Erinnerung bewahren, Opfer niemals vergessen

Etwa 50 Menschen haben sich zum stillen Gedenken am Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus mit Kranz und Kerzen versammelt. Foto: js

Oberursel (js). Am Ende der kleinen Gedenkfeier am Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus erklang noch einmal „das Lied von Auschwitz“ als Trompetensolo. Sie haben es damals immer wieder gespielt und gehört in den Todeslagern, traurige melancholische Töne, ein Stück Leben im Kampf gegen den drohenden Tod. Mit dem Verklingen des letzten Tons ertönten die Glocken der Hospitalkirche, die etwa 50 Menschen davor vereint zu einer Schweigeminute. Am Freitag, 27. Januar 2023, dem 78. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Am Denkmal, das an die Oberurseler Opfer erinnert, brennen Kerzen, ein Kranz wird niedergelegt. Das jüdische Gebet für die Toten muss ausfallen, weil Vorbeter Tibi Aldema von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) erkrankt ist, zum „Interreligiösen Friedensgebet“ treffen sich später noch Menschen in der Kirche.

Rund 1,1 Millionen Menschen sind in Auschwitz ermordet worden, daran erinnert Annette Andernacht von der Initiative Opferdenkmal. Um es zu verdeutlichen, dies seien so viele Menschen wie heute in ganz Frankfurt, Offenbach und dem gesamten Hochtaunuskreis zusammen leben. „Es ist eine gute Tradition, dass wir heute hier gedenken“, so Andernacht. Es sei unsere „moralische Pflicht, das Erinnern zu bewahren“, mahnte zuvor Bürgermeisterin Antje Runge. Und nie dürfe das Erinnern nur zu einem Ritual werden, vielmehr gehe es um aktives Erinnern, für das auch neue Formen gefunden werden müssten angesichts des Aussterbens der immer weniger werdenden Zeitzeugen. Das Opferdenkmal stehe dafür, auch die „Stolpersteine“, die im vergangenen Jahr bei zwei Aktionen an mehreren Standorten verlegt wurden.

In Oberursel leistet die Historikerin und inzwischen Lehrerin im Ruhestand Angelika Rieber seit vielen Jahren herausragende Arbeit für jenen geforderten Erhalt von Erinnerungskultur. Zeitzeugen-Gespräche, Führungen zu jüdischen Orten der Vergangenheit, kulturelle Veranstaltungen, viele Publikationen, nie ist sie müde geworden, an das Leid der jüdischen Mitmenschen im Nationalsozialismus zu erinnern, hat unendlich viele Spuren der Geschichte verfolgt und sie öffentlich gemacht. Natürlich war sie am Vorabend dabei, als Mieczyslaw Grochowski, den sie alle nur Mietek nennen, im Kulturcafé Windrose zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus von seiner Kindheit im KZ Stutthof erzählt hat. Auch ein Zeitzeuge, im Frühling des ersten Kriegsjahrs 1939 geboren. Vier Jahre war er, als die gesamte Familie in ein Internierungs- und Arbeitslager verschleppt wurde und dort bis 1945 inhaftiert war. Die Mutter überlebt mit den Kindern den Krieg, der Vater stirbt im Lager. Als Jugendlicher entdeckt er die Trompete als sein Instrument, seit 2001 kommt der heute 83-Jährige, der in Danzig und Berlin lebt, immer wieder als Zeitzeuge zu Gesprächen und Veranstaltungen nach Deutschland.



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