Unveränderte Situation in Sachen Tauschflächen – Diskurs um zukünftige Flächennutzung hält an

Kronberg (pu) – Der Regionale Flächennutzungsplan (RegFNP) als das wesentliche, gesetzlich vorgesehene Planungsinstrument des Regionalverbandes Frankfurt-Rhein-Main wird derzeit für das „Zieljahr“ 2030 neu aufgestellt. Vor diesem Hintergrund sind auch in Kronberg bereits Entscheidungen hinsichtlich der Beantragung von Flächennutzungsänderungen getroffen worden. Zu den umstrittensten zählten die um das jahrzehntelang als Bauerwartungsland geltende Gebiet entlang des „Grünen Wegs“, das im Stadtentwicklungskonzept deshalb eine erhebliche Rolle spielt. Es eignet sich aufgrund der vergleichbar vielen Flächen in städtischem Besitz gut als Potenzialfläche für bezahlbaren Wohnraum beziehungsweise als mögliche Tauschflächen. Aktuell lenkt die Fraktion der Christdemokraten das Scheinwerferlicht erneut auf diesen Bereich und wirbt via Antrag, eine vor drei Jahren getroffene Entscheidung zu revidieren.

2021

Kurzer Rückblick auf das Jahr 2021 samt der innerhalb weniger Monate gewonnenen Erkenntnis, wie rasch Stadtverordnetenbeschlüsse Geschichte sind, wenn sich infolge von Wahlen die Mehrheitsverhältnisse im Parlament ändern. In einem ersten Schritt der Dramaturgie war Ende Februar die Wählergemeinschaft „Kronberg für die Bürger“ (KfB) mit ihrem Antrag für einen Stadtverordnetenbeschluss gescheitert, beim Regionalverband Frankfurt RheinMain die Änderung des Regionalen Flächennutzungsplans im Bereich „Grüner Weg“ von „Wohnbaufläche (geplant)“ in „Ökologisch bedeutsame Flächennutzung mit Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung“ zu beantragen. Zum damaligen Zeitpunkt votierten lediglich elf Stadtverordnete für dieses Ansinnen bei zwei Enthaltungen und 14 Gegenstimmen. Nach der am 14. März im Jahr 2021 stattgefundenen Kommunalwahl unternahm die KfB einen neuerlichen Anlauf, der in der zweiten Sitzung der neuen Wahlperiode auch von Erfolg gekrönt war (Drucksache 5022/2021 vom 10. Juni 2021). Dieses Mal sprachen sich 16 von 29 anwesenden Stadtverordneten bei 13 Gegenstimmen für die Änderung aus.

Zwei Lager

Ein Ergebnis, das mehr als deutlich die zwei Lager zu diesem Thema widerspiegelt. Jedes Mal, wenn der „Grüne Weg“ auf der Agenda stand, schlugen auch die Wogen in der Bürgerschaft hoch. Das Gebiet zu bebauen blieb für einen Teil der Bevölkerung unvorstellbar, während es ein Großteil der Politik seit geraumer Zeit jedoch für notwendig und wünschenswert erachtete.

Pro Potenzialflächen

Sowohl Christ- als auch Sozialdemokraten sowie die Unabhängige Bürgergemeinschaft (UBG) hatten im Kern aus ihrer Sicht schlagkräftige Argumente in die Waagschale geworfen. Stadtentwicklung sei erfahrungsgemäß ein langwieriger Prozess, deshalb dürfe man sich der Möglichkeit, dort Bauerwartungsland für zukünftige Generationen zu bevorraten, nicht völlig verschließen und auch mögliche Aspekte hinsichtlich des Schadens für die Stadt nicht unberücksichtigt lassen, denn die Grundstücksbesitzer hätten hier seit langem mit Bauentwicklungsgebiet geplant. Auf dem 15 Hektar großen Gebiet habe schon über die Amtsperioden dreier Bürgermeister hinweg eine „strategische und gelungene Grundstücksbevorratung“ stattgefunden, und genau das sei auch Aufgabe einer Stadt. Verzichte man auf die Bevorratung dieser „wichtigen Potenzialfläche für bezahlbaren Wohnraum, „werden auch bestimmte Passagen des Stadtentwicklungskonzeptes in die Tonne getreten“, sparte SPD-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Haas nicht mit Kritik. Außerdem verliere man dieses Gebiet als mögliche Ausgleichsflächen, wenn an anderer Stelle für die Handwerker dringend benötigte Gewerbeflächen ausgewiesen würden. Die UBG-Fraktionsvorsitzende Alexandra Sauber legte nach: „Sie berauben sich ohne Not jeder Gestaltungsmöglichkeit!“

Gegenplädoyers

Der Vorsitzende des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt, Udo Keil (Bündnis90/Die Grünen), hielt dagegen: „Der irreversible Verlust von Fauna und Flora – sprich der Artenschwund – geht ungebremst weiter. Streuobstwiesen sind ein Rückzugsort für viele Tiere und Pflanzen, sie haben eine herausragende Bedeutung im Kampf gegen den Biodiversitätsverlust.“ Ihr Erhalt sei für zukünftige Generationen wichtig. „Helfen Sie doch mit, auch für unsere Nachfahren, eine bunte, eine vielfältige, eine lebenswerte Welt zu erhalten“, appellierte er an die Stadtverordneten. Die Entstehung eines fruchtbaren, für unsere Ernährung unabdingbaren Bodens dauere mehrere tausend Jahre. Wenngleich diese Werte nur schwer in Euro zu erfassen seien, „haben sie für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen einen höheren nachhaltigeren Stellenwert.“ Keil forderte die Stadtverordneten abschließend zum Umdenken auf, denn, so der Grüne: „Der Naturschutz benötigt endlich einen höheren politischen Stellenwert – auch und gerade hier in Kronberg.“

