Kindheit in der Moselstraße

Brigitte Geißler-Burschil ist in der Moselstraße aufgewachsen und denkt gern daran zurück.

Oberursel (ow). Brigitte Geißler-Burschil hat ihre Kindheitserinnerungen aufgeschrieben. Ursprünglich war das nur für ihre Enkelkinder gedacht. Doch als sie sich ans Werk machte, stellte sie fest, dass vieles genauer erklärt werden musste, um die Welt vor 70 Jahren den Jüngeren verständlich zu machen. So wurde daraus ein kleines Büchlein.

Sie ist in der Moselstraße aufgewachsen. In einer kleinen Wohnung, gerade 48 Quadratmeter groß, aber schon modern mit Bad und Toilette. Dort lebte sie mit ihren Eltern, die aus ihrer Heimat flüchten mussten, und zwei älteren Geschwistern von 1950 bis 1957. Endlich hatte die junge Familie wieder ein Dach über dem Kopf.

Mit ihrer munteren Erzählung über ihren Kinderalltag in den 1950er-Jahren bietet die Autorin eine Zeitreise in die Vergangenheit, in der das Leben ganz anders organisiert war. Alle hatte wenig Geld, es wurde eisern gespart, jeder Pfennig umgedreht und alles wurde bar bezahlt, denn Girokonten gab es noch nicht. Ohne Wasch- und Spülmaschine, Kühlschrank und andere technische Hilfsmittel war Hausarbeit oft Schwerstarbeit und die Kinder mussten mitanpacken. Holz wurde mit Handwagen aus dem Wald herangeschafft und hinter dem Haus gestapelt, Kohlen und Kartoffeln im Keller eingelagert. Im Sommer wurden Heidelbeeren im Wald gesucht und Vorräte aus dem Garten für den Winter eingekocht. Immer mussten die Jüngeren die Klamotten der Älteren auftragen. Vieles wurde selbst genäht, Pullover wurden aufgetrennt und wieder neu gestrickt. Kaum eine Familie besaß einen Fernseher oder ein Telefon.

Aber für die Autorin und die vielen Kinder in der Moselstraße war es eine glückliche Zeit, an die sie sich gerne erinnern. Damals fuhren auf den Straßen selten Autos. Die ganze Moselstraße wurde zur Spielstraße und zum Abenteuerspielplatz. Mit eisernen Rollschuhen, die einen höllischen Krach machten, sauste die Kinderbande die leicht abschüssige Straße herunter, tobte rund um die Häuser, malte sich Hickelfelder auf, spielte Klicker, Verstecken, Fangspiele und Abwerf- oder Völkerball.

Zum Spielen waren alle immer draußen, denn die Wohnungen waren dafür ja viel zu klein. Im Sommer wurden Decken auf den Rasen gelegt. Dann spielten die Mädchen dort mit ihren Puppen, während die älteren Jungen ihre Spielplätze wie den berühmten „Amigarten“ aufsuchten. Im Winter ging es zum Rodeln ans Bachpfädchen oder an die Bleiche. Zum Glück wollten die Eltern selten wissen, was ihre Kinder vorhatten. Allerdings mussten die größeren Geschwister auf die kleineren aufpassen. Und wenn es dunkel wurde, gingen alle nach Hause. Es galt die eiserner Regel: Sobald die Straßenlaternen angehen, kommt ihr heim. Von diesen Freiheiten können heutige Kinder nur träumen.

In ihrem Büchlein erinnert sich Brigitte Geißler-Burschil auch an die Amerikaner. Manchmal landeten auf der KHD-Wiese Hubschrauber, dann rannten alle Kinder so schnell wie möglich dahin. Die GIs verteilten Kaugummis an alle, das war was ganz Neues. Einmal hatte die Familie der Autorin an Weihnachten einen Amerikaner zu Gast. Daran erinnert sie sich besonders gerne. Sie und ihre Schwester Monika bekamen als Geschenk modernste, bewegliche Puppen, Barbie-Vorläufer aus Vollgummi mit Klimperaugen und Haaren auf dem Kopf. Ihr Bruder Wolfgang erhielt ein Straßenkreuzer-Modell mit Fernbedienung. Echte Schätze in der damaligen Zeit.

Das Büchlein: „Als die Moselstraße unser Spielplatz war – Erinnerungen an meine Kindheit im Oberursel der Nachkriegszeit“, umfaßt 28 Seiten und kostet fünf Euro. Es kann bei der Buchhandlung Libra am Rathausplatz bestellt und dort abgeholt werden.



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