Ein „Halleluja“ auf die Waldorfschule

Ann-Katrin Sura

Am Samstagmorgen, 27. September, herrschte ein fröhliches Treiben in der voll besetzten Stadthalle, die mit der „Monatsfeier der Waldorfschule Oberursel“ (die nicht monatlich stattfindet!) gute Unterhaltung versprach.

Aufgeregte Kinder und Jugendliche der Klassen 1 bis 13 flatterten in weißen Shirts und Jeans, mit bunten Seidentüchern und Flöten um den Hals, durch die Halle, begleitet und beruhigt von Lehrer*innen und Eltern. Als Intro und Einstimmung hatte sich das Schulorchester unter der Leitung von Frau Allegro Brahms‘ „Ungarischen Tanz Nr. 5“ ausgesucht, eine herausfordernde Komposition, die sofort funkensprühend gute Laune verbreitete und das große Können der kleineren und größeren Musiker zeigte. Dann führten nonchalant und charmant die jungen Moderatoren Linus Bangert und Aeneas Drechsler die Gäste durchs Programm und es wurde viel gelacht. Es folgten gesprochene und gesungene Gedichte auch auf Englisch und Französisch, Sketche, Bodypercussion, Stabübungen nach den „Ecossaisen“ von Beethoven sowie Eurythmie zum Thema Herbst, was eindrucksvoll bewies, dass Waldorf-Schüler nicht nur ihren Namen tanzen können. Selbst die Jüngsten gerieten weder bei den auswendig gelernten Texten noch bei den schnellen Rhythmen, denen sie nur mit ihrem Körper durch Stampfen und Klatschen Ausdruck verliehen, ins Stocken. Das Gedicht von Heine von 1844 (8. Klasse), „Die schlesischen Weber“ mit einem Leinwand-Bild von Käthe Kollwitz, die den Weberaufstand in ihren Bildern zeichnete, sowie „Mein Gefängnis“ von Erich Mühsam, der als politischer Aktivist am 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg ermordet wurde, von der 13. Klasse vorgetragen, unterbrachen für Augenblicke das heitere Fest: Ein Moment der Stille ließ alle kurz inne halten und das Michaeli-Lied „Lass mich ein Streiter Gottes sein“ drückte aus, dass wir, wie der Erzengel Michael, beständig gegen das Böse kämpfen müssen, nicht zusehen und schweigen dürfen, sondern mutig für unsere eigenen Grundrechte, aber auch die der anderen einstehen, wie es Lehrer Höhler erklärte.

Musikalische, humorvolle und literarisch anspruchsvolle Beiträge teils mit vollem Körpereinsatz, die nicht nur zum Mitklatschen, sondern vor allem zum Nachdenken animierten, bescherten dem Publikum in der Stadthalle ebenso ausgelassene wie besinnliche Stunden.

Das große Finale bestritt die Band der Waldorfschule mit einer mitreißenden Version von „Castle of Glass“ von Linkin Park und als Zugabe ein Ohrwurm der Backstreet Boys „I want it that way“, mit der Aufforderung zum Mitsingen. Ein beschwingter Vormittag ging so zu Ende, der in bunten Farben und mit viel rhythmischer und musikalischer Musik bewies, dass Schule so viel mehr sein kann als Lehranstalt mit maximalem Lehr-Inhalt, sondern eine Anregung, kreativ und mutig den eigenen Weg zu gehen – mit Körper, Geist und Seele.

Im Anschluss lud die Schule nachmittags zum Tag der offenen Tür in den Eichwäldchenweg ein. Schon der Außenbereich beeindruckte mit riesigen Klettergerüsten und einem Holzofen. Das schöne mintfarbene Holzgebäude entspricht von außen und von innen der Idee, Formen zu finden, die das Kind in der Schule unterstützen und dem Wesen des Kindes entsprechen sollen. Es geht in der Waldorf-Architektur um Fragen, wie Form, Farbe und Material in der Gestaltung bewusst zum Wohle der Kinder eingesetzt werden können. Alle farbenfrohen Klassenräume standen zur Besichtigung offen, faszinierend besonders das Wissenschaftszimmer mit zwei Mikroskopen und ausgestopften Tieren. Von überall her klang Klaviermusik, einige Schüler übten eifrig auf dem Instrument im ersten Stock, und überall wurde herzlich gegrüßt und mit viel Engagement herumgeführt, allen voran der ehemalige Direktor Michael Erfurt.Seit dem 1. August leitet Dr. Bernd Fehrenbach die Schule in Oberursel.

Die Waldorfschule ist eine von 14 Schulen in Oberursel, die dank ihrer Diversität ein wesentlicher Standortvorteil für den Taunusort sind.

Historie

Die Freie Waldorfschule Oberursel ist eine öffentliche und allgemeinbildende Schule von Klasse 1 bis 13 mit anerkannter gymnasialer Oberstufe (G9). Die Schule wurde dank einer Elterninitiative im Oktober 1993 gegründet. Im September 2002 konnte der Schulbau im Eichwäldchenweg 8 eingeweiht werden. 33 Lehrkräfte bereiten 300 Kinder bis zum Abitur auf das Leben vor. Der Unterricht umfasst handwerklich-künstlerische Fächer, Musik, Eurythmie, Fremdsprachen und Naturwissenschaften, ergänzt durch Förderangebote wie Sprachtherapie und Heileurythmie. Immer geht es um die ganzheitliche Entwicklung des Kindes, wie sie von Rudolf Steiner 1919 begründet wurde.

Waldorfschulen bekennen sich für eine vielfältige, inklusive und demokratische Gesellschaft, gegen jegliche Form von Diskriminierung, gegen Antisemitismus und politischen Extremismus.

Dass Waldorfschüler nicht nur ihren Namen tanzen können, zeigten 150 Kinder und Jugendliche in der Stadthalle. Eurythmie und Body Percussion gehören ebenso zur Pädagogik wie klassische Musik, Pop und Theater.Foto: sura

Schon der Außenbereich beeindruckte mit riesigen Klettergerüsten.Foto: sura

Die Band der Waldorfschule spielte eine mitreißenden Version von „Castle of Glass“ von Linkin Park.Foto:sura

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