„Stopp, jetzt rede ich!“ – Nein zu Gewalt an Frauen

Der Gewalt und der Gleichgültigkeit der Gesellschaft etwas entgegenzusetzen, das war der Grundtenor der höchst beklemmenden Performance der Schülerinnen und Schüler des AKS-Kurses „Darstellende Kunst“, hier mit Kunstlehrer Thomas Böhm, der mit seinen Leistungskursschülerinnen die Ausstellung „Kunst gegen Gewalt“ vorbereitet hatte.

Foto: Zitzewitz

Kronberg (cz) – Eine junge Frau tritt nach vorne, hebt ein Blatt Papier vom Boden auf und liest vor: „Die Familie wird Dich verstoßen, hat er gesagt.“ Eine Gruppe junger Männer wiederholt diesen Satz immer wieder, flüsternd, eindringlich: „Die Familie wird Dich verstoßen.“ „Dir glaubt doch eh keiner, hat er gesagt“, „Du hast es nicht anders verdient, hat er gesagt“, „Du bist selbst schuld, hat er gesagt“, „Du gehörst mir, hat er gesagt“, „Das ist doch normal in einer Ehe, hat er gesagt“, „Er wird Dich überall finden, hat er gesagt!“ Der Aufschrei der jungen Frauen: „Stopp, jetzt rede ich!“ holt die Zuschauer dieser eindringlich beklemmenden Performance der 11. Klasse Darstellendes Spiel von Yvonne Erber zurück in die Wirklichkeit der Stadtbücherei.

Hier wird noch während der kommenden zwei Wochen, als Teil des Aktionstages „Nein zu Gewalt an Kindern und Frauen“, die soeben eröffnete Ausstellung von 17 AKS-Schülerinnen unter dem Motto „Mit Kunst gegen Gewalt“ zu sehen sein. Unter der Leitung von Thomas Böhm setzte sich der Leistungskurs mit der Malerin Frida Kahlo de Rivera auseinander, indem sie Werke der Malerin umgestalteten, mit dem Fokus, ein Zeichen zu setzen gegen die Gewalt an Frauen.

In seiner Eröffnungsrede hebt Stadtverordnetenvorsteher Andreas Knoche die Parallelen des Werks der mexikanischen Künstlerin zu dem Thema Gewalt hervor. „Ihre Schicksalsschläge, ihr Schmerz und ihre Liebe – all das sind Erfahrungen, die sich in ihren Werken widerspiegeln. So wird ihre Kunst Ausdruck ihrer seelischen und körperlichen Qualen.“

Die Kriminalstatistik, so Knoche, spreche eine deutliche Sprache. So seien in Deutschland 2017 141 Frauen durch ihren Partner zu Tode gekommen. Opfer von partnerschaftlicher Gewalt waren zu 82% Frauen, Tatverdächtige zu 80% Männer. „Das BKA meldet für 2017 mehr als 63.700 Fälle von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, davon allein 11.000 Fälle von Vergewaltigung und sexueller Nötigung, die Opfer zu 93% Frauen.“ Die Istanbul-Konvention, ein 2011 vom Europarat ausgearbeiteter völkerrechtlicher Vertrag, schaffe seit vergangenem Jahr auch in Deutschland endlich verbindliche Rechtsnormen gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt“, so Knoche.

„Dieses Übereinkommen ist das erste verbindliche Instrument im europäischen Raum zum Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen. In der Konvention sind auch Artikel zur Prävention, Intervention und Unterstützung bei Gewalt gegen Frauen und Mädchen enthalten. Außerdem legt die Konvention fest, dass Hilfsdienste (Fachberatungsstellen) und Schutzeinrichtungen vorhanden sein müssen“, konstatiert Knoche. In diesem Zusammenhang verwies der Stadtverordnetenvorsteher auf die gemeinsame Aktion mit dem Zonta-Club Bad Soden-Kronberg, „Orange the World“, welche weltweit am 25. November öffentliche Gebäude in orangefarbenes Licht taucht, so auch die Kronberger Burg (wir berichteten).

Abschließend ermutigte Knoche die Anwesenden zu Aufklärung und Zivilcourage, ob in den Krisenregionen dieser Welt oder direkt vor unserer Haustüre.

„Nein zu Gewalt, nicht wegschauen, sondern Zivilcourage zeigen!“

Betrachtet man die beeindruckenden Arbeiten der Schülerinnen wird sofort klar, wie intensiv sie sich mit diesem Thema auseinandergesetzt haben. „Begonnen hat unsere Arbeit mit einem Impulsvortrag des Vereins „Frauen helfen Frauen – Hochtaunus e.V.“, erklärt Thomas Böhm, „Glaubenssätze (innere Überzeugungen) wurden so zum Dreh- und Angelpunkt unseres weiteren künstlerischen Arbeitens. Ziel des Kurses war es, positive Glaubenssätze zu formulieren und Frauen darin zu bestärken, sich nicht alles gefallen zu lassen oder für selbstverständlich zu nehmen“, so der Kursleiter.

„Frida Kahlo, eine starke Frau der Kunstgeschichte, nahmen wir uns als Vorbild“, so Böhme und zitiert Fridas Mann Diego Rivera.

„In Fridas Werk herrscht nicht die Tragödie. Das ist von vielen Menschen falsch verstanden worden. Die Finsternis ihres Schmerzes ist nur der samtartige Untergrund für das wunderbare Licht ihrer körperlichen Intelligenz und der unbesiegbaren Kraft, mit der sie um das Leben kämpft, um ihren Freunden, den Menschen, zu zeigen, wie man feindseligen Mächten widerstehen, über sie triumphieren und zu einem höheren Glück gelangen kann.“

Zu jedem Bild haben die Schülerinnen ihre eigenen Glaubenssätze formuliert und die damit verbundenen Änderungen am Original erklärt.

Zum Abschluss der Veranstaltung überreichen Heike Stein, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, und Thomas Böhm den jungen Künstlerinnen je eine orangefarbene Rose, erinnernd an Frida Kahlo, die sich bekanntermaßen gern mit Blumen geschmückt portraitierte.

„Mein größter Wunsch wäre, dass solche Veranstaltungen wie die heutige nicht mehr von Nöten wären“, konstatiert Heike Stein, „aber so weit sind wir in dieser Welt leider noch lange nicht.“

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