Tragen Richard Godfreys Recherchen zum Fund des Absturzwracks bei?

Meeresboden am Absturzort – 33.177° südlich 95.300° östlich – Tiefe 4.000 m

Grafik: Australische Behörde

Kronberg (pu) – Am 8. März 2014 verschwand eine mit zwölf Besatzungsmitgliedern und 227 Passagieren besetzte Boing 777 der Malaysia Airlines mit der Flugnummer MH370 (und via Codesharing mit China Southern Airlines CZ748) auf ihrem Linienflug von Kuala Lumpur nach Peking aus der Überwachung der Flugverkehrskontrolle. Neben Ermittlungsbehörden, Fachleuten und Unternehmen versuchen seitdem offenbar auch zahlreiche Hobbyermittler, Licht in das als größtes Rätsel der Luftfahrtgeschichte bezeichnete Dunkel zu bringen. In jüngerer Vergangenheit macht der seit mehr als 20 Jahren in Kronberg lebende pensionierte Luft- und Raumfahrtingenieur Richard Godfrey durch seine in Presse und Fernsehen veröffentlichten Erkenntnisse Hoffnung, dass die Suche nach dem vermissten Flugzeug doch noch von Erfolg gekrönt werden könnte.

Motivation

Wie der im englischen Bristol geborene 71-Jährige im Gespräch mit dem Kronberger Boten verrät, hat er seit dem Verschwinden des Flugs MH370 Großteile des Tages mit der Datenrecherche zur Eingrenzung der mutmaßlichen Absturzstelle verbracht. Antriebsfeder sei sein eigenes, nur dem Zufall zu verdankendes, Entkommen einer ähnlichen Katastrophe gewesen. „Ich bin im Laufe meines beruflichen Lebens durch die ganze Welt gejettet und war im Rahmen eines Großprojekts in Brasilien ursprünglich auf den am 1. Juni 2009 in den Atlantik abgestürzten Flug AF447 von Rio nach Paris gebucht. Mein damaliges Überleben verdanke ich einzig dem Umstand, dass ich unplanmäßig länger in Brasilien bleiben musste.“ Als ihn die schlimme Nachricht vom Absturz erreichte, verfolgte er aus nachvollziehbaren Gründen die sich über fast zwei Jahre hinziehende Suche nach dem Wrack im Detail. „Aufgrund der damals gesammelten Erfahrungen habe ich beim Verschwinden des Flugs MH370 sofort die Parallelen gesehen“, beschreibt Godfrey die Motivation, die ihn veranlasste, sich derart umfassend mit den Geschehnissen zur in Malaysia gestarteten Boing 777 zu befassen.

Neue Erkenntnisse

Die ersten Jahre sammelte er vor allem alle für ihn erreichbaren Inmarsat-Satellitendaten, Betriebsangaben des verschwundenen Flugzeugs samt Treibstoffmenge sowie Strömungswerte aus dem Indischen Ozean. Dort wird das Wrack vermutet. Nach und nach wuchs Godfreys Netzwerk, sodass er sukzessive mit immer mehr Menschen in Kontakt kam, die sich ebenfalls mit dieser Thematik befassen und daraus resultierend immer mehr Einzelheiten miteinander verknüpfen konnte. So kam nach Angaben des beharrlichen Briten im letzten Jahr auch die Verbindung zu einem Darmstädter Elektrotechnikingenieur und Amateurfunker zustande, die neuen Zug in die Angelegenheit bringen sollte.

