Das Ende einer langen Gift-Odyssee

Endlich fertig nach acht Jahren: Volker Schrenk, Pojektleiter bei CDM Smith, und Christof Fink überwachen das Finale und die Spurenbeseitigung am „Tatort“. Foto: js

Von Jürgen Streicher

Oberursel. „Bodensanierung in der Eppsteiner Straße erfolgreich abgeschlossen.“ So lautet die Botschaft, die seit Ende der vergangenen Woche aus dem Rathaus nach außen vermittelt wird. Endlich. Das betroffene Grundstück in der Altstadt, knappe 200 Quadratmeter groß, ist nun offiziell frei von Schadstoffen. Acht Jahre lang haben Experten dort auf engstem Raum gearbeitet, haben Absaugbrunnen bis zu 14 Meter tief angelegt. Jetzt wurden die letzten großen grünen Container mit technischem Equipment in einer aufwendigen Aktion abtransportiert. Einen „guten Tag für Oberursel“ nannte es der für das Umweltdezernat zuständige Erste Stadtrat Christof Fink.

Ein letzter aktivierbarer Absaugbrunnen im Hinterhof der Eppsteiner Straße 13 zeugt noch von der intensiven Bearbeitung des Geländes auf historischem Grund. Eine „geringe Restbelastung“ im Boden konstatieren die Fachleute auch nach Abschluss der Bodensanierung noch, deswegen wird es eine „Nachsorgephase“ geben, die bis zu fünf Jahre dauern kann. Kalte Bodenluft-Absaugung, enge Überwachung des Grundwassers, Raumluft-Monitoring in den direkt benachbarten Häusern, alles in Abstimmung mit dem Regierungspräsidium (RP), erläutert Fink. Und: „Mit dieser Sanierung hat die Stadt Oberursel mit hohem Aufwand einen großen Umweltschaden aus der Vergangenheit beseitigt.“ Zähneknirschend, denn was da bis Mitte der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts in den Boden gekippt wurde, war nach heutigem Verständnis in Umweltfragen reichlich kriminell. Die Verursacher konnten nicht mehr verantwortlich gemacht werden, die Stadt hat rund drei Millionen Euro für die Putzkolonne bezahlt, ein Zehntel davon übernimmt das Land Hessen.

Der inszenierte Abgang der Sanierungsprofis erinnerte in seiner Dimension noch einmal an den „enormen Kraftakt“, so Fink, den die Stadt und die von ihr engagierten Experten hier vollbracht haben. Ein riesiger Kranwagen, bis zu 70 Meter in die Höhe ausfahrbar, wurde auf festen Füßen an der Ecke zur Ackergasse installiert. Über Altstadtdächer hinweg musste die schwere Last gehievt werden, zwei schon fast paradoxerweise grasgrüne Container am Haken schwerer Ketten, in denen die Sanierungsanlage auf einen Schwerlastwagen zum Abtransport geladen wurde. Noch einmal musste die Eppsteiner Straße dafür komplett gesperrt werden, ein letztes Symbol für den acht Jahre währenden Kraftakt im Hinterhof zwischen dem Altstadtgemäuer.

Die ersten grün denkenden Stadtväter hatten es schon früh geahnt, Anfang des neuen Jahrtausends folgte die Gewissheit. Mitte 2002 wurden Bodenuntersuchungen auf dem seit 1976 städtischen Grundstück in Auftrag gegeben. Auslöser waren Informationen über die Vornutzung des Geländes in den 1950er-Jahren bis in die 70er-Jahre. Ein chemischer Betrieb hatte hier über einen längeren Zeitraum seine Fässer auf dem Hof gereinigt. Verwendet wurden dabei jede Menge sogenannte leichtflüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe (LHKW), das giftige „Spülwasser“ der Fassreinigung wurde einfach im Hof ausgekippt. Leicht flüchtig waren irgendwann auch die Chemiefabrikanten, die Stadt erwarb das Grundstück im Rahmen der Altstadtsanierung.

Bis zum Abräumen der grünen Container und zur Erfolgsmeldung aus dem Rathaus vergingen insgesamt 18 Jahre. Jahre, über denen viele Fragezeichen stehen, Jahre der Suche nach der Lösung für ein Problem, das nur langsam umfänglich erfasst und verstanden wurde. Ein 2002 mit der Bodenuntersuchung beauftragtes Ingenieurbüro aus Oberursel dokumentierte in seinem ersten Gutachten eine Verunreinigung des Bodens und regte weitergehende Untersuchungen an. Zeitgleich erstellte das RP ein Grundwassermodell für Oberursel, um auf die Herkunft einer im Grundwasser festgestellten LHKW-Belastung schließen zu können. Lokale Untersuchungen des Grundwassers in der Eppsteiner Straße blieben in den folgenden zwei Jahren ohne Ergebnis. Nach einer weiteren Erkundung des Standortes 2005 stellte ein Gutachten 2006 fest, dass Boden, Bodenluft und Grundwasser mit LHKW kontaminiert waren. Zusätzliche Gutachten waren erforderlich, sie wurden von 2007 bis 2009 als Grundlage für ein Sanierungskonzept erarbeitet. Eine Variantenstudie folgte noch im gleichen Jahr, bis zum Sanierungsbescheid des RP Darmstadt drehte sich die Jahresuhr in den Februar 2012.

Optimistisch wurden für die Sanierung zwei Jahre angesetzt, kalkuliert wurde mit Kosten um die 600 000 Euro. Gewählt wurde in Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde das noch junge Dampf-Luft-Injektionsverfahren. In der eng bebauten Altstadt wurde das Verfahren als „einzig praktikable Methode“, so Fink, identifiziert, ohne dass die Bewohner im direkten Umfeld hätten umgesiedelt werden müssen. Beim gewählten Verfahren wird der Boden mit Dampf-Luft-Injektion auf über 80 Grad aufgeheizt und damit werden die im Untergrund befindlichen LHKW verdampft. Die Schadstoffe werden mit der Bodenluft abgesaugt und über Aktivkohle gereinigt. Mehr als vier Tonnen Schadstoff wurde in all den Jahren aus dem Untergrund entfernt. Als die „Schadstoffaustragsraten“ im vergangenen Jahr deutlich rückläufig waren, wurde die Aufheizung des Bodens eingestellt. Der Boden kühlt seitdem ab. In der Eppsteiner Straße handelt es sich um eine „Herdsanierung“. Weitere Herde im Stadtgebiet sind nicht ausgeschlossen.

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