Dutzende von Kranichen werben für den Frieden

Attrappe von „Little Boy“, der über Hiroshima abgeworfenen Atombombe. Von manchen Opfern blieb nur ein Schatten. Fotos: Biedermann

Oberursel (HB). Es ist vollbracht. Der Kunstgriff hat im Orscheler Sommer mehr als 40 Veranstaltungen organisiert und ist damit an seine Grenzen gestoßen. Am Sonntag war Finaltag in der Adenauerallee, in der rund 500 Menschen am Friedensfest teilnahmen. Es fiel mit dem Antikriegstag zusammen, der alljährlich am ersten September an den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges erinnert. Vor 80 Jahren hat Nazideutschland Polen überfallen und damit ein Inferno mit 60 Millionen Toten entfacht. Beim Fest der Pazifisten gab Kunstgriff-Vorsitzender Dirk Müller-Kästner die Parole „Waffeln statt Waffen“ aus.

Ein Kranich für die Hoffnung

Die „Friedensbewegten“ versammelten sich auf historischem Terrain. Die Bühne, so erläuterte Stadtführer Dietrich Andernacht, nahm den Platz des Skagerrak-Denkmals ein, das 1935 als Glorifizierung der Seeschlacht aus dem Ersten Weltkrieg errichtet und 1945 vor dem Einmarsch der Amerikaner von Nationalsozialisten zerstört wurde. In der Nachbarschaft steht die einstige Kaiser- und heutige Friedenseiche, die der Kriegerverein dort platzieren ließ, damit sie vom Clublokal aus zu sehen ist. Das Denkmal von 1895, auf dem der Adler in Richtung Frankreich späht, wurde mit großem Pomp eingeweiht und sollte den Preußensieg von 1871 verherrlichen. Zu seinen Füßen hat das „Oberurseler Bündnis für Frieden“ zur Feier des Tages ein Beet mit dem Kranich angelegt. Der Zugvogel gilt in Japan als Symbol für Frieden und Hoffnung. In einer Bastelwerkstatt wurden Dutzende dieser Friedensvögel gefertigt, die nunmehr in das Land der aufgehenden Sonne geschickt werden.

Künftig soll an jedem ersten September der Kriegskatastrophe in einem solchen Rahmen gedacht werden, kündigte die Moderatorin Antje Runge, Ortstvereinsvorsitzende der SPD, an. Damit solle der Zusammenhalt in der Bevölkerung gestärkt und ein Rückfall in kriegerische Zeiten verhindert werden. Die beste Friedenssicherung, daran ließen die Macher des Festes keinen Zweifel, ist die totale Abrüstung. Vor allem der Verzicht auf Atombomben.

Wer an diesem Sonntag durch die Allee spazierte, der kam an einer Nachbildung der Hiroshima-Bombe vorbei, die am 6. August 1945 über der japanischen Großstadt explodierte und von den Amerikanern zynisch „Little Boy“ genannt wurde. Die Attrappe war mit symbolischen Geldbündeln bestückt, die man herausnehmen und alternativ auf Töpfe für Bildung oder Krisenintervention verteilen konnte.

Bei Kriegsbeginn vor 80 Jahren war auch in Oberursel von Euphorie nichts zu spüren. Lokalhistoriker Andernacht, Jahrgang 1950, weiß aus familiären Erzählungen, dass sich stattdessen Unbehagen und Angst breit machten. Über die Kriegsfolgen berichtet Liselotte Bieback-Diel in ihrem Buch „Geraubte Kindheit“, in dem sie Zeitzeugen aus Oberursel und den Partnerstädten zu Wort kommen lässt. Birgit Roher vom Partnerschaftsverein interviewte die Professorin.

Als 1981 die Nachrüstungsdebatte tobte und die Stationierung von Pershing-Raketen zu Massendemonstrationen führte, wurde der Chor „Entrüstet Euch“ in einem Wohnzimmer gegründet. Aus einer Handvoll sind mittlerweile drei Dutzend Mitglieder geworden, die von Harald Hoffmann dirigiert werden. Die Politsänger animierten zum gemeinsamen Singen des Hannes Wader-Liedes „Gut, wieder hier zu sein“

Hinter der Bühne hing ein mächtiges Transparent, dessen Text an den ermordeten amerikanischen Bürgerrechtler Martin Luther King erinnerte: „Wir haben nicht gelernt, wie Bruder und Schwester miteinander zu leben.“ Ein Anfang ist gemacht worden.



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