Bevorratung von Ausgleichsflächen

Der damalige Erste Stadtrat Robert Siedler (parteilos) warnte mit aller Vehemenz davor, die Flächen als Bauerwartungsland aufzugeben. Seiner Überzeugung nach würden als Ausgleichsflächen laut dem Regionalen Flächennutzungsplan nur solche gelten, die eben schon beplant seien und dann aufgegeben würden. Der KfB-Stadtverordnete Eichhorn war zu einem anderen Schluss gekommen: „Das eine ist die Verwendbarkeit des Gebietes als Ausgleichsfläche. Hier ist es so, dass nach dem Bundesnaturschutzgesetz ein Ausgleich auch mit Flächen möglich ist, die nicht mehr zur Bebauung vorgesehen sind“, erklärte er sein Verständnis. „Nach der aktuellen Ausgleichflächenrichtlinie mag es so sein, dass der ,Grüne Weg‘ als Ausgleichsfläche entfiele, wenn er im Regionalen Flächennutzungsplan umgewidmet wird.“ Doch werde diese Ausgleichsflächenrichtlinie für den neuen Flächennutzungsplan vermutlich nicht mehr gelten. Am Ende wurde namentlich abgestimmt und mehrheitlich entschieden, die Flächen (ausgenommen die für die Flüchtlingsunterkunft, mittlerweile Errichtung Wohnbebauung) im Regionalen Flächennutzungsplan entsprechend umwidmen zu lassen.

Aktueller CDU-Vorstoß

Mit Blick auf die voranschreitenden Vorbereitungsarbeiten für die Neuaufstellung des RegFNP sehen nunmehr die Christdemokraten dringenden Handlungsbedarf. Sie werben im Detail für einen Stadtverordnetenbeschluss, um den Magistrat zu bitten, abweichend vom Stadtverordnetenbeschluss 5022/2021 vom 10. Juni 2021 für einen im Planausschnitt farbig hervorgehobenen Bereich (zu finden auf der Internetseite der Stadt Kronberg, Anmerkung der Redaktion) beim Regionalverband Frankfurt Rhein-Main nicht die Änderung des Regionalen Flächennutzungsplans im Bereich „Grüner Weg“ von „Wohnbaufläche (geplant)“ in „Ökologisch bedeutsame Flächennutzung mit Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung“ zu beantragen. In der Begründung zu diesem Vorstoß heißt es, im momentan noch rechtskräftigen Regionalen Flächennutzungsplan seien keine Flächen zur Entwicklung von Gewerbegebieten für Kronberg vorgesehen. Als Grundlage für weitere Planungen müssten deshalb die Flächen gegenüber dem Regionalverband Rhein-Main angemeldet werden. Die Stadtverordnetenversammlung habe hierzu am 18. April als Voraussetzung zur Einleitung eines Änderungsverfahrens den Antrag 5228/2024 Gewerbeflächenausweisung der Stadt Kronberg im Taunus – Aufstellungsbeschluss für die priorisierten Standorte „GP3-Am Auernberg“ und „GP2- Kronberger Hang“ beschlossen. Bei Berücksichtigung seien größengleiche Siedlungsflächen wieder abzugeben. Im Fall Kronbergs könne bis zur geplanten Neufassung des „RegFNP 2030“ durch den Stadtverordnetenbeschluss 5022/2021 vom 10. Juni 2021 ein Teil der damalig für Wohnbauland vorgesehenen Entwicklungsfläche am Grünen Weg (Wohnbaufläche (geplant) herangezogen werden. Für einen größengleichen Tausch von Siedlungsflächen sei es jedoch nicht erforderlich, hierfür die gesamte Entwicklungsfläche am Grünen Weg zu verwenden. Des Weiteren erinnert die CDU an den Stadtverordnetenbeschluss 5219/2024 vom 22. Februar 2024 für eine Wohnbebauung auf einem Teilstück der Entwicklungsfläche am Grünen Weg (ehemalige Fläche für eine Gemeinschaftsunterkunft). Zudem finde derzeit die Suche nach einem geeigneten neuen Standort für die Feuerwehr Kronberg statt, wobei in diese Suche auch ein am Ernst-Winterberg-Haus gelegener Bereich einbezogen werde. Summa summarum gelte es, den vor drei Jahren im zweiten Anlauf erzielten Beschluss wieder zu revidieren, um die Realisierung dieser Vorhaben nicht zu gefährden sowie zukünftigen Generationen Entwicklungsmöglichkeiten zu erhalten.

Fachliche Sicht

Zum Einstieg in die Debatte in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt (ASU) hob Sandra Poschmann (Leiterin des Fachbereichs Stadtentwicklung und Umwelt) nochmals in aller Deutlichkeit die Bedeutung und Tragweite des Behalts dieser Tauschflächen heraus und mahnte, „man hat durch den damaligen Beschluss seine Flexibilität ganz klar aufgegeben.“ Deshalb warb sie mit Nachdruck, „aus fachlicher Sicht sollte man sich die Potenzialfläche warmhalten.“. Nicht minder ausdrücklich trugen die jeweiligen Fraktionsvertreter ihre jeweils unveränderte Sicht der Dinge vor. Daraus resultierend lautete das Abstimmungsergebnis: Vier „Ja“-Stimmen von CDU, SPD und UBG gegen die fünf Gegenstimmen von KfB, Bündnis90/Die Grünen und FDP. In der Parlamentssitzung vom 23. Mai wird der Antrag abschließend diskutiert.



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