Akhtars Komödie stellt sich Fragen des Korans: Wer war der Prophet und was?

Oberursel (ow). Wer die Werke des 1970 in New York City geborenen Ayad Akhtar kennt, der weiß, dass das vermeintliche Familienidyll auf der Bühne fragil ist. In seiner Komödie „The Who and the What“ greift er nicht nur einen Generationenkonflikt auf, der von Liebe, Tradition und Religion handelt, sondern es geht um die Identitätsthemen Tradition und Fortschritt, die sein Leben prägten, um islamische und amerikanische Identitäten. Akhtar, der in den USA gefeierte Theaterautor und Pulitzer-Preisträger trifft den Nerv der Zeit in einem wahrhaft intelligenten Dialog der Protagonisten, die trotz ihrer Differenzen respektvoll und liebevoll miteinander umgehen. Der Spagat der Anpassung an die neue Heimat, und das gleichzeitige Hüten der Tradition ist schwer: die neue Freiheit, gerade für Frauen, ist viel versprechend und verlockend gegenüber den strengen Gesetzen des Koran. Der Taxiunternehmer pakistanischer Herkunft, Afzal, hat es zwar geschafft, seinen beiden Töchtern ein Leben in Wohlstand und auf Eliteuniversitäten zu bieten, doch Tradition und Religion fordern immer wieder ihren Tribut. Auch ohne Schleier sollen sich seine erwachsenen Töchter, Zarina und Mahwisi, im Wesentlichen an die ethnischen Regeln halten, die schon für die Eltern galten – eine Frage der Ehre! Die Ehe der Eltern war arrangiert, und doch haben sie sich bis zum Tod der Mutter geliebt - auch wenn er ihre Nase nicht mochte. Genial ist in dieser Inszenierung von Felix Prader das sparsame Bühnenbild mit dem traditionell pakistanischen Buchara-Teppich in dunkelrot der über allen zu schweben scheint. „The Who and the what“ so lautet der Titel des Buchs der älteren Tochter Zarina, Harvard-Absolventin, intellektuell klar und brillant gespielt von Adrienne von Mangoldt, die nach eingehenden Recherchen beschreibt, wer der Prophet als Mensch war und was man vom Leben des Propheten Mohammed weiß. In ihren Texten macht sie öffentlich, dass Mohammed nicht der heilige, über alle Zweifel erhabene Prophet war, wie es im Koran steht, sondern ein Mensch, ein Mann, verführbar und dem Leben zugewandt. Ihr geht es um die Frauen und den Islam, und darum, die Legenden des Koran zu korrigieren. Sie begehrt auf gegen Heuchelei und falsche Rituale. „Die reine Pornografie und Blasphemie!“, ihr Vater ist nach der Lektüre zutiefst gekränkt und er sorgt sich um die Sicherheit seiner Tochter, die in seinem Heimatland Pakistan (und nicht nur dort) für jedes Infragestellen des Koran getötet werden würde. Auch ihr Ehemann Eli, ein amerikanischer konvertierter Muslim, in der Person von Sven Scheele, der dieser Figur sympathische Toleranz verleiht, der sich solidarisch mit seiner Frau zeigt, ist beunruhigt. Obwohl er inzwischen Imam der Gemeinde ist und ihm der Prophet ebenso heilig ist, wie allen Muslimen, versteht er die Wahrheitsliebe und den Mut seiner Frau, zu widersprechen. Ayad Akhtar, der sich selbst als „kulturellen Muslim“ bezeichnet, hat ein Gespür für Charaktere, Provokation und Pointen, aber auch für Situationskomik, die die Zuschauer fast schon erleichtert mitlachen lässt. Hansa Czypionka spielt den fürsorglichen und durchaus sympathischen Afzal, der von ganzem Herzen möchte, dass seine Töchter glücklich sind, so überzeugend, dass man auch seine Sehnsucht nach den religiösen Wurzeln versteht, die in seinem Leben eine sinnstiftende Rolle spielen. Das Drama, das eigentlich eine Komödie sein soll, ist vorprogrammiert und so verstößt der Vater die „abtrünnige“ Tochter, wie es das Gesetz vorschreibt – auch das eine Frage der Ehre! Zarinas jüngere Schwester Mahwish, unbekümmert und lebenslustig gespielt von Noelle Haeseling, die sich leichter arrangiert hat mit Glauben und Tradition, wird mitgerissen von diesem familiären Tsunami. Dass es doch noch ein Happy-End gibt, sei an der Stelle verraten: Die Liebe siegt, nicht das Gesetz. Die Produktion EURO-Studio Landgraf bescherte Oberursel wieder einmal einen sehr unterhaltsamen und nachdenklich stimmenden Theaterabend mit herausragenden Schauspielern und einem komplexen Thema, das zum Denken anregt: Ganz im Sinne Akhtars: „Ein Bewusstsein haben, nicht nur ein Gewissen“. Nächster Termin: Biedermann und die Brandstifter von Max Frisch, Freitag 14. März, um 20 Uhr in der Stadthalle. Foto: sura



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