Spannende Reise in die Zukunft der Altstadt

Kronberg. – „Wie geht es weiter mit dieser Stadt und insbesondere der Altstadt? Seit Jahrzehnten geht die Grundversorgung zurück, in der Altstadt gibt es – neben den Glücksfällen Schreibwarengeschäft und Buchhandlung – für den täglichen Bedarf nur noch Bäcker. Wohin geht die Entwicklung und welche Möglichkeiten hat eine Stadt, diese Entwicklung zu beeinflussen“? So begrüßte der SPD-Fraktionsvorsitzende Christoph König die rund 30 Teilnehmer, die sich zum Willkommens-Snack im Recepturhof versammelt hatten – trotz großer Hitze.

Wie tiefgreifend sich die Kronberger Altstadt im Lauf weniger Jahrzehnte gewandelt hat und wie rasant dieser Wandel in den letzten Jahren war, schilderten der ehemalige Leiter des städtischen Kultur- und Verkehrsamtes, Horst Neugebauer, und der langjährige Altstadtkreisvorsitzende Hans-Willi Schmidt, sowie die Kronbergerinnen und Kronberger selbst.

Verlagerung des Marktplatzes

Die Altstadt war einst ein echtes Zentrum mit Markt, Handwerksbetrieben, vielen Geschäften und buntem Treiben im Alltag. Die Handwerker sind inzwischen umgezogen oder ganz weg, viele Geschäfte existieren nicht mehr. Bei der spontanen Co-Führung durch Kronberger, die erklärten, in welchen heutigen Wohnhäusern einmal welche Geschäfte waren, wurde es richtig wehmütig.

Es tut sich was

Es gibt aber auch sehr positive Entwicklungen: Die Kronberger Lichtspiele sind nicht nur Programmkino, sondern auch Kulturinstitution. Die Inhaberin Vanessa Müller-Raidt lud hinter die Kulissen ihres Kinos ein, das auch ein Treffpunkt der Vereine ist und mit einem Mix aus Filmkunst, Opern-Übertragungen und Veranstaltungen einer der Kultur-Hotspots der Stadt ist und für Leben in der Altstadt sorgt. Dank neuer Klimaanlage ist das Kino auch zu einem Erholungsort an heißen Sommertagen geworden. Große Frequenzbringer sind in der Friedrich-Ebert-Straße auch die Bücherstube Sackis, ebenfalls mit vielen Kulturveranstaltungen, der glücklicherweise weitergeführte Schreibwarenladen Limberger mit großem Sortiment und persönlicher Beratung und das neue, sehr beliebte Café. Entwicklungen, die Hoffnung auf mehr machen. Wie etwa die geplante Sanierung und Öffnung des Dingeldein-Hofs für die Öffentlichkeit. Der Stadtplaner und Architekt Klaus Grabowski und Albert Sanftenberg vom Vorstand der Dingeldein-Stiftung ermöglichten ebenfalls einen Blick hinter die Kulissen und stellten ihre Planung vor. In etwa zwei Jahren könnte der neu gestaltete alte Dingeldein-Hof fertig sein und mit der dann hergerichteten alten Scheune einen weiteren kulturellen Ankerpunkt bilden.

„Wir packen an“

Vor 25 Jahren entschieden einige Altstadtbewohner selbst anzupacken, statt darauf zu warten, dass „die Stadt“ etwas macht. Sie gründeten den Altstadtkreis, der heute 560 Mitglieder hat, auch außerhalb der Altstadt und über Kronberg hinaus. Mit Ideen und Muskelkraft haben die Vereinsmitglieder Plätze neu gestaltet, das Kronthaler Quellwasser in den Brunnen am Tanzhausplatz gebracht, gepflanzt, Bauherren beraten, mittlerweile etablierte Märkte und Feste ins Leben gerufen. Kronberger Unternehmen und die Stadtwerke haben sie dabei immer tatkräftig unterstützt. Heute erstrahlt die Altstadt in einem Glanz, um den andere Altstädte Kronberg beneiden. Nachbarstädte kopieren Märkte und Feste, die hier erfunden wurden. Der Altstadtkreis packt jedoch nicht nur an, er unterstützt Projekte auch kräftig mit Spenden und ehrenamtlicher Hilfe, etwa durch die Arbeitskreise Handwerk und Service.

