60 rote Stühle als Symbol gegen Gewalt an Frauen und Mädchen

Bürgermeister Hans-Georg Brum stattet Carla Horstkamp, Gabriela Wölki und Anja Körneke (v. l.) am Aktionstag in der Adenauerallee einen Besuch ab. Foto: bg

Oberursel (bg). Der 25. November wurde 1999 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen ausgerufen. Als sichtbares Zeichen gegen die Gewalttaten erstrahlten an diesem internationalen Gedenktag viele historische Gebäude in der ganzen Republik in Orange. Nicht nur in Berlin, auch in Frankfurt und Bad Homburg wurden markante Gebäude durch die bunte Signalfarbe beleuchtet. Seit vielen Jahren veranstalten in Oberursel die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, Gabriela Wölki, und der Verein Frauen helfen Frauen regelmäßig Aktionen an diesem Tag.

In den Pandemie-Zeiten wo Kontakte nur eingeschränkt stattfinden können, gestaltete sich die Organisation diesmal schwierig. Aber alle Beteiligten haben diese Aufgabe mit viel Kreativität und engagiertem Einsatz gelöst. In der Adenauerallee standen 60 knallrote Stühle in einer langen Schlange aufgereiht. Im Sommer stehen sie üblicherweise rund um die Friedenseiche gruppiert, einem Naturdenkmal, um Gästen des Eiscafés Tesoro gegenüber Platz zu bieten. Die Betreiberin hatte es sich nicht nehmen lassen und stellte die Stühle für die Aktion zur Verfügung. Eine Geste, die viel aussagt über den Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft in der Taunusstadt. „Die Stühle sind eine Ausstellung, die sich selbst erklärt“, erläuterte die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt. Die Resonanz war erfreulich, die roten Stühle waren nicht zu übersehen und luden fast zum Verweilen ein. Wie einige junge Leute, die sich darauf niederließen, um einen Imbiss zu verzehren, und etwas erschraken, als Gabriela Wölki ihnen die Intention der Ausstellung näherbrachte. Auch der Bürgermeister kam und informierte sich über die Aktivitäten rund um den Aktionsstand zur „Häuslichen Gewalt.“

Die lange Stuhlreihe symbolisierte die unterschiedlichen Formen von Gewalt gegen Frauen. Jeder vierte Stuhl war umgedreht, darauf lagen rote Plakate und Gegenstände. Denn jede vierte Frau in Deutschland ist mindestens einmal in ihrem Leben von Gewalt betroffen. Den Stühlen gegenüber waren Plakate zum Thema „Häusliche Gewalt“ aufgehängt. Über 80 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt sind Frauen. Häusliche Gewalt hat viele Gesichter von sozialer, ökonomischer, seelischer, sexualisierter bis hin zu körperlicher Gewalt. Sie reicht von subtilen, herabwürdigen Umgangsformen bis zu brutalen Angriffen. Eine Partnerschaft, aus Zuneigung eingegangen, endet für manche Frauen sogar tödlich. Immer wieder ist in Meldungen aus dem Polizeibericht über Familiendramen lesen, bei denen Frauen und ihre Kinder ums Leben kommen. Die Statistik spricht eine deutliche Sprache. Jeden dritten Tag wird eine Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner getötet.

„Häusliche Gewalt gibt es in allen gesellschaftlichen, kulturellen und Alters-Schichten. Meist findet sie hinter verschlossenen Türen – also weitgehendest im privaten, zwischenmenschlichen Bereich – statt und ist sehr schambesetzt. Oft dauert es lange, bis Frauen sich hilfesuchend an uns wenden“, berichten Carla Horstkamp und Anja Körneke. Mit Claudia Rinn arbeiten sie zu dritt in der Beratungsstelle des Vereins Frauen helfen Frauen. Seit 1985 unterhält der Oberurseler Verein ein Frauenhaus, in dem Frauen mit ihren Kindern, die von häuslicher Gewalt bedroht sind, Zuflucht finden. Das Haus verfügt über elf Zimmer mit insgesamt 21 Plätzen. Für dringende Aufnahmen aus dem Hochtaunuskreis steht grundsätzlich ein Notzimmer zur Verfügung.

„Zur Zeit ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ein großes Problem für bedrohte Frauen“, erzählen die Mitarbeiterinnen. Gabriela Wölki kann das nur bestätigen. In Corona-Zeiten fürchten alle Experten ein Ansteigen der häuslichen Gewalt, die Dunkelziffer ist hoch. Mit konkreten Zahlen für das Jahr 2020 konnte Carla Horstkamp noch nicht aufwarten, berichtete aber über viele Anrufe. Im vergangenen Jahr hatten sich über 300 Frauen an die Beratungsstelle gewandt. Die erste Kontaktaufnahme erfolgt in der Regel telefonisch. Es wurden über 800 Gespräche geführt. Die Frauen kommen aber auch persönlich in die Sprechstunde nach Oberursel. Weitere Beratungen werden seit einiger Zeit dienstags von 14 bis 17.30 Uhr im Usinger Rathaus und dienstags von 9 bis 13 Uhr im Friedrichsdorfer Rathaus angeboten. Um eine Terminabsprache unter Telefon 06171-51768 oder per E-Mail an beratungsstelle[at]frauenhaus-oberursel[dot]de wird gebeten.

„Wir unterstützen die Frauen und zeigen ihnen Wege aus der Gewalt auf, denn die verschwindet nicht von allein“, betonte Carla Horstkamp. Die Beratungsgespräche sind vertraulich, unbürokratisch und kostenlos. Für betroffene Frauen gibt es zudem ein bundesweites kostenloses Hilfstelefon rund um die Uhr unter Telefon 0800-116016. Im Notfall können Betroffene auch die Polizei rufen unter der Notrufnummer 110.

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