Haushaltsplaner müssen „auf Sicht fahren“

Geliebtes Sorgenkind: Damit die U3 auch weiterhin Tag für Tag von der Hohemark bis zum Frankfurter Südbahnhof und zurück fährt, muss die Stadt jährlich 1,4 Millionen Euro berappen, die von der VGF für den Betrieb berechnet werden.Foto: js

Von Jürgen Streicher

Oberursel. Am Straßenbild kann man an vielen Stellen deutlich erkennen, wie es um die finanziellen Möglichkeiten der Stadt bestellt ist. Die Löcher im holprigen Asphalt waren ein schönes Bild für die Investitionsbremsen, die den städtischen Haushalt wohl auch 2021 bestimmen werden. Zurückhaltende Ausgabepolitik, wichtige Investitionen mussten zuletzt stets geschoben werden, so wird es auch im kommenden Jahr sein.

„Auf Sicht fahren“, es war der am häufigsten verwendete Begriff im Corona-Jahr, er war es auch in der Haushaltsrede von Bürgermeister Hans-Georg Brum vor dem Stadtparlament. Ihm fiel die Aufgabe zu, den Kommunalpolitikern die kritische Finanzlage der Stadt zu erläutern und den Umgang damit schmackhaft zu machen. „Auf Sicht fahren“, das geflügelte Wort unter Finanzpolitikern, nichts anderes wird Oberursel 2021 übrig bleiben. Dafür reichen die Eckdaten des Haushalts, den die Finanzexperten im Rathaus „mit großer Sorgfalt und Engagement“ vorbereitet haben, so Brum. Die nackten Zahlen beschönigen können sie nicht, der Haushaltsentwurf ist massiv von der Corona-Pandemie geprägt. Den Einnahmen von 117,2 Millionen Euro werden wohl Ausgaben von 124 Millionen Euro gegenüberstehen. Insgesamt wird der sogenannte Ergebnishaushalt voraussichtlich sogar ein Defizit von acht Millionen Euro aufweisen.

Das ist laut Brum der Ausgangspunkt beim „Fahren auf Sicht“. Und das bei einem Haushalt, der noch immer voller Unsicherheiten steckt und dazu zwinge, „Wege in der Gefahr zu suchen“, so Brum, den Titel eines Buches von Carl-Friedrich von Weizsäcker zitierend. Er soll Mut machen, die ungünstigen Voraussetzungen in den Griff zu bekommen und zusätzliche Risiken zu vermeiden. Und die neuen „Kröten“ vielleicht schon zu antizipieren, bevor sie mit Wucht aufprallen. Wie etwa die Ablehnung des Landes, Oberursel am kommunalen Entschuldungsprogramm „Hessenkasse“ teilhaben zu lassen. Die erhofften fünf Millionen Euro hätten gut getan. Oder die Absagen bei Fördermitteln, etwa beim dringend benötigten Innenstadt-Konzept. Von Fachleuten und vom Land gelobt, aber bezahlen sollte die Stadt selbst. Und nicht zuletzt die neue „Heimatumlage“ als Folge des Landesgesetzes „Starke Heimat Hessen“, noch so eine Kröte, die zwei Millionen Euro geschluckt hat.

Ausgaben nehmen zu

Haupteinnahmequelle der Stadt bleiben die Steuererträge, kalkuliert wird mit 96 Millionen Euro aus Einkommenssteuer, Grundsteuer B und Gewerbesteuer. Schon jetzt wird mit einem Verlust von zusammen rund sieben Millionen Euro gerechnet, ungeachtet der Unsicherheiten. Brum: „Keiner kann sagen, welche Unternehmen sich halten können und welche der Pandemie zum Opfer fallen.“ Die Kehrseite: Mehr als 50 Prozent der Steuereinnahmen verbleiben nicht im Haus, sondern sind durchlaufende Posten. Fließen in Kreisumlage (31,6 Millionen), Schulumlage (15,7 Millionen), Gewerbesteuerumlage (drei Millionen) und die Heimatumlage (1,8 Millionen). Fazit: Die Einnahmen entwickeln sich konjunkturbedingt negativ, die Ausgaben nehmen unbeeindruckt von der Konjunktur deutlich zu. Vor allem die Fixkosten, bindende Ausgabeverpflichtungen über einen längeren Zeitraum. Brum: „Auch in der krisenhaften Situation steigen diese Kosten ganz fix weiter an.“ Keiner mochte über diesen kleinen Wortscherz am Rande lachen.

Fixkosten sind etwa die Personal- und Aufwendungskosten mit 26, 8 Millionen Euro (plus 1,1 Millionen) und zum Beispiel die U-Bahn, die eigentlich nur durch die Stadt fährt, von der Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF) betrieben wird. Damit sie das tut, zahlt Oberursel jährlich 1,4 Millionen Euro, von den Einnahmen profitiert die Stadt nicht. Zum heftigsten Posten mit jährlich ganz fix steigenden Kosten ist die Kinderbetreuung geworden. Wieder sei ein Kostenanstieg um 1,4 Millionen Euro zu erwarten, wird prognostiziert, unter dem Strich stehen 26,4 Millionen Euro, dem stehen Erträge von 6,4 Millionen Euro entgegen. Innerhalb von 15 Jahren hat sich der Zuschussbedarf in diesem Bereich von fünf auf 20 Millionen Euro vervierfacht. Brums Mahnung: „Es ist wichtig, eine kontinuierliche Anpassung der Kinderbetreuungsgebühren fest zu installieren.“

Wenig Geld für Investitionen

Für Investitionen bleibt angesichts dieses düsteren Bildes auch 2021 nicht viel Geld übrig. Mit 6,8 Millionen Euro weist die voraussichtliche Investitionssumme extrem niedrige Werte auf. Die anstehenden Großprojekte waren daher nur eine Randnotiz. Rathaus-Sanierung (14 Millionen Euro), Gefahrenabwehrzentrum (26 Millionen Euro), Kläranlage (20 Millionen Euro), Wertstoffhof (13 Millionen Euro), in allen Fällen gilt die oberste Devise: „Fahren auf Sicht“. Und doch schließt Bürgermeister Hans-Georg Brum sein wohl letztes 37-minütiges Plädoyer für Mut zum Gestalten in der Krise positiv gestimmt. Nennt Neuerungen wie Innovationen im Bereich der Art des Arbeitens, der Zusammenarbeit mit anderen Städten und Gemeinden, der Anwendung neuer Techniken im Zeitalter der Digitalisierung, der Nutzung neuer Medien in der täglichen Arbeit und einiges mehr als Beweis dafür, dass die Krise auch Chancen für eine positive Entwicklung biete.

Zusätzliche Informationen:

Die wichtigsten Punkte aus dem Haushaltsentwurf werden im Oberurseler Forum auf Facebook erklärt und Fragen zum Haushaltsentwurf beantwortet. Dazu wurde Hans-Georg Brum zum Livestream-Gespräch eingeladen. Es findet am Mittwoch, 14. Oktober, um 19 Uhr statt. Fragen können ab sofort in den Kommentaren eingereicht werden oder direkt während des Livestreams. Wer nicht auf Facebook ist, kann den Livestream über die Adresse obu.li/haushalt2021 auf YouTube folgen. Im Anschluss an das Gespräch sind die Bürgermeisterkandidaten beziehungsweise Vertreter der im Stadtparlament vertretenen Parteien eingeladen, ihre Stellungnahmen zum Haushaltsentwurf vorzutragen.

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