Dabei spielen als nunmehr vierte Datenquelle WSPR-Whispernet-Daten der Funkamateure eine tragende Rolle. Dazu muss man wissen, über dem Ozean gibt es kein Radar. Die von Flugzeugen versendeten Funksignale werden, so erklärt es Richard Godfrey, vom Inmarsat-Satellitennetz, das mit vier geostationären Satelliten arbeitet, die circa 36.000 Kilometer über dem Äquator installiert sind, jede Stunde aufgefangen. Im Gegensatz dazu werden zwischen Amateurfunkern weltweit alle zwei Minuten Hunderte solcher Verbindungen ausgetauscht. „Bis vor einem Jahr ist meines Wissens niemand auf den Gedanken gekommen, dass man diese zur Flugverkehranalyse nutzen könnte.“ In dieser gewonnenen Erkenntnis machten sich die beiden Hessen an die Arbeit; der Darmstädter Ideengeber an die Grundlagenforschung, der in der Burgstadt lebende an die Anwendung in Bezug auf Flugzeugtracking. Dazu entwickelte Godfrey eine eigene Software.

Aus den historischen Funkdatenbanken filterte er für den infrage kommenden Zeitraum am 7./8. März 2014 fast 70 000 Whispernet-Links heraus. Die Kombination aus allen vier verschiedenen Datenquellen weisen laut dem 71-jährigen alle auf eine sehr viel enger eingrenzbare mögliche Fundstelle am Meeresgrund hin, wo seiner Auffassung nach eine erneute Suche ihren Beginn nehmen sollte.

Bisherige Annahmen

Die Nachforschungen nach der in Kuala Lumpur gestarteten Boing 777 der Malaysia Airlines gestalteten sich von Anfang an mehr als schwierig. Vermuteten die Behörden zunächst den Absturzort im Golf von Thailand, mussten sie diese Annahme revidieren, nachdem ein unerklärlicher Kurswechsel offenkundig wurde. Nach wie vor tappen Flugunfallermittler im Dunkeln, warum die Satellitenverbindung zum Flugzeug zeitweise unterbrochen war und was an Bord passierte, bis der Flug nach vorliegenden Daten und Berechnungen westlich von Australien endete. Erst am 29. Juli 2015 tauchte als erstes Indiz für einen tatsächlichen Absturz bei Saint-André auf der Insel La Réunion eine von einem Einwohner gefundene Flügelklappe auf. Ende Februar 2016 der nächste Fund eines Trümmerteils an einem Strand in Mosambik.

Nach Richard Godfreys Unterlagen sind inzwischen 36 Wrackteile gefunden worden. Keine Spur jedoch nach wie vor vom Hauptwrack und dem Flugschreiber trotz der bisher teuersten Suchaktion in der Geschichte der Luftfahrt, an der sich zahlreiche Staaten beteiligten und die sich zuletzt auf den südlichen Indischen Ozean konzentrierte.

Ball liegt bei Behörden

Wie der Luft- und Raumfahrtingenieur schmunzelnd berichtet, waren seine Recherchen anfangs eher „ein Ärgernis“ für die Behörden. Inzwischen habe sich diese Sichtweise deutlich geändert. Beispielsweise werde sein Name in einem australischen Schlussbericht erwähnt.

Und damit nicht genug. Godfrey zufolge liegt sein Exposé mit den gesammelten Ergebnissen inzwischen sowohl der australischen Flugunfalluntersuchungsbehörde ATSB als auch den malaysischen Behörden und dem Privatunternehmen Ocean Infinity, das 2018 die Suche nochmals aufgenommen hatte, vor. Zum aktuellen Zeitpunkt werde darüber beratschlagt, ob auf dieser Grundlage eine neue Wrackaufspüraktion im südlichen Indischen Ozean starten soll.

Im Gegensatz zu früher, als insgesamt etwa 240.000 Quadratkilometer durchsucht wurden, spricht Richard Godfrey von einem „vielleicht 300 Quadratkilometer großen Suchgebiet.“ Im schlechtesten Fall durch nicht gänzlich auszuschließende Falschberechnungen handele es sich unter Umständen um 1.000 Quadratkilometer. „Das ist eine zuvor nicht dagewesene Präzision. Ich bin zuversichtlich, dass nach Zustimmung der Behörden und den notwendigen längeren Vorbereitungsarbeiten im Südsommer ein neuer Anlauf unternommen und das Wrack von MH370 endlich gefunden wird.

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