Vereinbart Kronberg Partnerschaft für „Großen Frankfurter Bogen“?

Kronberg (pu) – Wohnen ist die soziale Frage unserer Tage und damit eine vordringliche Aufgabe, die nach Überzeugung des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen nur gemeinsam nachhaltig gelöst werden kann. Die steigende Wohnungsnachfrage im prosperierenden Ballungsraum Frankfurt Rhein-Main strahle immer weiter aus und stelle die Kommunen und die Landesregierung vor äußerst vielfältige Herausforderungen bei Erhalt und Schaffung von angemessenen, bezahlbaren und generationengerechten Wohnungsangeboten. Dies vor Augen, hat das Ministerium am 1. Dezember letzten Jahres das Programm „Großer Frankfurter Bogen“ (GFB) zur Förderung des Wohnungs- und Städtebaus im Ballungsraum Frankfurt Rhein-Main gestartet, das allen Kommunen, die maximal 30 Zugminuten vom Frankfurter Hauptbahnhof entfernt liegen, eine Unterstützung durch das Land Hessen eröffnet. Das betrifft 55 Kommunen, darunter Kronberg im Taunus.

Der Fachbereich 4 – Stadtentwicklung und Umwelt – hat sich in den letzten Monaten mit diesem neuen Angebot befasst und wirbt in der heutigen Stadtverordnetenversammlung um Zustimmung für die Unterzeichnung einer „Partnerschaftsvereinbarung Großer Frankfurter Bogen“ zwischen der Stadt Kronberg im Taunus und dem Land Hessen. Über eine entsprechende Stadtverordnetenvorlage beriet der Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt (ASU) in seiner jüngsten Sitzung.

Im Detail geht es um erweiterte finanzielle Zuwendungen im Rahmen von Förderprogrammen des Wohnungsbaus und der Stadtentwicklung:

• Im Programm Bauland Offensive Hessen übernimmt das Land den kommunalen Eigenanteil von 8.900 Euro.

• Der kommunale Eigenanteil im Landesprogramm „Soziale Wohnraumförderung“ (von bis zu 10.000 Euro je Wohneinheit) und „Erwerb von Belegungsrechten“ (von bis zu 1 Euro je Quadratmeter mal Dauer) – sofern die eingesparten Mittel wiederum in Mobilisierung und Aktivierung von Wohnungsbau-Flächen investiert werden – wird durch das Land übernommen.

• Städtebauliche Konzepte im Programmgebiet werden mit nicht rückzahlbarem Zuschuss in Höhe von 85 Prozent gefördert (keine Obergrenze).

• Investitionsprojekte ins nachhaltige Wohnumfeld werden mit nicht rückzahlbaren Zuschüssen mit bis zu 85 Prozent (Anteilsfinanzierung) gefördert.

Zwei Konzepte im Blick

„Wir würden uns wünschen, dass diese Vereinbarung auf den Weg gebracht wird“, schickte Erster Stadtrat und Baudezernent Robert Siedler (parteilos) einer detaillierteren Vorstellung durch die an diesem Abend anwesende Petra Manahl, Referatsleiterin „Grundsatz und Planung“ im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, voraus. Konkret profitieren könne die Burgstadt zum aktuellen Zeitpunkt beispielsweise bei den Entwicklungen des „Baufeldes V“ und des Baugebiets „Altkönigblick“ im Rahmen des Programmes „Nachhaltiges Wohnumfeld – Konzepte und Baulanddialoge“. „Hierbei liegt es im Ermessen der Kommune, ob dies in Form von Konzeptvergaben, Mehrfachbeauftragungen oder sonstigen Planungswettbewerben erfolgt. Auch Bürgerbeteiligungsverfahren können in diesem Rahmen gefördert werden“, erläuterte der Baudezernent. Keine Sorgen machen müsse man sich wegen der Planungshoheit der Kommune, die durch die Unterzeichnung der Partnerschaftsvereinbarung unberührt bleibe.

Förderfähig im Rahmen des Programmes „Nachhaltiges Wohnumfeld – Konzepte und Baulanddialoge“ sind laut Petra Manahl Plangebiete, die in Gänze oder in Teilen circa einen Kilometer vom nächsten vorhandenen oder geplanten Schienenhaltepunkt entfernt sind, in Einzelfällen und nach Abstimmung mit dem Ministerium auch potenzielle Wohnbauflächen bis zu einem Umkreis von maximal zwei Kilometern.

