Aufatmen: Ein Großteil der Arbeiten ist gestemmt

Oberursel (pit). Was von außen nach wie vor von der Entfernung das gewohnte Bild von der Liebfrauenkirche abgibt, lässt den Besucher innehalten, wenn er die farblosen Fenster von der Nähe sieht, und staunend in die Höhe blicken, sobald er das ehrwürdige Kirchengebäude betritt. Anlässlich der Renovierungsarbeiten des Innenraums, die vor ungefähr neun Monaten in Angriff genommen wurden, wurde er komplett ausgeräumt, die 4000 Orgelpfeifen wurden sorgfältig eingepackt, der Korpus des Instruments aus der Manufaktur Klais selbst staubdicht verhüllt, ebenso wie der Altar, der normalerweise dank der Gebäudekonzeption die Blicke automatisch auf sich zieht. Nun sind es das sechsstöckige Baugerüst und die sonst in den Hintergrund tretenden Dimensionen des Bauwerks, die einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen – und die besagten farblosen Fensterscheiben.

„Vom Architekten wurde Liebfrauen so angelegt, dass sich normalerweise alles auf den Altar konzentriert“, bestätigt diesen Eindruck auch umgehend Eberhard Selzer, der für Liebfrauen Verwaltungsratsmitglied in der katholischen Großgemeinde Oberursel/Steinbach ist. Da nun aber der ansonsten dunkle Boden mit hellem Material abgedeckt, die zentral darüber befestigte Beleuchtung nicht eingeschaltet wurde und außerdem die farbigen Fenster ebenfalls zur Renovierung demontiert wurden, rücken automatisch die nackten Wände und die extreme Höhe der Decke des denkmalgeschützten Gebäudes in den Vordergrund.

Ein Anblick, der nur mehr kurze Zeit währt, denn dieses Weihnachtsfest soll wieder in Liebfrauen gefeiert werden. Kein Wunder also, dass die Führung, die vom Förderkreis Liebfrauen angeboten wurde, über 70 Gäste anlockte, die von Schatzmeisterin Gertrud von Stietencron und Eberhard Selzer viel Information rund um Architektur und Bauweise des Kirchenbaus erfuhren. Zum Beispiel, dass er schon mit Fertigstellung im Jahr 1965 unter Denkmalschutz gestellt wurde, weil es – konzipiert von Architekt Professor Rudolf Schwarz, der auch beim Wiederaufbau der Frankfurter Paulskirche wirkte – auf ganz eigene Weise die damalige „Aufbruchstimmung“ innerhalb des Kirchenbaus widerspiegelt und somit recht einzigartig in Deutschland ist. Oder dass die Fenster aus der Werkstatt von Gisbert Hocke sich recht schwierig zu restaurieren erwiesen. „Der Gutachter meinte: Der (Hocke) hat sich was getraut“, schmunzelten Gertrud von Stietencron und Eberhard Selzer. Denn selbst nach deren Montage habe er sie per Airbrush noch so bemalt, wie man normalerweise ein Bild malen würde, was die Arbeiten jetzt komplizierter mache.

Dass die Kirche dringend einer Renovierung unterzogen werden musste, lag an dem Zusammenspiel von Wasser und Baumaterialien – und auch an falsch durchgeführten Sanierungsarbeiten in den 70er-Jahren. Damals sei die Außenwand mit Sand abgestrahlt worden, worunter die Bindung des Mörtels in den Fugen zwischen den Klinkern gelitten habe. Die Armierung im Beton wiederum sei schon beim Bau nicht genügend isoliert worden, die Übergänge zwischen Beton und Klinker wurden durchlässig, und durch das Flachdach ist ebenfalls alarmierend viel Wasser eingedrungen. Auch die Aufhängung der Fenster habe sich mit den Jahrzehnten als zu schwach herausgestellt, so dass sie eine neue benötigen: „Vorteil ist, dass wir sie jetzt so anfertigen lassen können, dass man durch sie lüften kann, ohne dass sich Kondenswasser zwischen den Scheiben sammelt.“

All die Arbeiten, die von außen zu erledigen waren, sind mittlerweile abgeschlossen. Jetzt bleiben noch ein paar Wochen für die Innenarbeiten, die ebenfalls schon weit vorangeschritten sind. „Alle Fugen zwischen den Klinkern wurden erneuert und werden noch mit Trockenschnee gereinigt, die Eisenelemente innerhalb des Betons wurden freigelegt, gereinigt und dann wieder verschlossen.“ Außerdem habe der Beton selbst eine Dampfreinigung erfahren.

Insgesamt 1,8 Millionen Euro verschlingen die Sanierungsarbeiten. Dabei verfallen 911 000 Euro auf die Außen- und 889 000 Euro auf die Innenarbeiten. Das Denkmalamt hat insgesamt 140 000 Euro beigesteuert, und die Gemeinde muss zehn Prozent der Kosten aufbringen: „Limburg zahlt den Rest“, verrät die Schatzmeisterin, die sich über die Spendenbereitschaft der Menschen in und um Oberursel freut: „Manche Geber gehören gar nicht der Großgemeinde an, daran sehen wir, dass Liebfrauen geschätzt wird, auch wenn der Bau immer mal kritisiert wird.“ Und ein bisschen Aufatmen lässt sich auch schon durchhören, nachdem der Großteil der Arbeiten gestemmt ist: „Wasser sollte in den nächsten Jahrzehnten kein Problem mehr sein“, sind sich Gertrud von Stietencron und Eberhard Selzer einig.

Der Innenraum der Liebfrauenkirche ist komplett ausgeräumt, ein sechsstöckiges Baugerüst aufgebaut worden. Foto: Pfeifer

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