausuren, (Nach-) Besprechungen, sogar die Siegerehrungen! Zudem brauchten wir einen „Dropbox“-Zugang (Anm. der Red.: Dateiablage, die es Nutzern erlaubt, Dateien über das Internet auf dem zentralen Datenspeicher des gleichnamigen Unternehmens mit Sitz in den USA abzulegen). So erhielten wir alle gleichzeitig die Aufgaben, bearbeiteten diese und luden sie wieder hoch. Über den Zeitstempel war zu sehen, wer wann was abgegeben hat.

Wie viele Tests gab es eigentlich ?

In der 3. Runde in Kiel wurde zentral eine zweiteilige viereinhalbstündige Theorie-Klausur geschrieben und es waren drei praktische Prüfungen à 75 Minuten zu absolvieren. So weit, so normal. In der Vorbereitungsphase zur 4. Runde schrieben wir bereits drei Multiple-Choice-Tests (Ankreuztests), für die man je zwischen 20 bis 40 Lernblätter erhalten hatte, und man musste zudem komplexe Aufgaben aus allen Bereichen der Biologie bearbeiten. Nur zur besseren Vorstellung: Meine Antworten haben 30 Seiten gefüllt! Außerdem müssen alle in dieser Runde eine Präsentation zu einem Kapitel aus dem „Campbell“ vorbereiten und halten. Der „Campbell“ ist übrigens ein 1750 Seiten dickes Bio-Lehrbuch, quasi die „Bibel der Biologen“ im Studium! In der 4. Runde selbst schrieben wir auch wieder eine viereinhalbstündige Theorie-Klausur und hätten zusätzlich mehrstündige praktische Prüfungen absolvieren müssen. Da das wegen des Shutdown schlecht möglich war, wurden die praktischen Ergebnisse aus der 3. Runde gewertet, und wir haben eine zweieinhalbstündige „praktische“ Bioinformatik-Klausur geschrieben. Insgesamt hatte ich also 14 Prüfungen, 8 davon in der 4. Runde!

Nina, wir zollen Dir unseren allergrößten Respekt! Vor allem deswegen, weil Du all dies quasi neben dem zurzeit gar nicht so „normalen“ Schulbetrieb gemeistert hast! Würdest Du es nochmals machen und wenn ja, wie fände das eigentlich deine Familie?

Ja, ich glaube, ich würde es noch mal machen! Klar, es ist super viel Arbeit und super anstrengend, ja, ich hatte seit gut einem halben Jahr kaum einen freien Tag mehr, aber obwohl man manchmal verzweifelt, ist es auch super interessant. Ich habe dabei so unglaublich viel gelernt, und das ist für mich etwas total Positives: Ich weiß nun mit komplexen Aufgaben umzugehen, mithilfe einer gezielten Stichwortsuche Recherche zu betreiben, aus mehreren Artikeln regelrechte Informations-Happen zu einem Puzzle zusammenzusetzen. Ich bin außerdem selbstständiger und erwachsener geworden, komme mit weniger Schlaf und mehr Stress zurecht. Jetzt, da ich weiß, wie alles abläuft und was auf mich zukommt, da ich mir einen Großteil an Wissen nicht mehr neu aneignen, sondern nur wiederholen müsste, würde mir die IBO viel leichter fallen. In der IBO haben mir zudem alle geraten, jetzt dabeizubleiben und nochmals teilzunehmen. Meine Familie würde mich auch weiterhin so toll unterstützen, aber es wäre ihr lieber, wenn ich es ließe. Ich weiß also noch nicht, ob ich erneut teilnehme.

Digital oder analog? Wie bevorzugst Du die Biologie-Olympiade?

Es war schon sehr schade, dass ich die anderen Teilnehmer und Betreuer nur auf dem Bildschirm gesehen habe und es gar nicht zu nicht-fachlichen Gesprächen kommen konnte. Die anderen Teilnehmer sind echt „krass“, aber abends nach den Klausuren würden alle miteinander quatschen, feiern, tanzen usw. Das hat alles nicht stattgefunden, ebenso wenig wie die geplanten Exkursionen. Und dennoch: Da auch die Schule geschlossen war, konnte ich mir zu Hause meine Zeit selbst einteilen und an vielen Stellen schneller arbeiten, als dies im Unterricht der Fall ist.

Was hat Dir die Teilnahme eigentlich für Dein persönliches Fortkommen gebracht?

Ich bin der Altkönigschule und dem Netzwerk der MINT-eC-Schulen generell total dankbar für die Möglichkeiten, die sich mir als Teilnehmerin dadurch eröffnen. Ich bin z. B. jetzt bereits Mitglied im Verband „Biologie, Biowissenschaften & Biomedizin“ (VBIO) sowie im Förderverein der Biologie-Olympiade, der von bekannten deutschen Unternehmen wie „Eppendorf“ (Hamburg) oder Merck (Darmstadt) unterstützt wird und u. a. auch Stellenangebote vermittelt. Außerdem habe ich Zugriff auf die Wiley Online Library (Anm. d. Red.: Wiley & Sons ist ein US-amerikanischer Verlag für wissenschaftliche Literatur und ist an der New Yorker Börse registriert).

Eine letzte Frage, Nina: Machst Du jetzt erst mal eine Pause?

Also: Aktuell sitze ich an der 1. Runde der IChO, die ist für mich als Teilnehmerin des Chemie-Leistungskurses verpflichtend. Aber in den ersten drei Wochen der Ferien habe ich endlich Urlaub, darauf freue ich mich total! Danach bin ich vier Wochen lang im Praktikum am „Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen“ in Dresden. Und danach geht ja die Schule wieder los. Ich gehe nicht davon aus, dass ich bis zum Abi noch viel Freizeit haben werde!

Liebe Nina, vielen Dank für die Zeit, die Du Dir für das Gespräch genommen hast!



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