Vor der Kerb der Burgritter steht der Schabernack im Wald

Das Aufrichten des Kerbebaums mit Holzstützen erfordert Fingerspitzengefühl. Fotos: HB

Oberursel (HB). Um die Zukunft der Kerb braucht man sich in Bommersheim keine Sorgen zu machen. Sie hat in Christian Schließmann einen Anführer mit Herz und Verstand, und deshalb klappt es auch mit dem Nachwuchs. Vergangenes Wochenende bewiesen die „Kerbeborsche“ wieder einmal, dass sie im Wald genauso ihren Mann stehen wie beim Thekendienst und zudem ein Fest mit Freiluftkonzert, Hallen-Disco und Frühschoppen anständig organisieren können.

Kerbevadder und Vorsitzender Schließmann, ein 36-jähriger selbstständiger Werbetechniker, feilt seit sechs Jahren am Profil des Kerbevereins. Nunmehr hat er ihm eine Frischzellenkur verpasst und den Kerbeborsch auf Probe eingeführt. Mittlerweile gibt es drei „Anwärter“ und sechs Jungmannen, womit sich die Zahl der Aktiven bei 20 einpendelt. Der Verein hat insgesamt 70 Mitglieder. Die Aufgaben müssen gleichmäßig verteilt werden. Nur feiern ohne zu malochen, das kann nach Meinung des Frontmanns nicht funktionieren. In dieser Kampagne, die der „Vadder“ deshalb „zu den schönsten überhaupt“ rechnet, hat die Einstellung gestimmt.

Der Ruf der Bommersheimer „Borschenschaft“ hat sich auch bis zur Brunnenkönigin Pia I. herumgesprochen, die bei der Eröffnungszeremonie von einem „tollen Team“ spricht. „Die Jungs stehen dahinter.“ Auch Bürgermeister Hans-Georg Brum sieht diese Variante des Brauchtums im Aufwind Die aus der mittleralterlichen Kirchweih entstandene Kerb, die unterdessen auch im Oberurseler Stadtkern gefeiert wird, verkörpert offenbar ein Stück Heimat, nach dem sich viele sehnen. Diesmal kamen zum Open-Air-Konzert von „All Reset“ knapp 400 und zur „90er-Party“ in der Burgwiesenhalle am Abend darauf bald 500 Besucher. Als „Antje und die Melody Boys“ und der Musikzug der Feuerwehr jeweils an den Nachmittagen aufspielten, waren die Reihen unter den gelben Schirmen dicht geschlossen.

Vadder schickt den Regen fort

Es blieb trocken, denn Christian Schließmann hatte „den Regen nach Kalbach geschickt,“ wo ebenfalls Kerb gefeiert wurde. Dem Verein aus dem Frankfurter Norden zeigt man durchaus nicht die kalte Schulter,, sondern pflegt sogar Freundschaft“. Sonst wäre ein Schabernack auch nicht folgenlos geblieben, den sich die Bommersheimer beim gemeinsamen Baumfällen im Forst an der Hohemark zu Lasten der Kalbachen gönnten. Deren Traktor samt Hänger missbrauchten die Bommersheimer für eine Spritztour, die sie erst abgebrochen haben, als die Dupierten johlend hinterherliefen. Die Kameraden aus dem Nachbarort hatten während des Essens im Planwagen leichtsinnigerweise den Zündschlüssel stecken lassen.

Die Männer aus Bommersheim kürten eine 24,50 Meter lange Fichte zum Kerbebaum und zogen damit am Samstagmittag unter Trommelwirbel zum Festplatz, auf dem unter einem Kanaldeckel ein meterhoher Schacht auf das Stammende wartete. Bis sich der Baum, von drei Seilen gehalten, kerzengerade in den ziemlich grauen Himmel reckte, musste Kerbe-Großmeister und Ehrenritter Holger Girschikofsky die Truppe zur sachgerechten Handhabung der drei Doppelstützen anhalten. Um 13.45 Uhr war das Werk vollbracht. Die bunten Bänder an der Fichtenspitze flatterten fröhlich im Wind und die Schlumbel hatte sich dort oben bequem eingerichtet.

Königin kommt zu den Rittern

Nunmehr verlagerte sich das Geschehen zur Bühne nebenan, vor der sich Brunnenkönigin Pia I. und Brunnenmeister Mathias neben den mit groben Säcken als mittelalterliche Raubgehilfen ausstaffierten „Kerbeborschen“ Aufstellung nahmen.

Dass sich dieser Verein in der Nachfolge des Raubrittertums sieht, das Ende des 14. Jahrhunderts mit der Zerstörung der Bommersheimer Burg endete, ist unübersehbar. Denn an der Spitze des Zugs, den Baum im Gefolge, sah man Helm, Harnisch und Schild Heinrichs, des letzten der Bommersheimer Ritter, den Jens Girschikofsky glaubwürdig mimte. Ihm zur Seite wurde im langen Brokatkleid das Burgfräulein Catharina gestellt, hinter dem sich Bastian Wehrheim verbarg. Der Henker mit dem diesmal stumpfen Holzbeil trug eine schwarze Kapuze, denn diese Zunft möchte gemeinhin unerkannt bleiben. In diesem Falle gab sich Till Krammich zu erkennen.

Ein Kerbevadder ist ein Muster an Einsatzbereitschaft, denn er soll ein Vorbild sein. In der Nacht zum Sonntag hat er bis 3 Uhr Party gefeiert, bis 6 Uhr mit dem Team die Halle gewienert und lediglich drei Stunden geschlafen, ehe er zum Frühschoppen musste. Danach standen die Aufräumarbeiten an, die mit dem Abriss der Burgmauer aus Holz und Pappe begonnen haben. Um diese Zeit drehte sich das Kinderkarussell noch. Der historische Verein hatte die Bögen für das Pfeileschießen noch gespannt. Wer diesen Sport vertiefen möchte, kann das jeden Sonntag beim Verein Ursellis Historica an der Krebsmühle tun. Oder er tritt in den Kerbeverein ein, der sich auch regelmäßig trifft.

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