Wer folgt auf Hans-Georg Brum?

Die Stimmung bei der Online-Podiumsdiskussion des fokus O. ist gechillt, entspannt, unaufgeregt. Und so sehen die Kandidaten auf den Wahlplakaten aus.Foto: js

Oberursel (js). Das Gerangel um die Nachfolge von Bürgermeister Hans-Georg Brum (SPD), der die politische Bühne an vorderster Front verlassen will, geht in die letzte Runde. Mehr als 34 000 Oberurseler sind aufgerufen, am 14. März einen neuen Bürgermeister zu wählen. Nach 18 Jahren Hans-Georg Brum, der bei seiner ersten Wahl 2003 von einem innerparteilichen Streit in der CDU profitiert hat, die plötzlich zwei Kandidaten hatte, stehen nun sieben Männer und eine Frau bereit, das Erbe Brums anzutreten. Zum Endspurt im Wahlkampf hat fokus O., das Forum der Selbstständigen Oberursel, eine Institution, wenn es um Handel und Wirtschaft geht, drei Wochen vor der Wahl eine Online-Podiumsdiskussion organisiert.

Kleine Botschaften mit wenig Information auf viel Fläche im analogen Raum, großes Vertrauen auf die Macht des Bildes und den Verstärkereffekt durch Penetranz an vielen Orten, bestimmen diesen im öffentlichen Raum stillen Wahlkampf. Ohne große Töne in öffentlichen Veranstaltungen mit politischer Prominenz kommt er daher, ohne Podiumsdiskussionen, bei denen die rhetorischen Messer gewetzt werden, ohne den sonst üblichen Straßenwahlkampf in der City und an anderen strategischen Plätzen. Der Wahlkampf wird vor allem digital ausgetragen, „soziale Medien“, lokale Foren und persönliche Internetseiten der Kandidaten sind die Plattformen, auf denen sie sich beweisen müssen. Auch mal im Friseursalon, in den Altstadt-Bewohner eingeladen hatten, um beim Waschen und Fönen herauszukitzeln, wer denn ihr Favorit am Wahlsonntag sein könnte. Ergebnis: Nachzulesen im Internet.

Und jetzt? Man muss schon genau hinhören und hingucken, um große Unterschiede im gleichzeitig stattfindenden Bürgermeister- und Kommunalwahlkampf zu entdecken. Die Themen sind gesetzt, keiner kann sich den drängenden Herausforderungen Stadtentwicklung und Wohnen, Wirtschaft und Handel in einer lebendigen Innenstadt, Verkehr und Grün entziehen, die der fokus O. als vorrangige Themen für die Online-Diskussion vorgegeben hatte. Die Worte Klimaneutralität, Verweilqualität und Digitalisierung gehen allen Kandidaten inzwischen geschmeidig über die Lippen, fast natürlich geht es für alle um die Belebung oder wahlweise Wiederbelebung der Innen- und der Altstadt. Um bezahlbaren Wohnraum, Ansiedlung von Gewerbe, um veränderte Mobilität. Keiner will sich dabei zu weit aus dem Fenster lehnen, um potenzielle Wähler zu verprellen, im Umgang miteinander halten sich alle an die Spielregeln, Verletzungen, Beleidigungen oder gar Bedrohung und Hass außen vor zu lassen, wie vom Veranstalter und von Moderator Klaus Winkler vorgegeben.

Rund 200 Zuschauer und Zuhörer sind fast durchgehend live dabei. Kleine Überraschung: 60 Prozent haben sich schon vor den ersten Statements für ihren Kandidaten entschieden, das wird spontan erfragt. In der ersten Stunde der auf die Länge eines Fußballspiels begrenzten Diskussionsrunde gehen weit über 100 Live-Chats ein (am Ende sind es 373), die alle unmittelbar für die Teilnehmer am heimischen Bildschirm eingeblendet werden. Klaus Winkler und seine Co-Moderatorin Joana Racine haben die sieben Männer und die einzige Frau im Oktett, Antje Runge (SPD) gut im Griff, knackig kurz müssen die Aussagen zu den angesprochenen Themen sein, mehr als eine Minute Redezeit gibt es nicht. Dann muss alles gesagt sein. Wer am Ende die meisten Pluspunkte gemacht hat und ob sich etwas an der Festlegung auf einen Kandidaten geändert hat, wird nicht verraten.

Verraten die Hintergrundbilder etwas über die Einstellung der Menschen, die vor ihnen sitzen? Bei CDU-Kandidat Carsten Trumpp ist es die St.-Ursula-Kirche, bei Dennis Luxen von der Satire-Partei „die Partei“ ist es deutlich auch der Turm von St. Ursula. Antje Runge sitzt vor der leicht verschwommenen Marktplatz-Kulisse, Christof Fink vor einer blassgrünen Wand, der Unabhängige Dirk Müller-Kästner ist umgeben von Wahlplakaten mit seinem Konterfei, Andreas Bernhardt (OBG) scheint in seinem Wohnzimmer zu sitzen, bei Peter Lutz (AfD) hängen Fahrräder in der Zimmerecke. Bei Michael Planer (FDP) ist seine Idee von der Kleinmarkthalle auf dem Epinay-Platz schon Wirklichkeit geworden, in der Bildsprache das deutlichste Statement.

Was ihnen „Herzensangelegenheit“ ist, sollten die sieben Herren und die Dame am Ende dem Publikum spontan verraten. „Eine Stadt für alle in einer stabilen Stadtgesellschaft. Bei mir regiert das Wir“ (Antje Runge). „Mehr Grün in die Stadt bringen und das gesellschaftliche Leben stärken für alle“ (Carsten Trumpp). „Den Weg zu Klimaneutralität bereiten für heute und die Zukunft“ (Christof Fink). „Für die Bürger da sein und gemeinsam an den Zielen arbeiten“ (Michael Planer). „Die Stadt und ihre Finanzen miteinander weiterentwickeln“ (Andreas Bernhardt). „Eine lebenswerte Innenstadt mit viel Kultur gestalten“ (Dirk Müller-Kästner). „Freiheit zurückgeben“ (Peter Lutz). „Oberursel als offene, lebenswerte Stadt erhalten, auch noch 2080“ (Dennis Luxen). Das Forum der Selbstständigen hat angekündigt, die komplette Diskussion auf der Internetseite www.fokus-o.de einzustellen. Den „Vorfilm“ mit den Kandidaten haben bis Montag bereits rund 500 Leute angeklickt.



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