Film-Vergnügen unter freiem Himmel ganz ohne Barrieren

Klares Statement von Ryan und Cora von der Albrecht-Strohschein-Schule: „Wir Schüler haben den Film gesehen und fanden ihn ganz gut“. Im Hintergrund die „Dolmetscherinnen“ Anette Kumant (li.) und Kathrin Enders. Foto: js

Oberursel (js). Kathrin Enders und Anette Kumant stehen den gesamten Filmabend im Rampenlicht. Sind Helfer im Hintergrund und doch durchgehend im Vordergrund präsent. Ohne sie könnte der Anspruch des Abends nicht verwirklicht werden. Der „Verein Kunstgriff“ als Veranstalter des Orscheler Sommer will barrierefreies Open-Air-Kino bieten. Deswegen waren beim letzten Filmabend im Rushmoor-Park im langen, nun leider zu Ende gehenden, „Orscheler Sommer“ die Rollen der Hauptdarsteller doppelt besetzt. Auf und neben der Leinwand.

Kathrin Enders und Anette Kumant stehen auf einem kleinen flachen Podest links neben der Leinwand, angestrahlt von Scheinwerfern. Ihre Silhouetten werfen Schatten an den nachtblauen Himmel. Mit ihren Fingern, Händen und Armen, aber auch mit Gestik und Mimik übersetzen sie den Film für Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen. Die beiden Frauen aus Bad Nauheim und Frankfurt sind Dolmetscherinnen für deutsche Gebärdensprache. So heißt das offiziell, ein bisschen sind sie auch Schauspielerinnen. „Ja, wir sind die Hauptdarstellerinnen“, sagt Kathrin Enders scherzhaft im Gespräch vor dem Film. Zeit ist genug dafür, denn auch bei der Technik gibt es Handicaps zu überwinden, ehe im dritten Versuch tatsächlich der Film ordnungsgemäß anläuft. Passender Titel: „Wunder“, ein wunderbarer Film mit Hollywood-Star Julia Roberts, ihrem Kollegen Owen Wilson und dem genialen Jakob Tremblay, der einen Jungen spielt, dessen Gesicht durch einen seltenen Gendefekt entstellt ist.

Neben Kathrin Enders und Anette Kumant sind auch technische Hilfen im Einsatz beim barrierefreien Kino. Induktionsschlingen etwa für Menschen mit Hörgerät oder Cochlea-Implantat, das Neugeborenen mit Hörschädigung eingesetzt werden kann und die Hörfähigkeit zu 90 Prozent herstellen soll. Auch Audio-Deskription ist möglich, also Bildbeschreibung für Menschen mit Sehbehinderung über eine App im Handy. Dafür hat Laura Englert gesorgt, die Geschäftsführerin des Landesverbandes für Körper- und Mehrfachbehinderte Hessen (LVKM) mit Sitz in Oberursel. Die junge Frau war schon im vergangenen Jahr an der Organisation des ersten barrierefreien Filmabends im Rushmoor-Park beteiligt, auch damals kamen wie am vergangenen Freitag rund 400 Filmfreunde in den Park. Die LVKM-Vorsitzende, die frühere hessische Kultusministerin Dorothea Henzler, ebenfalls aus Oberursel, begrüßte die Gäste des besonderen Kinoabends und wertete die Arbeit der beiden Frauen auf dem Podium als „tolle Leistung“. Diese sei sehr anstrengend und hochkompliziert.

Der Kunstgriff, die Aktion Mensch und der LVKM Hessen unterstützen das Projekt barrierefreies Kino. An einem improvisierten Stand informiert auch „oberursel all inclusive“, das Netzwerk für Menschen mit Beeinträchtigung, über die tägliche Arbeit. In diesem Netz unterwegs ist ebenfalls die Albrecht-Strohschein-Schule, eine heilpädagogische Schule auf anthroposophischer Basis. Schüler haben Werbeplakate für den Film-abend gestaltet.

Cora und Ryan, die beide die Albrecht-Strohschein-Schule besuchen, übernahmen die Anmoderation. Auch diese zwei sind Hauptdarsteller für diesen Moment mit einer wichtigen Botschaft. „Wir Schüler haben den Film gesehen und fanden ihn ganz gut“, sagt Ryan. Das fanden am Ende so ziemlich alle Besucher im Park.



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