„(S)Türmisches“

Korrektes Essen mit Messer und Gabel ist in unserer Welt angesagt und zeugt ja bekanntlich von guter Kinderstube. Gute Manieren nach Knigge gehören schließlich zum guten Ton und haben schon manche Tür geöffnet, ganz ohne Worte und ohne Zeugnis – beim gemeinsamen Lunch. Benimmkurse und Vorstands-Coachings haben Hochkonjunktur. Dabei essen die meisten Menschen mit Händen oder Stäbchen – 6 Milliarden können sich doch unmöglich irren!

Auch Kleinkinder essen spontan mit den Händen und be-greifen so am besten Aussehen, Temperatur und Textur der Speisen, die ihnen angeboten werden. Es liegt also tatsächlich auf der Hand, dass die meisten Menschen auf der Welt ihrem natürlichen Bedürfnis folgen und ihre Hände zum Mund führen, die hat man ja immer dabei. Ein äthiopischer Prinz erzählte mir einmal, dass die vielen Gewürze seiner Heimatküche, wo einst auch der Kaiser mit den Händen aß, auf diese Weise nicht nur über den Gaumen, sondern auch über die Haut aufgenommen werden – und so einige Sinne mehr anregen als das Stochern in unergründlichen deutschen Eintöpfen (nichts gegen Eintöpfe!). Stellen Sie sich das vor: Kardamom, Chili und Rosenwasser... nicht nur Salz auf unserer Haut. Weniger atavistisch geht es seit Konfuzius in Asien zu. Es ist äußerst energiesparend, Lebensmittel klein zu schneiden und dann zu garen, man kann die Stückchen am besten mit Stäbchen aufnehmen – und auch wichtig: Nichts sollte bitte an das Tier im lebendigen Zustand erinnern. Eine Wildschweinkeule im Ofen? Undenkbar für Japaner und Chinesen, die ja auf ihren Wildtiermärkten so allerlei halblebendige Geschöpfe – garantiert nicht aus heimischen Wäldern – lieber auf Bonsai-Format reduzieren. So erkennt der Gast an der Tafel garantiert nicht, ob es sich um Schuppentiere oder Fledermäuse handelt (Corona lässt grüßen). Essen mit Stäbchen lernt man übrigens am besten mit Sushi-Häppchen, appetitlich grün mit Avocado und Gurke… Das sieht in jedem Fall schöner aus als ein blutiges Steak, das mit Messer und Gabel so zerfleddert wird, als müsste er oder sie dem Rind noch einmal den Garaus machen. Wie heißt es so schön: Das Auge isst mit, die Ohren natürlich auch. Das gilt übrigens auch für Tischgespräche. Leicht sollen die Themen sein und nicht politisch: Die K-Frage hat am Tisch nichts zu suchen. Und vor allem (mal) nicht über Corona reden!

Wie wären stattdessen sehnsuchtsvolle Reiseberichte aus fernen Ländern – wo man leidenschaftlich gern den koreanischen Schweinebauch in Sesamblätter wickelt oder äthiopische Injera-Fladen in mundgerechten Häppchen mit scharfen roten Linsen isst ...probieren Sie es aus!

Schauen Sie einfach den Kleinsten beim Essen zu, die genießen in herrlicher Unbefangenheit alles, was es zu genießen gibt. Das bringt mich zu der F-Frage:

Ist Fast Food vielleicht deshalb so beliebt, weil der Fast-Feinschmecker mit Wonne das heruntertriefende Ketchup und andere Saucen von den Fingern leckt? Mit Lust Tabus brechen – Knigge off limits!



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