Kerzen gegen das Vergessen

Als Annette Andernacht bei Einbruch der Dunkelheit ihre Kerze am Gedenkstein entzündet, sind ihr schon etliche Oberurseler zuvorgekommen.Foto: bg

Oberursel (bg). Zum Gedenken an die Novemberpogrome hatte die Initiative Opfer-denkmal eine Veranstaltung mit den Künstlern Monika Held und Georg Praml „In Auschwitz gab es keine Vögel“ geplant. Sie musste wegen der steigenden Fallzahlen von Corona-Infizierten abgesagt werden. „Auch wenn die Gesundheit vorgeht, wollen wir den Gedenktag nicht einfach so verstreichen lassen“, erklärte die Sprecherin der Initiative, Annette Andernacht. „Wir wollen ein Signal leuchten lassen gegen das Vergessen“.

Vor 82 Jahren, am 9. November 1938, hatten die Nationalsozialisten deutschlandweit Sy-nagogen in Brand gesteckt. Dieser Tag war der Auftakt für die massive Ausgrenzung und Verfolgung von Juden in Nazi-Deutschland. Das Denkmal für die Oberurseler Opfer des Nationalsozialismus ist wegen der Renovierungsarbeiten an der Hospitalkirche momentan eingehaust. Deswegen bat die Initiative Opferdenkmal darum, Kerzen gegen das Vergessen am Gedenkstein am Rathausplatz aufzustellen. Etwas unscheinbar steht er am Rande der Ausfahrt der Stadthallen-Tiefgarage und wird gern mal übersehen, der graue Gedenkstein. Als Annette Andernacht kurz vor Einbruch der Dämmerung dort ankam, brannten schon viele Kerzen. Während sie ihre Kerze anzündete, bleiben immer wieder Menschen stehen, brachten selbst Kerzen oder nahmen den Gedenkstein erstmals bewusst zur Kenntnis. Er wurde 1988 auf Betreiben der Arbeitsgemeinschaft „Nie wieder 1933“ dort aufgestellt. Versehen ist er mit einer Tafel, auf dem ein Zitat von Richard von Weizsäcker zu lesen ist: „Wir gedenken in Trauer aller Opfer des Krieges und der Gewaltherrschaft. Nur wer die Vergangenheit leugnet, ist in der schrecklichen Gefahr, sie zu wiederholen“.

Das Zitat stammt aus seiner Rede, die er zum Gedenken an den 8. Mai im Jahr 1985 gehalten hatte. Sie sorgte damals für großes Aufsehen. Zum ersten Mal bezeichnete damit ein Bundespräsident den Tag, an dem der Zweite Weltkrieg zu Ende gegangen ist, offiziell als „Tag der Befreiung“.



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