Wo angriffslustige „Stecher“ straucheln

Kurz hintereinander stürzen die Stecher der „Rilano Juniors“ und der „Silcher Juniors“ ins Wasser. Daraufhin heißt es: „Die Schiedsrichter entscheiden. Ganz ohne Videobeweis.“ Die Oberurseler Woche hat den Beweis: Die „Rilano Juniors“ gehen zuerst baden. Foto: Semeras

Von Julia Semeras

Oberursel. „Platsch.“ Die Entscheidung ist gefallen, die Menge jubelt. Mehrere Straßen weiter kann man sie noch hören. Denn hunderte Zuschauer und Fans sind bei strahlendem Sonnenschein zum 18. Oberurseler Fischerstechen gekommen.

Unter ihnen ist Ana (21) aus Frankfurt. Sie ist zum ersten Mal dabei. Zu Besuch bei Freunden in unmittelbarer Nähe weckten sowohl die lautstarken Publikumsreaktionen als auch Trommelklänge ihre Neugier. Nun beobachtet sie interessiert und erheitert das Geschehen auf dem Maasgrundweiher. Die Regeln sind schnell verstanden.

Zwei Teams treten gegeneinander an, paddeln aufeinander zu. Die Mannschaften bestehen jeweils aus vier Paddlern und einem „Stecher“. Dieser muss beim Kreuzen der Boote versuchen, den Gegner mit einer gepolsterten Stange durch einen Stoß vom Boot ins Wasser zu befördern. Ein Match kann aus bis zu drei Einzelrunden bestehen. Doch sobald ein „Stecher“ im Wasser landet, scheidet das „gefallene“ Team aus.

Klingt in der Theorie einfach, sieht in der Praxis allerdings anders aus. Beim Wenden des Boots verliert ein Junior-„Stecher“ den Halt und geht ohne Fremdverschulden über Bord. Doch schnell klettert er unter aufmunternden Zurufen des Publikums wieder ins Boot. Insgesamt treten acht junge Mannschaften gegeneinander an. Hierbei gibt es in diesem Jahr eine Besonderheit: Jedes Team darf zweimal „zustechen“, also ein weiteres Match bestreiten. Dies ist eine Ansage, die der Verein Kunstgriff, Organisator des Fischerstechens, vorab machte. Dennursprünglich hatten sich nur drei jüngere Mannschaften angemeldet. Als erfreulicherweise fünf weitere mitmachen wollten, hielt man dennoch das Versprechen ein. „Alle waren zufrieden“, stellt Kunstgriff-Vorsitzender Dirk Müller-Kästner fest.

Und die Kleinen sorgen auch für manche Überraschung. „Ich glaub’s ja nicht“, staunt Moderator Markus Hertle, als die „Stecherin“ der „Orschel Kids“ ihre Kontrahentin vom Team „Scharfe Chilis“ vom Boot stößt. „Die Achtjährige schlägt die Zwölfjährige!“

Bei den Erwachsenen geht es nicht weniger spannend zu. Manch einer kämpft nach dem Stoß hartnäckig um Balance wie Daniel Hobohm vom Team Rilano. Als er strauchelt, hält das Publikum den Atem an, bis er sich doch wieder fängt. Anerkennend wird applaudiert. Aus der Menge ist eine Stimme zu hören: „Wow, er steht noch!“

Im Baströckchen baden gehen

Auch die Kostüme der Teilnehmer sorgen für Gesprächsstoff. Zahlreiche Gruppen sind dem Wunsch des Kunstgriff „um schrille Verkleidung aller Teams“ nachgekommen. Der eine hat ja ein Baströckchen an“, amüsiert sich eine Zuschauerin. Gemeint ist „Stecher“ Oliver Dolbniak des Titelverteidiger-„Teams Rückgrat“, der über seinen Badeshorts ein luftiges Röckchen trägt. Sein Kontrahent Phillip Schwebe vom „Team OBG“ hat sich hingegen für eine quietschlila Maske entschieden. Sein „Wrestler“-Outfit rundet er durch einen martialischen Kampfschrei ab. „Das ist wirklich lustig“, kommentiert Ana das Geschehen. „Das wäre was für meinen Bruder. Er würde direkt mitmachen.“

Jetzt stehen sich aber zunächst die Teams OBG sowie Rückgrat gegenüber. Schwebe und Dolbniak sind zwei würdige Gegner. Sowohl das Publikum als auch die Moderatoren fiebern mit und würdigen die Leistung. Am Ende geht es jedoch zunächst unentschieden aus. Die Spannung steigt. Denn beide „Stecher“ müssen für die Entscheidung auf den „Elfmeter“-Turm. Er wird nicht wegen seiner Höhe, sondern in Anlehnung an das Elfmeterschießen beim Fußball so genannt. Von der Plattform aus gleitet der „Stecher“, an einer Seilbahn hängend, über den Weiher. Dabei soll er zuerst ein Bobbycar und dann sich selbst in ein Planschbecken fallen lassen. Es ist ein spannendes und kurzweiliges Vergnügen. Unter den Anfeuerungsrufen der Zuschauer stellt sich zuerst Schwebe dieser Prüfung. Die Begeisterung ist bei allen groß, denn er schafft es als erster überhaupt, beide Ziele zu treffen. Auf einem aufblasbarem Hai schwimmend, beobachtet er die Leistung von Dolbniak. Dieser verfehlt nur knapp das Ziel. Somit ist das Team der OBG eine Runde weiter. Doch es zeigt sich wieder mal die Freundschaftlichkeit und Fairness beim Fischerstechen. „Ich fand es cute, dass beide sich im Wasser umarmt haben“, meint Ana.

Die Fairness wurde beim Oberurseler Fischerstechen bislang besonders honoriert. Doch dieses Mal gibt es keinen Fairnesspreis, ebensowenig den Kostümpreis, sondern zwei Sonderpreise. Sie sind laut Müller-Kästner dann doch wieder Kostümpreise und werden an das Kinderteam „Colourfighter“ und bei den Erwachsenen an die „Bulltown Girls“, das Team mit Brunnenmeister Mathias, vergeben. Brunnenkönigin Pia I. ist selbstverständlich bei dem Event auch mit von der Partie. Sie bekommt den VIP-Preis überreicht.

Am Nachmittag stehen die Turnierentscheidungen fest. Bei den Kids siegen die „Submariner“. Auf Platz zwei sind die „Silcher Juniors“, gefolgt von den „Orscheler Kids“ und den „Maasgrundgeistern“ auf den Plätzen drei und vier gelandet. Bei den Erwachsenen holt das „Team Frohsinn-Brassband“ den vierten, das „Team Rilano“ den dritten Platz. Nach einem sehr, sehr knappen Finale belegt „Team OBG“ den zweiten Platz. Das Team „Die Silchermänner“ landet auf dem Siegertreppchen ganz oben. Mitdem Jubel neigt sich ein Tag voller Spannung und Spaß dem Ende zu. Und das Fischerstechen hat einige Fans und potentielle Teilnehmer hinzugewonnen.

Weitere Artikelbilder



X