Fußgänger checken sichere Wege durch die Stadt

In der Unteren Hainstraße: Wo hört die Straße auf, wo fängt der Fußgängerweg an? Wer hat wo welche Rechte? Foto: Streicher

Oberursel (js). Wo es erlaubt und im Verkehrskonzept vorgesehen ist, geht Dietrich Andernacht immer auf der Straße. In verkehrsberuhigten Zonen etwa wie in der Unteren Hainstraße, in denen die Vorgabe Schrittgeschwindigkeit lautet. Heißt: Nicht schneller als mit sieben Stundenkilometern dürfen Fahrzeuge unterwegs sein, Autos wie Radfahrer. Zum Schutz von Fußgängern, für die Stadtbereiche vor allem in der inneren City attraktiver gestaltet werden sollen. Ein bisschen Erziehungsmaßnahme steckt immer mit drin, wenn Dietrich Andernacht auf der Straße geht. „Sie ist auch für uns Fußgänger da.“ Das wird längst nicht immer so von den „Stärkeren“ anerkannt.

Die Situation beschreibt den Konflikt, Vorgaben werden gerne umgangen. Beim „Stadtspaziergang“ am Samstagmittag hatte fast jeder der rund 30 Spaziergänger Klagen parat. Über Autos in der Fußgängerzone, über unübersichtliche Strukturen, ungesicherte Straßenübergänge, Stolperfallen, Rücksichtslosigkeit. Der Fußgänger ist immer das letzte Glied in der Kette. Beim „Nahmobilitäts-Check“ geht es im Rahmen der Neugestaltung städtischer Verkehrsflüsse vorrangig um das Wohl der Fußgänger, der Stadtspaziergang ist ein Instrument der Bürgerbeteiligung im Prozess.

„Vor allem mittags wird hier rücksichtslos gefahren“, empört sich Norbert Pehl gleich an der ersten Station, dem Übergang in der Vorstadt zwischen Rathausplatz und Epinay-Platz. „Viele Schüler, aber auch andere viel zu schnell auf dem Rad, aber das größere Übel sind die Autofahrer.“ Autofahrer außerhalb der erlaubten Be- und Entladezeiten zwischen 7 und 11 Uhr. Radler, die Verkehrsschilder ignorieren oder bei der Durchfahrt nicht verstehen. Wenn in einer Richtung etwa steht, dass der Weg für Radler im Schritttempo freigegeben ist, auf der anderen Seite aber, dass dies nur für die Zeit zwischen 20 Uhr und 9 Uhr gilt. Muss man wissen, dass für die ganztägige Öffnung nur die Querachse gilt, aber bitte im Schritttempo, was gar nicht so leicht zu fahren ist.

Förderung durch das Land

Der Fußverkehr soll „künftig sicherer und attraktiver gestaltet werden“, so Verkehrsdezernent Christof Fink, der zweieinhalb Stunden mitgelaufen ist. Laut Stadtplanung geht es um die „Optimierung des öffentlichen Raums für Fußgänger und Radfahrer“. Ziel: Der Anteil der innerstädtischen Wegstrecken, die zu Fuß, mit dem Rad, dem ÖPNV oder „inter- und multimodal“ zurückgelegt werden, soll in den kommenden Jahren „massiv erhöht werden“.

Die Stadt nutzt mit dem „Nahmobilitäts-Check“ einen Fördertopf aus dem Programm „Mobiles Hessen 2020“ des Verkehrsministeriums. Der Check wird 23 000 Euro kosten, Wiesbaden übernimmt davon knapp 14 000 Euro. Er ist gleichzeitig Grundlage für die Förderung konkreter Einzelmaßnahmen durch das Land. Und wird sich daher auch „finanziell langfristig für Oberursel auszahlen“, ist Fink sicher. Mit der Umsetzung wurden zwei Planungsbüros aus Braunschweig und Hannover beauftragt. Der externe Blick soll dazu beitragen, Schwachstellen im System aufzuzeigen, die in der gewohnten Wahrnehmung gerne verdrängt werden.

Nachholbedarf für Fußgänger

Bei der ersten Erkundung geht es um den innersten Kern der City zwischen Altstadt, Fußgängerzone und Bahnhof. Elf neuralgische Punkte hat die Moderatorin des Stadtspaziergangs, Juliane Krause vom Braunschweiger Fachbüro plan & rat bei der Besichtigung vorab ausgemacht. Ihr geht es um die Wahrnehmung und Erfahrungen der Radler und Fußgänger, der Kollege Benedikt Even der Planungsgemeinschaft Verkehr (PGV) Hannover notiert akribisch jede Einzelheit. Zusammen sollen die beiden Büros konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation im jeweiligen Bereich erarbeiten, die dann wiederum in einem öffentlichen Workshop diskutiert werden können. Wird spannend, was dabei für den Epinay-Platz rauskommt. „Der Epinayplatz ist für Autos gesperrt“, sagt Juliane Krause zur Einleitung an der zweiten Station, so soll es sein. Ein Lachen geht durch die Runde, Vorgabe und Realität sind auch hier nicht identisch. „Der Bus fährt zu schnell, seit die Poller weg sind, fährt hier jeder durch, wie er will“, gibt einer zu Protokoll. Auch in diesem Moment, „aber das ist ein Marktbeschicker“, weiß ein anderer. Die dürfen natürlich, aber wer kann das unterscheiden?

Eine schwierige Lage auch für Christof Fink und seine Leute im Rathaus, da den richtigen Weg zu finden. Einen ersten Pluspunkt bekommt der Verkehrsdezernent in der Oberhöchstadter Straße gegenüber der Polizeistation. Kaum Chancen für Fußgänger zum sicheren Überqueren einer viel befahrenen Ortsdurchgangsstraße, lautet die Kritik. „Hier sind im nächsten Jahr ein Zebrastreifen und Tempo 30 vorgesehen“, kündigt Fink an. Fachfrau Juliane Krause sieht schon jetzt viele positive Aspekte auf den innerstädtischen Wegen, vor allem mit Blick auf Radfahrer. „Gute Verbindungen, in beide Richtungen befahrbare Einbahnstraßen, das ist schon sehr gut“. Die Versorgung der Fußgänger mit sicheren und attraktiven vernetzten Verbindungen „steckt aber noch in den Kinderschuhen“. Der Nahmobilitäts-Check listet alle Defizite gnadenlos auf. Acht Monate werden die Planungen voraussichtlich in Anspruch nehmen.

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