Klangschönes Passionskonzert bewegt das ergriffene Publikum

Die Jugend-Kantorei präsentiert sich als Oberstimmenchor bei John Rutters „Visions“.

Oberursel (bg). Ein Musikereignis der Extraklasse wurde in der Christuskirche aufgeführt. Ein kontrastreiches, außergewöhnliches Programm hatte sich Kantorin Gunilla Pfeiffer ausgedacht und mit dem Jugendchor, der Evangelischen Kantorei Oberursel und der Kammerphilharmonie Rhein-Main unter der Leitung von Holger Pusinelli auf die Beine gestellt. Spätromantische Musik traf auf zeitgenössische Komposition und sorgte für Gänsehaut-Momente bei den Konzertbesuchern.

Beim Passionskonzert mit mehr als 80 Sängern, hochkarätigen Solisten wie Miroslava Stareychinska an der Harfe, Holger Pusinelli an der Violine und Andreas Karthäuser an der Orgel, der Sopranistin Simone Schwark und dem Bassbariton Christos Pelekanos erklang das bekannte Requiem von Gabriel Fauré als krönender Abschluss der Konzertaufführung. Aufgeführt wurde es in der Fassung für Kammerorchester mit Harfe, Orgel und Solo-Violine. Während Totenmessen oft dramatisch, ungestüm oder klagend wie beim „Lacrimosa“ von Mozart daherkommen, schrieb Faure selbst über sein Requiem: „Es ist von sanftmütigem Charakter, so wie ich selbst“.

In intensiven Proben hatten sich die beiden Chöre auf das Konzert vorbereitet. Das Ergebnis war aller Mühen wert, die Zuhörer waren tief bewegt und begeistert zugleich. Zum Auftakt erklangen die „Visions“ von John Rutter. Der englische Komponist und Chorleiter, Jahrgang 1945, gilt als einer der bedeutendsten und populärsten Tonsetzer zeitgenössischer Chor- und Kirchenmusik. Die umkämpfte Stadt Jerusalem, mehr als 5000 Jahre alt und Christen, Juden und Muslimen gleichermaßen heilig, lässt Rutter in seiner viersätzigen Komposition als „Symbol für ein utopisches Ideal von himmlischen Frieden“ erscheinen. Dabei verknüpft er auf reizvolle Weise alte Texte und Melodien mit modernen Klängen. Er hat das 2016 entstandene Werk für Oberstimmenchor, Solo-Violine, Harfe und Orgel (oder Streicher) geschrieben. Es umfasst verschiedene Blickrichtungen auf diese besondere Stadt und vereinigt mittelalterliche Gesänge, freudige Verkündigung, filmmusikartige Passagen ebenso wie musikalisch eingefangene kriegerische Auseinandersetzungen.

Dem Jugendchor war die Aufgabe zugewachsen, das Konzert zu eröffnen, und er bewältige diese Herausforderung famos. Die in wunderbare Klänge gegossenen Texte über das heilige Jerusalem, vorgetragen durch die jugendfrischen Stimmen des jungen Chors oder wie bei dem „Lamento“ von der Sopranistin Simone Schwark, wurden auf das Feinste von der Solistin an der Harfe und Holger Pusinelli mit seinen Soli auf der Violine unterstrichen.

Bevor das traumschöne Requiem erklang, wurden den andächtig lauschenden großen und kleinen Konzertbesuchern wahre Perlen kirchenmusikalischer Literatur dargeboten. Ebenfalls aus der Feder Gabriel Faurès das kurze Chorwerk „Cantique de Jean Racine op. 11“. Der junge Faurè komponierte es für sein Abschlussexamen an der Ecole de Musique Religieuse et Classique in Paris und gewann damit den ersten Preis eines Kompositionswettbewerbs. Es folgte eine kleine, viersätzige Messe von Fauré, die „Messe Basse“, für Frauenchor und Orgel, die er in seinem Urlaub an der normannischen Küste geschrieben hatte. Jean Alain (1911 – 1940) hat trotz seiner jungen Jahre die französische Orgelmusik des 20. Jahrhunderts stark beeinflusst und mitgeprägt. Von ihm erklangen zwei kurze Solo-Lieder. Das „Quam suavis est“, geschmeidig, zart fast schwebend vorgetragen vom stimmkräftigen griechischen Bass-Bariton Christos Pelekanos, unterlegt vom Orgelspiel Andreas Karthäusers, und ein „Ave Maria“. Hier stellte sich Solistin Simona Schwark glänzend vor. Verfasst wurde das „Ave Maria“ für Singstimme und Orgel, deutlich waren dabei die gregorianischen Einflüsse hörbar.

Trost-Musik fürs Herz

Schon der Auftakt ins Requiem war überwältigend. Das gesamte musikalische Ensemble, allen voran der vierstimmige Chor stellte sich mit einem kraftvollen, überzeugend vorgetragenem Kyrie vor, begleitet von der Kammerphilharmonie Rhein-Main. Die weiteren Sätze boten den Solisten Simone Schwark, Christos Pelekanos der Harfenspielerin Miroslava Stareychinska und den Blechbläsern des Orchesters Gelegenheit, ihre Kunstfertigkeit unter Beweis zu stellen. Die lyrische Grundstimmung dieser so zart und anrührend gesetzten Totenmesse hat intimen Charakter und wirkt mehr tröstend als düster. Mit dieser „Trost-Musik fürs Herz“ tauchte das Publikum tief in die spätfranzösische Klangwelt von Gabriel Fauré ein. Sie ist erfüllt von weichen, farbigen Harmonien und ausdrucksvollen Melodien, die durch das gelungene Zusammenspiel von Chor, Solisten und Orchester wunderbar aufblühten.

Tief bewegt und sichtlich ergriffen gab es lange nachdem die letzten Klänge der Totenglocke verhallt waren, tosenden Beifall des Publikums für das gesamte Ensemble. Besonderer Applaus brandete für die großartige Gunilla Pfeiffer auf, die alle Musiker sicher durch das ambitionierte, kontrastreiche und traumhaft schöne Programm mit ihrem einfühlsamen, präsentem Dirigat geführt hatte.

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