Lebensader Schiene

Bei dem Programm „Großer Frankfurter Bogen“ (GFB) handelt es sich nach ihren Worten um ein „Herzensprojekt“, es gehe nicht darum, „Standardziele vorzulegen, sondern nachhaltige Entwicklung, die zu Ihnen passt. Das könnte den Charakter eines ‚Letter of intent‘ haben. Wir wünschen uns eine Partnerschaft auf Augenhöhe, wir wollen Sie auf dem richtigen Weg unterstützen.“ Von einer „Zwangsbeglückung“ könne keine Rede sein. Das Gebot der Stunde sei die Stärkung der Region vor dem Hintergrund, dass laut der jüngsten hessischen Prognose für den Wohnungsbedarf bis zum Jahr 2040 nach aktuellem Stand der Dinge 367.000 Wohnungen gebraucht werden. Das Hauptaugenmerk liege „nicht auf der Straße als Lebensader, sondern auf der Schiene. Wir wollen es den Menschen einfacher machen, das Auto stehenzulassen.“

Manahl zufolge hatten am Abend des 8. September 32 von den 55 angesprochenen Kommunen eine Partnerschaftsvereinbarung unterzeichnet; mit vielen der übrigen Kommunen sei sie noch im Gespräch. Die mit dem Kronberger Fachbereich geführten Abstimmungsgespräche zu den benannten Baugebieten hätten als Zwischenergebnis, dass das Ministerium den Entwicklungen positiv gegenüberstehe. Eine Rückmeldung, ob eine Förderfähigkeit gegeben ist, werde in Kürze erwartet. Eine weitere für die Stadt Kronberg interessante erweiterte Fördermöglichkeit wird bei der Errichtung von sozial gefördertem Wohnraum gesehen. Laut Richtlinie des Landes Hessen zur sozialen Mietwohnraumförderung ist die Beteiligung der Kommune an der Finanzierung zwingende Voraussetzung für die Bereitstellung von Fördermitteln. Bei Neubauten beispielsweise muss dieser kommunale Eigenanteil mindestens 10.000 Euro je Wohneinheit betragen. Als Partnerkommune des Großen Frankfurter Bogens würde dieser Eigenanteil entfallen. Im Fall der Entwicklung des Baufeldes V beziehungsweise des Altkönigblickes wäre dies nach vorliegenden Aussagen gegebenenfalls denkbar.

Reaktionen

Wer angesichts dessen, dass dieses neue Programm laut Erstem Stadtrat „on top“ auf bisher Geltendes kommen soll und es städtebaulich „Sinn macht, mehr Verkehr auf die Schiene zu legen“, überwogen in der anschließenden Diskussion in den Reihen von KfB und FDP eher ablehnende Haltung beziehungsweise große Skepsis. Allerdings meldete allen voran die KfB noch Beratungsbedarf in der eigenen Fraktion an. Die Sozialdemokraten zeigten sich ob des Verlaufs der Diskussion „irritiert“. „Ich denke, das ist ein klares politisches Signal, man muss sich nur die Begründung durchlesen. Die Diskussion, ob 5 Prozent mehr oder weniger gefördert werden, verstehe ich nicht, wenn ich auf die Wohnraumnöte unterer und mittlerer Gehaltsgruppen sehe“, erklärte der kommissarische SPD-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Haas mit allem Nachdruck. Ins gleiche Horn blies Bündnis90/Die Grünen-Vorstand Udo Keil, der sich des Gefühls nicht erwehren konnte, „dass man sozialen Wohnungsbau nicht will und ihn deshalb torpediert“. „Mich wundert es, das die KfB nicht laut Hurra schreit, die sonst immer nach der Prämisse handelt, ‚was kostet es, was bringts‘“, platzte ihm sichtlich der Kragen.

Diese Vorwürfe wies die KfB-Co-Fraktionsvorsitzende Alexa Börner unverzüglich scharf zurück; es sei wichtig, baupolitische Entscheidungen allein schon aus ökologischen Gründen zu hinterfragen. Für die Christdemokraten meldete sich deren Stadtverordneter Prof. Helfried Moosbrugger zu Wort: „Meine Fraktion hat diese Vorlage weniger misstrauisch diskutiert. Die Entstehung von bezahlbarem Wohnraum und die Fokussierung auf die Hauptachse Bahn erscheinen sinnvolle und wesentliche Gründe für eine Zustimmung!“ Auf Antrag der KfB wurde eine Abstimmung auf die Stadtverordnetenversammlung verschoben. Ein kurz abgerufenes Stimmungsbild lässt dennoch eine Mehrheit für den Antrag vermuten.

Wie Erster Stadtrat Robert Siedler nochmals unterstrich, „ist die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für Kronberg im Taunus als Teil des Ballungsraumes Frankfurt Rhein- Main ein wichtiges Thema, um langfristig eine stabile und vielfältige Stadtgesellschaft erhalten zu können.“



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