Spaßmoleküle im Gehirn durch Musik – Wohlbefinden

Ein Vortrag von Prof. Dr. Stefan Kölsch im Casals Forum Foto: Patricia Truchsess

Kronberg (aks) – Ob alt oder jung, ob neugeboren oder an Alzheimer erkrankt, Musik schafft Wohlbefinden, weil sie „die Spaßmoleküle“ im Gehirn aktiviert. Diese These erläuterte Prof. Dr. Stefan Kölsch, Geiger, Soziologe und Psychologe anschaulich im Crespo Foyer des Casals Forum am Sonntagnachmittag vor 80 Gästen - eine besondere Gelegenheit für viele, das Casals Forum von innen zu erleben und Musik unter einem neuen Aspekt kennen zu lernen.

„Good vibrations – heilsame Wirkungen von Musik“, so lautet der Titel des Vortrags und des neuen Buchs des Neurowissenschaftlers, der an der Universität Bergen in Norwegen lehrt. Kölsch machte mit einem kleinen Experiment deutlich, wie viel Musik in uns allen steckt und wie viel Gemeinschaft sie stiftet. Dazu bat er alle Anwesenden im Takt zu klatschen und zu Klavierakkorden einzelne Töne zu singen. „Sehen Sie, Sie lächeln!“ – tatsächlich wirkten die Zuhörer heiter und schienen sich gut zu fühlen. Seine These von der Heilkraft der Musik scheint plausibel, doch er selbst nennt seine Studie „verwegen“: Vor 20 Jahren hätte man noch nicht erkannt, dass Musik jedes System im Gehirn aktivieren kann. Eine Erkenntnis, die sehr gut in der Therapie umsetzbar sei. Menschen könnten aus „der Hölle der negativen Stimmungen“ herausgeführt werden – mit Musik. „Jeder ist musikalisch, weil das Gehirn musikalisch ist“, so Kölsch. Die volle Konzentration auf Musik sorge für einen positiven emotionalen Spannungsverlauf, besonders das Mitklatschen, Mitsingen und Tanzen. So entspannt Musik den ganzen Körper und versetzt uns in eine gute Stimmung. Wir empfinden Glück und sogar Liebe. Eltern von Neugeborenen, die „hochsensibel für die Musik der Stimme sind“, können davon ein Lied singen. Wiegenlieder beruhigen nicht nur das Kind, sondern auch die singenden Mütter und Väter.

Musik als Imitation der menschlichen Stimme, die Emotionen ausdrückt und biologische Signale sendet, werde überall auf der Welt verstanden. Sprache und Musik seien Teil der menschlichen Kultur.

Kooperation wird gefördert

„Eine Welt ohne Musik ist eine Welt ohne Menschen“. Musik zu erleben, sei die einfachste mentale Funktion, die den Menschen vom Tier unterscheide. Gemeinsam Musik zu machen sei ein entscheidender evolutionärer Schritt gewesen. Durch diese senso-motorische Fähigkeit entstehe Gemeinschaft, vom ICH zum WIR – und zwar durch Freude und ganz ohne Zwang. „Musik macht die Welt vorhersagbar – weniger bedrohlich.“ Das fördere nicht nur Vertrauen und Kooperation, sondern habe einen positiven Einfluss auf die Gesundheit. Das ist auch der Grund, warum Neugeborene sich beruhigen und bei Alzheimer-Patienten Erinnerungen an ihr musikalisches Gedächtnis stimuliert werden, damit sie sich wohler fühlen. Kölsch erzählt vom Beispiel eines Mannes, der nicht mehr richtig sprechen konnte, aber ein Geburtstagsständchen verständlich singen konnte. Die Hoffnung, dass Menschen durch singen wieder sprechen lernen könnten, hält Kölsch für berechtigt und bahnbrechend für neue Musik-Therapien.

Die Emotionen, die Musik auslöst, seien messbar: Vom Schweißausbruch bis zum Schock ebenso wie von der Gänsehaut bis zum Tränenfluss. Und was macht Musik angenehm? „Die richtige Dosis: Die richtige Mischung aus Überraschung und Sicherheit – das ist die Formel, die Musik angenehm macht.“ Noch eine gute Botschaft hat der Wissenschaftler für uns: Die Spaß-Moleküle im Gehirn halten jung und sie haben eine positive Wirkung auf unser Unterbewusstsein. So könnten Menschen lernen mit Depressionen und chronischen Krankheiten umzugehen. Musik könne zu mehr Balance im Leben führen. Geforscht werde mit Hochdruck daran, ob das Glückssystem auch neue Stammzellen produziere. Kölschs Kommentar: „Die bisherigen Daten sehen gut aus!“ Man sollte also nicht zu spät damit anfangen, sein Gehirn in gute Schwingungen zu versetzen: Wenn das Gedächtnis schlechter werde, sei es höchste Zeit im Chor zu singen oder einen Tanzkurs zu machen. „Musik machen hält jung!“ Dabei helfe die Musik von Bach ebenso wie Heavy Metal. Klassik oder Techno, Hauptsache „Gänsehaut-Musik“ mit viel Dopamin-Ausschüttung. Der klare Appell des Forschers kam gut an und machte Lust, das nächste Tänzchen oder ein Rudel-Singen nicht noch weiter aufzuschieben.



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