Im Galopp dem Poloball hinterher

Da staunen die Kurgäste im Park nicht schlecht. Polo-Ikone Christopher Kirsch (links im blauen Shirt) und Nicolas Martin aus Argentinien spielen sich werbewirksam auf der vertrockneten Wiese ein. Foto: js

Von Jürgen Streicher

Oberursel. Der Polo-Sport ist zurück im Grenzland zwischen Oberursel und Bad Homburg. Auf sonst landwirtschaftlich genutzter Fläche am Ortsrand von Oberstedten, direkt neben dem Blumenfeld von Landwirt Kofler. Pferde und Reiter durften nach dem letzten Auftritt im Sommer 2019 wieder mal drei Tage am Rand der Auenlandschaft entlang dem Dornbach spielen, die derzeit allerdings eher als Savanne daherkommt.

Das Drama der Premiere von 2011 ist noch eingebrannt in den Köpfen derer, die damals dabei waren. Ein Pferd knickt im Galopp beim Kampf um den kleinen Hartplastikball ein, stürzt, bricht zusammen. Das sieht nicht gut aus, wenig später guckt das Pferd von oben zu, wie es der Landwirt ausdrückte, der seine Wiesen für das Spektakel zur Verfügung gestellt hat. Es musste eingeschläfert werden.

Nun war wieder Polo-Zeit, zum vierten Mal gastierte die German Polo Tour im Taunus. Ohne kapitalen Kollateralschaden, die Wiesen am Platzenberg waren schon zuvor von der heißen Sonne ausgebrannt, die Löcher darin mit Sand gefüllt, um die Verletzungsgefahr zu verringern. Da blieb in den Spielpausen kaum ein Loch zu reparieren. Wie das beim Polo üblich ist, erledigen das die Zuschauer beim traditionellen „Eintreten“. Man kennt das aus dem Film „Pretty Woman“, wenn Julia Roberts mit Richard Gere eintreten geht. Gut, dass ein kleines Stück der Spielfläche zur Bad Homburger Gemarkung gehört. Mit der Stadt mit der Champagnerluft im Untertitel kann man besser für den exklusiven Sport werben, den Deutschlands erster Polo-Repräsentant Christopher Kirsch gerne „mehr unters Volk bringen“ will. In Oberstedten ist der 54-jährige Spieler und Kapitän der Nationalmannschaft der Mann für alle Fälle, ist Mitorganisator, Moderator, Reiter und Mitspieler und nebenbei auch noch Pressereferent.

Flotte Reiter und Amazonen

Ganz so illuster wie im Film ist das Publikum aber nicht, selbst der Oberbürgermeister der Kurstadt mit seiner Gattin an der Hand kommt ohne Homburg oder Strohhut auf dem Kopf, stattdessen (wie auch die Gattin) im Polo-Shirt mit Werbung der heimischen Sponsoren-Bank. Breitrandige Hüte und klassischer Chic sind nur bedingt angesagt im vertrockneten Wiesengrund, die geladenen Gäste kommen im Fan-Polo-Shirt zu den Finalspielen am dritten Tag wie die Fans der Eintracht im Stadion im passenden Trikot. Beim German Polo in Oberstedten herrscht Klarheit, der Sponsor bestimmt sogar den Team-Namen, im Endspiel trifft die kleine Regionalbank auf den Schweizer Konzern aus der Uhren- und Schmuckbranche, das „kleine Finale“ bestreiten Immobilienmakler gegen Autohändler.

In Pagoden-Zelten und davor unterm Sonnenschirm wird der dazu passende Champagner serviert, es gibt Leckeres aus der Zeltküche. Draußen in der Steppe unter der noch heißen Septembersonne sorgen flotte Reiter und ebenso flotte Amazonen, wie die Damen im Sattel hier genannt werden, gelegentlich für Kurzweil. Sechsmal vier Minuten wilde Reiterei, Drei gegen Drei, mit Schlagstock und orangefarbenem Ball, der von den wilden Reitern bei zum Teil hohem Tempo zwischen zwei sieben Meter auseinander stehenden Pfosten durch ins Grasland hinter dem Spielfeld bugsiert wird. Gespielt wird nach den englischen Regeln von „Polo in the Park“, um das Spiel für Zuschauer besser erlebbar zu machen. Dieser ist sehr viel näher dran, der Ball ist größer und farbig, damit er besser zu sehen ist, das Spielfeld mit 180 mal 70 Meter etwas kleiner als in Argentinien, der Polo-Nation Nummer 1, wo auch mal auf 260 mal 220 Meter gespielt wird. Dann allerdings mit jeweils vier Reitern, und ein Chukka, also ein Spielabschnitt dauert sieben Minuten, hier sind es nur vier Minuten.

Vor allem die Pferde, meist englische Vollblüter mit eingezüchtetem argentinischen Wildpferd, sollen durch die Verkürzung geschützt und die Verletzungsgefahr soll verringert werden. Wie beim Polo üblich, werden sie während des Wettspiels mehrfach gewechselt, um sich erholen zu können. Gewechselt werden auch die Spielseiten, früher hat man das sogar nach jedem Tor gemacht. Weil ja damals die Männer (noch ohne Amazonen) in Südamerika oft im Glanz der untergehenden Sonne gegeneinander anritten und dieser Nachteil auf diese Art ausgeglichen werden sollte.

Im kommenden Jahr 2023 dürfen die rund 400 deutschen Polospieler in 28 Clubs mit ihren Sponsoren im Hintergrund die Europameisterschaft ausrichten. Dann wird in der Abendsonne von Düsseldorf gespielt. Für die demnächst in Florida stattfindende Weltmeisterschaft konnten sich die deutschen Polo-Cracks nicht qualifizieren.

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