Das Drama im Wald erfordert Gelassenheit

Führung mit Fachexpertise: Zum Spaziergang durch den Stadtwald mit Bürgermeisterkandidat Carsten Trumpp (5. v. l.) hatte die Oberurseler CDU Bürger eingeladen. Als Experte wurde der international tätige Forstsachverständige Martin Homola (3. v. l.) eingeladen. Foto: js

Oberursel (js). Die CDU und ihr Bürgermeisterkandidat Carsten Trumpp hatten am Sonntag zum Spaziergang im Oberurseler Stadtwald geladen. „Das ist ja schlimmer als auf der Zeil“, murmelt einer vor sich hin. Sonntagnachmittag kurz vor drei Uhr, es ist reichlich was los im Stadtwald. Zwischen Hohemark und der Emminghaushütte jedenfalls. Die Parkplätze gerammelt voll, Wanderer, Spaziergänger, Mountainbiker, Laufsportler sind allein, in Paaren, in großen Gruppen in beide Richtungen unterwegs. Das Bild von der Zeil stimmt auf der langen Geraden hoch zur Hütte. Die etwa 30-köpfige Gruppe um Carsten Trumpp fällt im Gewusel kaum auf. Der Kandidat irgendwo in der Mitte, im Gespräch mit einem Parteifreund aus der Nachbarstadt Bad Homburg, aber aufmerksam und mit Zeit für einen kurzen Geburtstagsgruß an einen guten Bekannten auf der anderen Seite auf dem Weg ins Tal.

Der Wald rechts und links des Weges wirkt hier noch ganz passabel. Nur ein geparkter Schwerlast-Transporter an der ersten Abzweigung weist auf etwas hin, das Forstleuten und Waldfreunden große Sorgen macht. Erster Stopp, der international tätige Forstsachverständige Martin Homola ist gefragt. Als Gast soll er mit Trumpp und interessierten Bürgern ins Gespräch über die Lage im Wald kommen. Am Wegesrand lagert ein Stapel Fichtenstämme, die dort schon lange liegen. Man sieht, dass sie eingewachsen sind, das Holz ist so gut wie nichts mehr wert. Der Transporter holt frischere, längere Stämme von den riesigen Stapeln, die im Umfeld aufgeschichtet wurden. Elf Meter Stamm fassen Container, mit denen das Holz zu Dumpingpreisen nach Asien verschifft wird.

Dürre und Borkenkäfer haben ganze Arbeit geleistet. Und nach ihnen kamen die Forstleute mit schwerem Gerät, um die vom Käfer befallenen Bäume zu fällen und aus dem Wald zu holen. Die kahlen Flächen werden größer, sie werden nicht in Quadratmetern, sondern in Hektar gemessen, zigtausende Festmeter wurden bereits eingeschlagen. Zwei Drittel der Fichten, die 25 Prozent der Gesamtfläche des Waldes ausmachten, seien bereits verloren, hatte Revierförster Luis Kriszeleit bereits im Mai gemeldet. Im Juli wurde von Schäden an 50 Prozent aller Bäume gesprochen, die Lage allenthalben als dramatisch eingestuft. Es überraschte daher, als Forstexperte Homola, der für die GIZ in Bolivien und Indien, Palästina und Fidschi unterwegs war, von „relativ geringen Schäden“ in Oberursel sprach. Er nannte Schäden auf etwa 20 Prozent der 750 Hektar Fläche im Stadtwald, „wir müssen uns eigentlich keine Sorgen machen“, so der Oberurseler, der als Kandidat für den Ortsbeirat auf der CDU-Liste stehen wird.

Tore in die Anderswelt

Der Ort passt, der Wald und sein Zustand berührt Menschen über Parteigrenzen hinweg. Er geht alle an. Geht es um seine Zukunft, rücken parteipolitische Differenzen plötzlich in den Hintergrund, man kann unbefangen diskutieren, wenn die nackte kahle Wahrheit vor einem liegt. Die CDU-Wahlstrategen haben sich bei der Wahl des Spazierweges dezent zurückgehalten, sie hätten eine schlimmere Tour vorgeben können. Wo sich alte Oberurseler, die den Wald seit Jahrzehnten kennen, auch mal fragen, wo sie denn jetzt gelandet sind, wenn sie von völlig neuen Blickachsen verwirrt sind. Wo fünf Meter hoch gestapelte Stämme Tore in die „Anderswelt 2020“ öffnen, wie es einer der Mitwandernden fast gruselig beschreibt. Nur noch einzelne Bäume ragen dort in den Himmel, Kiefern meist, die vom Borkenkäfer verschont wurden. Ein ordentlicher Herbststurm könnte sie alle dahinfegen.

Keine extreme Gegensteuerung

Hinter der Emminghaushütte, Endstation der kurzen Tour, erstreckt sich so ein kahles Feld den Berg hinauf, etwa acht bis neun Hektar, ein fremder, neuer Ort. Martin Homola spricht über „Kalamitätsholz“, das in Märkte „außerhalb der üblichen Märkte“ geliefert wird, erläutert, wie es aus „wirtschaftlicher Not“ zur Fichten-Monokultur an vielen Stellen im Taunus gekommen ist und wie der Borkenkäfer „ruckzuck“ dafür sorgt, dass ganze Kulturen verschwinden, wenn er einmal drin ist im Holz, und die Dürre der vergangenen drei Sommer ihm dabei zu Hilfe kommt. Mit Pheromonfallen habe man ihn früher bekämpft, um ihn unter Kontrolle zu halten, das reiche jetzt nicht mehr. Und Homola spricht von Geduld, die man nun haben müsse mit dem Wald. „Was bedeutet Geduld in der Forstwirtschaft?“ will Bürgermeister-Kandidat Carsten Trumpp wissen. Die Kernbotschaft, die er wenig später auf den Heimweg mitnimmt: „Wir müssen schauen, dass wir den Wald sich selbst überlassen. Wir brauchen Geduld und sollten nur maßvoll eingreifen, ohne extreme Gegensteuerung.“

„Wann sieht das hier wieder wie Wald aus?“ fragt der CDU-Fraktionsvorsitzende Jens Uhlig. Zwei Jahrzehnte dürften dafür ins Land gehen, prognostiziert der Experte, erste Fortschritte könnten aber schon in ein paar Jahren zu sehen sein. „Was können wir tun zur Rettung des Waldes?“ Eine Frage, die immer wieder kommt an diesem trüben Nachmittag. Auf Fichten verzichten, die Flächen räumen, Geduld haben. Der Wald soll sich auf natürliche Art verjüngen, moderates Nachpflanzen erwünschter Bäume könne dem Prozess des Wiederaufbaus helfen. So weit zu den Bäumen im Wald. Einig ist sich der Forstsachverständige mit Revierförster Kriszeleit, dass bei diesem langfristigen Prozess die Jagd ein „entscheidender Faktor von Bedeutung“ sein wird. Denn Buche und Eiche etwa, die ja nachwachsen sollen, hätten einen anderen Feind, nämlich das Rot- und Rehwild, das sich vornehmlich an nachwachsenden Jungbäumen zu schaffen mache. Ein „modernes Wild- und Jagdmanagement“ sei gefragt, so Homola. Statt mit langfristigen Jagdpachten zu arbeiten, sollten Jagdbegehungsscheine ausgegeben werden, um die übermäßigen Wildbestände mit gezielten Abschüssen besser unter Kontrolle zu halten.

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