Verklärte Teezeit mit Griegs Balladen im Wappensaal

Mit Grieg im Wappensaal: Fulminantes Finale der Texte und Töne zur Teezeit, mit v.l.n.r. Leon Schneider, Lars Jönsson am Klavier, Charles-Antoine Duflot am Cello und mit Brigitta Hermann in ihrer Rolle als wohltönendes Sprachrohr des norwegischen Komponisten.

Foto: Sura

Kronberg (aks) – Brigitta Hermann bestritt die letzte Teezeit der Saison auf der Burg nicht nur allein, ohne Dorothea Peukert, die im Urlaub weilte, sondern als wohltönende Interpretin von Edvard Griegs Biographie mit der Überschrift „Ballade eines Lebens“, der das Publikum aufmerksam lauschte. Der große norwegische Komponist hat seine Lebenserfahrungen aufgeschrieben, an diesem Sonntagnachmittag ging es um seine persönliche Erfahrung von Erfolg. Wann fühlt man Erfolg, und wann zum ersten Mal? Brigitta Hermann hatte sehr lebendige Textstellen ausgesucht, in der sich Grieg, der von Kind an ein Talent für Musik hatte und von seiner Mutter am Klavier unterrichtet wurde, offen und ehrlich zu seiner Faulheit bekannte. Wenn er nicht musste, überanstrengte er sich weder für den Musikunterricht noch für den in der Schule. Seine Mitschüler mokierten sich über den Heranwachsenden, der als einziger in der Klasse bereits das Wort Requiem kannte und auch noch wusste, wer es komponierte. Fortan hieß er nicht Mozart, sondern verballhornt „Mossak“.

Der erste Erfolg: Grieg erinnert sich in seinen Memoiren, sehr einfühlsam und variantenreich gelesen von Brigitta Hermann, vor allem an die Wehmut des Lebens, die jeden Erfolg wieder zunichte macht, auch den ersten. Die Entwicklungsphasen des Norwegers sind unterhaltsam, da er sich und sein Genie nie so ganz ernst nimmt. Als 16-Jähriger wird sein Talent erkannt und er darf im Gewandhaus Leipzig mit berühmten Lehrern sein Können entwickeln und zeigen. Auch seine eigene Mittelmäßigkeit erkennt er durchaus in seinen ersten ein wenig zu nachlässig angefertigten Kompositionen. Je mehr er zu sich selbst findet, desto mehr Glück wird ihm zuteil. Das ist die Quintessenz der Balladen seines Lebens – und das ist für ihn Erfolg. Er verleugnet dabei nicht die kleinen Glücksgefühle aus seiner Kindheit und Jugend. „Welch ein Glück“ und einer seiner größten Erfolge war die Entdeckung der Melodie, einer Harmonie, einer Terz, einem Dreiklang, Vierklang usw: „Das war ein Erfolg!“ Als es ihm immer besser gelang, überflüssigen Ballast von sich zu werfen – „das war meine Rettung, mein Glück“ – und sich über sich selbst klar zu werden, alle Enttäuschungen, Sorgen und auch Triumphe als Voraussetzungen für diesen Erfolg zu akzeptieren, da „fiel der Schleier“ und er konnte sich ausdrücken mit „einer endlich befreiten Fantasie“. Mit seiner Träumernatur trudelte er durch die Welt und schuf die schönsten Balladen, Suiten, Konzerte und Sonaten. Angestimmt von Lars Jönsson, einen schwedischen Pianisten, der in Frankfurt und Moskau studiert hat, dem besonders vielseitige Musikabende am Herzen liegen, und dem Cellisten Charles-Antoine Duflot aus Paris, der musikalische Anregungen unter anderem von Wolfgang-Emanuel Schmidt und Gary Hoffmann erhielt, erwachten „Peer Gynt“ und „Solveig“ zu neuem Leben. Temperamentvoll und doch voller leiser Wehmut interpretierten die beiden Musiker in einem hochsensiblen Dialog Griegs Musik, die rasch ihren Zauber verbreitete und deren fortissimo-Leidenschaften jeden in ihren Bann zog. Eine versteckte, aber tragende Rolle spielte dabei der junge Leon Schneider als Notenwender, der, noch jünger als Grieg, seine eigene musikalische Meisterschaft am Hoch’schen Konservatorium beginnen darf. Er gilt spätestens seit Mai, als er auf der Burg seine Rhapsodie mit dem gemischten Chor von St. Johann uraufführte als großes Musiktalent. Er ließ seinen Blick nicht von den Noten und fieberte sichtlich mit Jönssons Spiel.

Dass es schnell vom Rausch des Erfolgs in den Abgrund gehen kann, schilderte Hermann mit ihrer wohltuend ruhigen Stimme, die durchaus den Textwitz wiedergab. Griegs Schulzeit endete mit 15, als ein Violinvirtuose hoch zu Ross „wie ein Märchengott“ ihn auf der Straße anwies: „Du sollst nach Leipzig gehen“. Das Leipziger Konservatorium galt zu Griegs Zeiten um 1850 als Heiligtum. Dort begegnete der junge Künstler, der immer noch „entsetzlich faul“ war, den Lehrern, die ihn forderten und förderten, und vor allem durfte er endlich gute Musik hören. „Der Träumer ohne Talent für den Wettstreit“, so seine Selbsteinschätzung, schaffte mit seiner romantischen und von der Natur und Traditionen Norwegens geprägten Musik den Durchbruch in der Musikwelt. Zur großen Freude der Zuhörer, die seine lichte, klare und kraftvolle und doch verspielte Musik immer wieder neu entdecken und lieben lernen. Die Virtuosen am Cello Duflot und Jönsson am Klavier waren die beste Wahl für die Verwandlung des Wappensaals in einen mystischen Ort, in dem man die letzten warmen Strahlen des Sommers mit Wehmut wahrnahm – nur die Trolle fehlten noch an diesem magischen Spätsommernachmittag. Die Sonate für Violoncello und Klavier op. 36 betörte mit einem vehementen und dennoch leichten Allegro, einem emotionalen Andante und führte mit einem Allegro molto e marcato zu einem furiosen Finale der Texte und Töne zur Teezeit auf der Burg, die im Mai 2020 weitergeht unter der Regie des Erfolgs-Duos Hermann-Peukert. Bravo den Künstlern, die dem Kronberger Publikum einen märchenhaftverklärten Sonntag bescherten, Bravo den Organisatorinnen und ihrem Team, das sich fast vollständig nach dem Konzert um Brigitta Hermann scharte, die von Herzen dankte! Da Capo im nächsten Jahr im Mai.



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