Professionelles Stadtmarketing

Seit Jahren drängt die SPD auf ein professionelles Stadtmarketing, das Einzelhandel, Gastronomie und Tourismus unter ein gemeinsames Dach bringt und neue Impulse setzt. Nun endlich kommt Bewegung in die Sache: Im Spätsommer soll das von der Stadt in Auftrag gegebene Konzept vorgestellt werden. Bei den Haushaltsberatungen im Oktober können die Fraktionen beraten, was, wie und mit welchem Budget umgesetzt werden soll. Horst Neugebauer mit seinen Jahrzehnten Erfahrung im Kulturbetrieb drückte seinen dringenden Wunsch aus: „Wir können unsere Stadt nur weiterentwickeln, wenn alle Fraktionen zusammenarbeiten. Bitte vergesst doch mal euren verständlichen Wunsch nach Profilierung und arbeitet gemeinsam.“

Tipps aus Bad Camberg

Nach der – wie immer, wenn Horst Neugebauer durch die Stadt führt – intensiven, aber viel zu kurzen Reise durch die Altstadt-Geschichte kehrte die Gruppe in das Traditions-Gasthaus „Zum Weinberg“ in der Steinstraße ein.

Bei leckerem Essen, Wein, Äppler und Bier tauschten die Teilnehmer ihre Eindrücke aus. Der langjährige, jetzt ehemalige Bürgermeister von Bad Camberg, Wolfgang Erk, gab Tipps: Finanzielle Förderungen durch Bund und Land beantragen, mit einem guten Stadtplanungsbüro zusammenarbeiten – auch das wurde bereits versucht, mit demselben Büro wie das, das in Bad Camberg beraten hatte –, Stadtplanungsstellen in der Verwaltung schaffen, Geschäftsleute mit Bezug zur Stadt finden, wenn Geschäfte aufgeben und Nachmieter gesucht werden.

An Stadtmarketing und Wirtschaftsförderung arbeiten in Bad Camberg insgesamt vier Vollzeitbeschäftigte – in Kronberg gibt es derzeit nur eine Vollzeitstelle für Wirtschaftsförderung & Öffentlichkeitsarbeit und der Bereich Stadtplanung bräuchte auch dringend mehr Personal. „Man braucht Ortskundige, die mit dem Herzen dabei sind“, sagte Wolfgang Erk. Daran besteht in Kronberg zumindest kein Mangel.

Die Teilnehmer wünschten sich eine Anbindung des zukünftigen Bahnhofsquartiers an die Burg, etwa mit einem ausgewiesenen Erlebnisweg durch den Viktoriapark, eine städtische Tourismusinformation, mehr Tourismusangebote für Kurzzeitbesucher, bezahlbare Wohnungen, „damit die Menschen, die in Kronberg arbeiten, auch in Kronberg leben können, sonst kommen sie erst gar nicht oder wandern ab, ebenso wie Betriebe“, Wohnungsbau durch Genossenschaften, kostenlosen Eintritt auf die Burg, wenn dort Märkte und Feste stattfinden, mehr Radwege und E-Bike-Infrastruktur mit Ladesäulen, eine Ausschilderung in der Tiefgarage Berliner Platz, wie man wo zu Fuß hinkommt, eine stundenweise Park-Erlaubnis für Reisebusse auf dem Berliner Platz und insgesamt: Eine Stadt für alle und nicht nur für Wohlhabende – denn diese Tendenz ist unübersehbar.

Aus seiner eigenen Erfahrung berichtete der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende und mit mehr als 40 ununterbrochenen Mandatsjahren kommunalpolitisch erfahrene Wolfgang Haas: „Mir gehört dieses Haus, in dem wir gerade sitzen und diskutieren. Seit 8 Jahren habe ich ein Wirts-Ehepaar und das Lokal ist für seine hervorragende Küche und familiäre Atmosphäre ein Fixpunkt im Kronberger Leben. Warum klappt das? Weil ich keine ‚marktübliche Miete‘ verlange, damit auch die Wirte ihr Auskommen haben können. Mir ist wichtiger, dass der Laden läuft, als dass ich an der Miete verdiene.“ Für sein Schlusswort:

„Politik und Stadtverwaltung haben zwar Einfluss, aber nicht darauf, wer wem für wie viel Geld einen Laden oder eine Wohnung vermietet und wer wem sein privates Grundstück verkauft. Der wachsende Egoismus und die Profitgier machen die größten Bemühungen der Öffentlichkeit zunichte“, gab es heftigen Applaus. (mw)



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